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Elterngeld (Deutschland)

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Das Elterngeld ist eine im Koalitionsvertrag der Großen Koalition vorgesehene und nunmehr von der Bundesregierung geplante steuerfinanzierte Transferzahlung für Familien mit jungen Kindern und soll ab 2007 das bisherige Erziehungsgeld ersetzen. Es stellt keine dauerhafte Unterstützung dar, sondern wird nur für einen kurzen Zeitraum von gewöhnlich einem Jahr unmittelbar nach der Geburt des Kindes gewährt. Die Höhe des Elterngeldes richtet sich nach dem Einkommen der Eltern und soll als vorübergehender Lohnersatz dienen.

Deutschland

Deutschland hat mit nur 1,3 Kindern pro Frau eine Fertilität unter dem EU-Durchschnitt, jedoch, anders als gemeinhin behauptet, nicht die niedrigste der Welt. Unter den derzeit 25 EU-Staaten liegen noch zehn darunter. Schon Mitte der 1970er Jahre sank die Fertilität auf 1,4 Kinder pro Frau ab. Ideal für eine Konstanthaltung der Bevölkerungszahl ohne Zuwanderung ist in Deutschland eine Fertilität von 2,1 Kindern pro Frau. Unterdurchschnittlich ist die Zahl der Geburten bei besser gebildeten und besser verdienenden Frauen, insbesondere bei Akademikerinnen.

Um Paaren die Entscheidung für eine Familiengründung zu erleichtern, plante die SPD bereits in der 15. Legislaturperiode ein einkommensabhängiges Elterngeld nach skandinavischem Modell. Im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2005 warb sie mit diesem Konzept um Wählerstimmen. Das Elterngeld sollte laut Plänen von Familienministerin Renate Schmidt langfristig das bisherige Erziehungsgeld ersetzen, das gegenwärtig bis zu 24 Monate lang gewährt wird.

Im Mai 2006 einigten sich Unionsparteien und SPD endgültig auf ein Konzept zur Einführung des Elterngeldes ab dem 1. Januar 2007. Der Gesetzentwurf wurde im Juni vom Bundeskabinett beschlossen und soll im Herbst die parlamentarischen Beratungen durchlaufen haben. Im Gegensatz zum bedürftigkeitsabhängigen Erziehungsgeld, das bei Nichtüberschreitung festgesetzter Einkommensgrenzen als monatlicher Pauschalbetrag gezahlt wird, ist das Elterngeld als elternbezogene Lohnersatzleistung konzipiert, die sich am vorangegangenen Nettoeinkommen des betreuenden Elternteils orientiert. Vom skandinavischen Modell soll die Regelung übernommen werden, nach der die selbständige Aufteilung der bisher als Erziehungsurlaub bezeichneten Elternzeit auf Mutter und Vater Restriktionen unterliegt. Durch das 2005 in Kraft getretene Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) wird ein bedarfsgerechter Ausbau von Betreuungsangeboten für Unter-Dreijährige angestrebt. Der Koalitionsvertrag der Großen Koalition sieht das Ziel vor, nach Beendigung der Elternzeit allen ein Kinderbetreuungsangebot zu gewähren. Gegebenenfalls soll ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für jedes Kind ab dem zweiten Lebensjahr eingeführt werden.

Eckpunkte des Gesetzentwurfs

Quelle: Pressemitteilung des Bundesministeriums für Familie, Frauen, Senioren und Jugend

