Peter Hagendorf

Peter Hagendorf (* um 1600, vermutlich im Raum Zerbst/Anhalt; † nach dem 26. September 1649), war ein Söldner des Dreißigjährigen Krieges, der ein umfangreiches Tagebuch hinterlassen hat, das als ein wichtiges Zeugnis des Söldnerlebens im Dreißigjährigen Krieg gilt.
Inhalt des Tagebuchs
Das Tagebuch beginnt umbestimmt Anfang der 1620er Jahre. Er schildert, wie er mit seinem besten Freund Christian Kresse am Bodensee entlang, durch die Schweiz, nach Italien marschiert, um dort am Veltliner Krieg teilzunehmen. Die erste konkrete Jahreszahl ist 1625. Er klettert mit seinem Freund bisschen in den Alpen herum und dabei stürzt dieser im Nebel vermutlich ab. Da wandert von da wieder zurück nach Deutschland und sich 1626 aus Geldmangel wieder anwerben. 1627 heiratet er in Berchtesgaden seine erste Frau Anna Stadler, die ab da mitmarschiert. Sie bekommt 4 Kinder, von denen keines länger als wenige Tage lebt. Als sie aufgrund der Folgen der letzten Geburt auch noch selbst in einem Münchner Krankenhaus stirbt, trifft ihn das hart. Zwei Jahre lang alleinstehend schildert er persönliche Exzesse, wie die Entführung einer jungen Frau aus Landshut zu seiner Gesellschaft, die er aus schlechtem Gewissen, aber dann doch wieder gehenlässt, bis er 1635 in Pforzheim seine zweite Frau, Anna Maria Büchler heiratet, die Tochter eines anderen Landsknechts. Mit ihr bekommt er während des Krieges noch 5 weitere Kinder. Hagendorf war an der Erstürmung von Magdeburg beteiligt, wo er schwer verwundet wurde. Er kämpfte hauptsächlich im Regiment Pappenheim, wurde zwischenzeitlich jedoch auch von den Schweden zwangsrekrutiert – eine im Dreißigjährigen Krieg übliche Praxis. Sein Sohn Melchior Christoph (Melchert Christoff), auf den er sehr stolz war und den er zur Erziehung an einen Pfarrer gegeben hatte, erreicht das Schulalter. Melchior Christoph und eine nachgeborene Schwester Anna Maria, sind bis zum Schluss Hagendorfs Aufzeichnungen am Leben. Er beschließt Memmingen mit seiner Familie zu verlassen, er reist erst nach Öttingen, dann nach Günzburg. Nach dem 26. September 1649 reißen seine Aufzeichnungen ab. Wohin seine Reise mit der Familie hingeht, bleibt offen.
Entstehung und Analyse
Im Jahr 1648, nachdem Hagendorf etwa 22.500 km durch Italien, das Heilige Römische Reich, die Spanischen Niederlande und das Königreich Frankreich gezogen war, erwarb er von seinem Sold 12 Bögen feines Papier, das er mit derben Fäden zusammenband, um darauf seine Kriegserlebnisse aufzuschreiben. Sehr sicher war es die Reinschrift von vielen Zetteln. Der Historiker Marco von Müller stellte in seiner Magisterarbeit fest, dass nachweisbar Zettel durcheinandergeworfen oder verloren wurden, so sind an einigen Stellen, Textteile nicht ganz schlüssig und klingen, wie aus der Erinnerung nochmals rekonstruiert.
Die Inhalte sind auf 192 Seiten mit meistens 12 geraden Zeilen niedergeschrieben. Die Sprache ist für damalige Verhältnisse ungewöhnlich kühl, mit stellenweise aufblitzender Ironie und sarkastischen Einwürfen. Distanziert beschreibt Hagendorf die Gräuel, die er mitansehen muss, aber auch selbst verursacht. Er spart aber auch nicht mit selbstkritischer Beleuchtung seiner Person. So wird seine Alkoholsucht beschrieben, die sich nach dem Ende des Krieges verstärkt und sein Unvermögen mit dem Frieden zurechtzukommen.
Fundgeschichte
Vorbesitzer des Buches war der evangelische Berliner Pfarrer und Literaturexperte Gottlieb Ernst Schmid (1727–1814), der der Staatsbibliothek zu Berlin 1803 seine bedeutende Büchersammlung vermachte. Der erhaltene Teil des Tagebuchs umfasst einen Zeitraum von 24 Jahren zwischen 1625 und 1649. Die ersten 13 und die letzten 3 Seiten fehlen.
Die Aufzeichnungen wurden 1988 von Jan Peters bei einem Besuch im Westberliner Handschriftenverzeichnis der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin gefunden, von Peters ins zeitgenössische Deutsch übersetzt und nach der Wende 1993 erstmals publiziert, allerdings noch unter dem Vorbehalt des richtigen Namens. Hagendorfs Name war zwar darin nicht vermerkt, doch der Historiker suchte in der Chronik nach Hinweisen für den Namen des Verfassers – wo dessen Kinder geboren und getauft worden waren oder woher seine Frau stammte.