  • Das Elterngeld wird im Kernzeitraum zwölf Monate gezahlt. Zwei zusätzliche Partnermonate kommen hinzu, wenn sich der jeweils andere Partner Zeit für das Kind nimmt und im Beruf kürzer tritt. Die insgesamt 14 Monate können somit frei zwischen Vater und Mutter aufgeteilt werden, mindestens zwei Monate sind allein für den Vater oder die Mutter reserviert.
  • Elterngeld gibt es für Erwerbstätige, Beamte, Selbstständige und erwerbslose Elternteile, Studierende und Auszubildende.
  • 67 Prozent des wegfallenden Einkommens, mindestens 300 Euro maximal 1800 Euro werden ersetzt, wenn die Arbeitszeit auf maximal 30 Stunden pro Woche reduziert wird.
  • Nimmt der Vater oder die Mutter die zwei Partnermonate nicht in Anspruch, so wird für diese zwei Monate kein Elterngeld, auch kein Mindestelterngeld, gezahlt.
  • Das Mindestelterngeld in Höhe von 300 Euro wird im Kernzeitraum von zwölf Monaten immer gezahlt, wenn ein Elternteil das Kind betreut, unabhängig davon, ob der Elternteil vorher erwerbstätig war. Das betrifft Transferempfänger ebenso wie Einverdienerfamilien.
  • Das Mindestelterngeld in Höhe von 300 Euro wird während der Kernzeit von zwölf Monaten nicht als Einkommen auf andere Sozialleistungen oder Wohngeld angerechnet.
  • Alleinerziehende, die vor der Geburt des Kindes erwerbstätig waren, erhalten das Elterngeld 14 Monate, da sie Vater- und Muttermonate erfüllen.
  • Bei der Geburt eines weiteren Kindes innerhalb von 24 Monaten wird zusätzlich zum neuen Elterngeld ein Geschwisterbonus gezahlt. Er errechnet sich aus der Hälfte der Differenz der höchstmöglichen Elterngelder für beide Kinder.
  • Für Geringverdiener gibt es ein erhöhtes Elterngeld. Ist das zugrunde liegende Nettoeinkommen geringer als 1000 Euro monatlich, wächst der Einkommensersatz bis zu 100 Prozent. Je 20 Euro geringerem Einkommen erhöht sich die Ersatzrate um jeweils ein Prozent.
  • Das Elterngeld kann bei gleichem Gesamtbudget auch auf den doppelten Zeitraum (auf bis zu 28 Monate) gestreckt werden, dann werden die halben Monatsbeträge gezahlt.
  • Maßgeblich für die Berechnung des Elterngeldes ist der Durchschnittsbetrag aus dem Einkommen der vergangenen zwölf Kalendermonate vor der Geburt des Kindes bzw. vor der in Anspruch genommenen Mutterschutzfrist. So wird sichergestellt, dass auch befristet Beschäftigte und Selbstständige mit unregelmäßiger Auftragslage angemessen berücksichtigt werden.
  • Das Gesetz zum Elterngeld soll zum 1. Januar 2007 in Kraft treten.
  • Es gilt die Stichtagsregelung. Für Kinder, die ab dem 1. Januar 2007 geboren werden, gibt es das Elterngeld. Für Kinder, die vor dem 1. Januar 2007 zur Welt kommen, gilt das bisherige Bundeserziehungsgeldgesetz.
  • Das Elterngeld ist steuerfinanziert. Es ist für die Einkommenssteuer progressionsrelevant: Es wird zum Einkommen hinzugerechnet und bestimmt die Höhe des Steuersatzes. Selbst wird es nicht versteuert und ist abgabenfrei.

Kritik am Elterngeld

Verteilungspolitische Wirkungen

Nicht Berufstätige und Elternteile mit schwachem Einkommen müssen sich im Zuge der geplanten Regelung auf teilweise erhebliche finanzielle Nachteile einstellen. So kann eine Mutter, deren Partner aus beruflichen Gründen keine Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Elternzeit hat, nach derzeitigem Recht über 24 Monate a 300 Euro, also insgesamt 7.200 Euro, Erziehungsgeld beziehen, sofern sein Jahreseinkommen 30.000 Euro nicht übersteigt. Nach dem Elterngeldkonzept, das eine Unterstützungsdauer für einen einzigen Elternteil von maximal 12 Monaten vorsieht, müsste sie ein Nettoeinkommen von mindestens 760 Euro erzielen, um einen monatlichen Elterngeldanspruch von 600 Euro zu erhalten, der notwendig ist, um sich nicht schlechterzustellen. Berechnung: 67% + (1000-760/20)% von 760 Euro. Müttern, die, wie sehr viele Frauen, keiner oder nur einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen, und hierdurch ein Nettoeinkommen von nicht über 300 Euro erzielen, und deren Partner aus beruflichen Gründen keine Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Elternzeit hat, wird die staatliche Unterstützung halbiert. Für alleinerziehende Mütter mit 14-monatigem Elterngeldanspruch bedeutet die Neuregelung eine Verschlechterung, sofern ihr Nettoeinkommen 585 Euro unterschreitet. Ein massiver Einschnitt kommt auf Arbeitslosengeld-II-Empfänger-Familien zu. Sie erhalten statt 24 Monate a 300 Euro Erziehungsgeld nur noch 14 Monate a 300 Euro Elterngeld - eine Kürzung um 41,7% (Arbeitslosengeld II ist eine Sozialleistung zählt daher nicht als Einkommen!).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Bundesregierung die Situation der von Armut betroffenen Familien weiter zu verschärfen beabsichtigt, während die Mittelschicht und in ganz erheblichem Maße die Oberschicht vom Elterngeld profitiert - schon aufgrund der Tatsache, dass das bisherige Erziehungsgeld im Gegensatz zum Erziehungsgeld bedürftigkeitsabhängige Komponenten enthielt. Die umfangreiche Diskussion um die Forderung nach Einführung eines gesetzlich garantierten Mindestlohns von 8 Euro oder gar nur 7,50 Euro brutto (von Gewerkschaftsseite) und der vehemente Widerstand in Wirtschaft und politischen Parteien zeigen, dass Niedrigstlohnbetroffene und folglich jene, die nach der geplanten Neuregelung eine (deutlich) geringere Unterstützungsleistung erhalten, in der Gesellschaft keine kleine Randerscheinung darstellen. Für Normal- und Gutverdienende hingegen bedeutet das Elterngeld, deren Erziehungsgeldanspruchsdauer sich aufgrund mangelnder Bedürftigkeit auf bis zu 6 Monate verkürzen kann, eine umso stärkere Verbesserung, je höher ihr Nettoeinkommen ist.

Verfassungsrechtliche Bewertung

Das Elterngeldkonzept ist im Hinblick auf die notwendige Kompatibilität mit dem verfassungsrechtlich verankerten Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG problematisch. Zwar verlangt der Gesetzeswortlaut nur Gleichheit vor dem Gesetz, die Exekutive und Judikative, nicht jedoch die Legislative bindet. Tatsächlich geht die Bedeutung des Gleichheitssatzes aber über den Verfassungswortlaut hinaus, indem er auch Gleichheit des Gesetzes verlangt, und sich damit zugleich gegen den Gesetzgeber richtet (vgl. Weber (1999): 158f.). Der Gesetzentwurf zur Einführung des Elterngeldes behandelt Elternteile mit hohem und niedrigen Einkommen nicht gleich, sondern in hohem Maße unterschiedlich - nicht etwa dadurch, dass Geringverdienende, für die Kinder ein nachweislich höheres Armutsrisiko darstellen, kompensatorisch höhere Unterstützungsleistungen erhalten, sondern in genau umgekehrter Richtung. Selbst eine über die Normalförderung hinausgehende Zusatzförderung einkommensschwacher Familien wäre in Bezug auf das Gleichheitsgebot insofern nur folgerichtig, dass dieses die staatliche Gewalt nicht nur anweist, Gleiches gleich, sondern Verschiedenes verschieden, also nach seiner Eigenart zu behandeln. Zwar ist eine verschiedenartige Behandlung von Verschiedenem nach dem Entwurf genau vorgesehen; jedoch bedarf die Abstrusität der hinter ihm stehenden These, dass der Unterstützungsbedarf mit sinkendem Einkommen nicht etwa steigt, auch nicht gleichbleibt, sondern gleichgerichtet mit dem Einkommen zurückgeht, keiner weiteren Erläuterung.

Zu prüfen wäre die Rechtfertigbarkeit eines positiven Verhältnisses von Einkommen und Unterstützungsleistung mit der These einer höheren Steuerkraft von Beziehern höherer Einkommen. Aufgrund einer nicht vorhandenen festen Kopplung von Bruttoeinkommen und Steuerschuld hat die These pauschal keineswegs Bestand. So ist die Steuerlast, ungeachtet der Einkommenshöhe, aufgrund einer Fülle von Steuersparmodellen, von denen i.Ü. eher Bezieher höherer Einkommen profitieren, stark differenziert. Zudem stellen Steuern, im Gegensatz zu SV-Beiträgen, Abgaben zur Finanzierung des Gemeinwesens dar, ohne dass hieraus Individualansprüche auf staatliche Gegenleistungen erwachsen. Wer aus einer höheren Steuerkraft heraus entsprechend höhere Ansprüche auf staatliche Leistungen hergeleitet wissen will, verwirft gleichzeitig den Gedanken, nach dem breitere Schulten entsprechend stärkere Lasten zu tragen haben, und müsste folgerichtig die Rückkehr zur mittelalterlichen Kopfsteuer fordern. Ganz anders aufgebaut ist das Konzept der der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung. Jeder Arbeitnehmer zahlt bis zu einer Beitragsbemessungsobergrenze zur Finanzierung gegenwärtiger Versicherungsfälle einen festen Prozentsatz seines Arbeitseinkommens in die Versicherungen ein und erwirbt sich hierdurch individuelle, beitragsabhängige Gegenleistungsansprüche für das Eintreten des eigenen Versicherungsfalls.

Zusammenfassung

Das Problem der stetig wachsenden Familienarmut ist gemeinhin bekannt. Freilich ist es Aufgabe von Regierung und Gesetzgeber, wirksame Konzepte für ihre Bekämpfung zu entwickeln. Die Bundesregierung steuert genau in die entgegengesetzte Richtung, indem sie bedürftigen Familien, die Unterstützung durch Transfereinkommen am nötigsten haben, Mittel entzieht, um diese anderen, die die Kindererziehung stärker aus eigener Kraft zu finanzieren in der Lage sind, bereitstellen zu können. Dies ist eine völlige Verkehrung des Sozialstaatsprinzips, das in seinem Kern auf die Unterstützung des Bedürftigen durch den Nichtbedürftigen ausgerichtet ist. Da die Politik familienpolitische Maßnahmen zur Kinderarmutsbekämpfung nicht nur unterlässt, sondern diese darüber hinaus aktiv zu fördern im Begriff steht, können die Pauschalbehauptung der Bundesregierung, eine kinderfreundliche Politik zu betreiben und ihr Slogan "1:0 für die Familien, das Elterngeld kommt!" nur unter Zynismus subsumiert werden.

Weitere Kritikpunkte

Eine weitere Problematik des Entwurfs bildet der Versuch, über die Laufzeitregelung die familieninterne Aufgabenverteilung staatlich zu beeinflussen. Nach Auffassung von Kritikern ist dies im Hinblick auf Art. 6 GG (Schutz von Ehe und Familie) verfassungsrechtlich problematisch. Abs. 2 schützt speziell das Erziehungsrecht der Eltern, neben dem auf die Erziehung gerichteten Recht des Kindes gegenüber seinen Eltern. Vorgaben des Gesetzgebers gegenüber den Eltern über eine Aufteilung der Erziehungsaufgaben greifen in ihre Autonomie ein, so dass zu prüfen wäre, ob dies mit Art. 6 Abs. 2 GG vereinbar ist.

Angriffsfläche für Kritik liefert auch die am Geburtstag orientierte Stichtagsregelung, mit der das Elterngeld an die Stelle des Erziehungsgeldes treten soll. Während für Geburten bis zum 31. Dezember 2006 weiterhin Erziehungsgeld gezahlt wird, soll das Elterngeldgesetz nur für Familien gelten, deren Kind ab dem 1. Januar 2007 geboren wird. Durch diese Übergangsregelung wird insbesondere für Geringverdiener der Vertrauensschutz gewährleistet, indem das bereits laufende Erziehungsgeld weiterhin bis zu 24 Monate gezahlt wird. Hingegen bedeutet dies für besser verdienende Familien, deren Kind bis Ende 2006 geboren wurden, einen erheblichen finanziellen Nachteil gegenüber der ab 2007 geltende Gesetzeslage.

Frankreich

Frankreich kündigte im September 2005 die Einführung eines auf ein Jahr befristeten Elterngeldes von 750 Euro pro Monat an, welches ab dem dritten Kind als Alternative zum dreijährigen Erziehungsurlaub, bei dem der monatliche Lohnausgleich lediglich 512 Euro beträgt, angeboten werden soll.

Das Elterngeld soll Personen, die bereits Kinder haben, mehr Zeit und Geld zur Verfügung stellen. Zugleich verursacht es dem Staat geringere Ausgaben, da die Unterstützungszeit kürzer ist als beim Erziehungsurlaub. Das bevölkerungspolitische Ziel ist die Erhöhung der Fertilitätsrate von derzeit 1,9 Kindern auf mindestens 2,1 Kinder pro Frau.

Skandinavien

Schweden: Was ist mit den restlichen 120 Tagen?

In Schweden besteht ein 480-tägiger Elterngeldanspruch. Die Lohnersatzrate beträgt über einen Zeitraum von 360 Tagen 80 Prozent. Zusätzlich dürfen die Elternteile ihre Arbeitszeit ohne Lohnausgleich um bis zu zwei Stunden täglich verkürzen, bis das Kind acht Jahre alt ist. Die Erhöhung der Geburtenrate in Schweden wird auf diese Praxis zurückgeführt. Auch die Familienarmut wurde durch das Elterngeld zurückgeführt.

In Norwegen besteht ein 1-jähriger Elterngeldanspruch in Höhe von 80 Prozent des früheren Lohns oder alternativ von 100 Prozent über einen Zeitraum von 42 Wochen.

Deutschland

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