Im Tagebuch spricht der Anonymus von seiner Tochter Magreta, die am 3. November 1645 in Pappenheim zur Welt gekommen war. Im Kirchenbuch des lutherischen Pfarramtes findet sich der Name des Kindes als Anna Marget wieder, auch der Name der Mutter Anna Maria stimmt überein, und als Vater wird Peter Hagendorf genannt. Andere Quellen stützen diese Zuordnung.[1]
Peter Hagendorfs Herkunft und das Taufdatum einer anderen Tochter konnten mittlerweile ebenfalls ermittelt werden. Im ersten Kirchenbuch (1629–1635) von Engelrod (heute Ortsteil von Lautertal im Vogelsberg) findet sich folgender Taufeintrag:
- „Eichelhain, Anno 1629, August 17., Elisabeth, Peter Hagendorffs, eines Soldaten von Zerbst Döchterlein…“[2]
Hinweise aus dem Buch
Auf Hagendorfs persönliche Herkunft und Familie kann nur indirekt geschlossen werden. Belegt ist, er kommt aus der Region Zerbst. Zerbst liegt im sogenannten Fläming und hat einen Ortsteil namens Hagendorf, der genaugenommen zu Nedlitz gehört. Auch sein namentlich genannter bester Freund “Christian Kresse” aus Halle an der Saale verweist ihn aus der Region stammend. Seine für die damalige Zeit und Umstände ungewöhnlich gehobene Bildung ermöglichten es ihm, höhere Posten und Positionen einzunehmen, als andere Rekruten. So wurde er aufgrund seiner Lese- und Schreibkenntnisse vorzugsweise in bürokratischen Bereichen und als militärrechtlicher Richter eingesetzt. Er hatte auch Kenntnisse in Latein, war aber kein Intellektueller. Das Buch ist, trotz der ausführlichen Schilderungen, überraschend unpolitisch. Er nimmt über all die Jahre keinerlei Position für eine Partei noch für eine Religion ein. Sein gesamter Fokus ist auf das tägliche Überleben seiner Familie und sich selbst ausgerichtet.
Sprachanalyse
Die Sprachanalyse von Prof. Jan Peters verortete ihn im Rheinland. Tatsächlich war aber die Region Fläming, aufgrund der Einwanderer aus der Region des heutigen Niederrheins, kulturell rheinisch und bis zum Aufstieg Preußens und der damit verbundenen Beeinflussung der Region durch den Metrolekt des Berlinischen, sprachlich vom Ostniederdeutschen geprägt und gehört historisch zum Niedersächsischen Sprachgebiet.
Schule
Zerbst hat tatsächlich eine Schule, die seit dem 16. Jahrhundert bis heute existiert, das Francisceum Zerbst. Außer da, gab es zu dieser Zeit in der Region nur zwei weitere professionellere Schulen, eine in Bad Belzig, eine in Wiesenburg und vermutlich kleine Küsterschulen in Grubo und Görzke, da die jeweiligen Pfarrer und Küster in den Kirchenbüchern auch als Schulmeister bezeichnet werden.
Religion
Zerbst und ganze Region gilt bis heute als erzevangelisch. Hagendorf erwähnt seine Religion nie, aber äußert sich spöttisch über einige katholische Riten, indem er sie als Wunderglauben bezeichnet. Wenn er sich denn christlich äußert, dann spricht er nur Gott an, niemals Maria oder Heilige. Er begeistert sich aber durchaus für Kirchenmusik und gibt seinen Sohn Melchior Christoph gibt zu einem evangelischen Pfarrer, um ihm Bildung zu vermitteln, auch wenn ihm das laut Tagebuch nicht leicht fällt.
Mühlen
Hagendorf begeistert sich für Mühlen aller Art, ist aber selbst gerade in der Lage, mit seiner Frau einen kleinen Erdofen zu bauen und eine Handdrehmühle zu bedienen, was laut dem Historiker Müller nicht gerade für eine Lehre oder Herkunft als Müller spricht. Die gesamte Region Fläming ist aufgrund der rheinischen Einwanderer kulturell von Mühlen geprägt.
Magdeburg
Sehr einprägsam ist sein Ausspruch beim Anblick der brennenden Stadt:
„…Ist mir doch von herdtzen leit gewessen das die stadt so schreglich gebrunnen hat wehgen der schönen stadt, vndt das es meines vaterlandes Ist,…“
Tatsächlich war Magdeburg damals die Hauptstadt des Erzstifts Magdeburg. Deren Region wurde nach dem Westfälischen Frieden zerschlagen und zwischen Herzogtum Magdeburg und Mark Brandenburg aufgeteilt.
Hagendorfs in der Region Fläming
Hagendorf ist bis heute ein winziger Weiler mit paar Häusern, der sehr genau mittig auf dem Weg von Zerbst nach Wiesenburg liegt. Von beiden Orten ist er jeweils Luftlinie 17km entfernt. Zum Ort Görzke liegt er 16km weit entfernt und bildet zusammen mit Wiesenburg ein etwa gleichschenkliges Dreieck. Görzke und Wiesenburg sind 9km Luftlinie entfernt. Die Entfernung Hagendorf zum Ort Grubo, der ebenfalls zu Wiesenburg gehört, beträgt Luftlinie 20km. Hier konzentrieren sich seit den ersten kirchlichen und weltlichen Aufzeichnungen, die meisten Hagendorfs. Anfang des 17. Jahrhunderts ist in Hagendorf selbst niemand mehr mit dem Namen kirchenbuchlich belegt, sondern nur in den anderen Orten, wobei es eine Verschiebung nach Ende des 30jährigen Krieges von Grubo nach Görzke gibt. In Grubo werden ab 1645 keine mehr genannt, in Görzke tauchen nacheinander in den Jahren 1645 und 1649 plötzlich zwei ortsfremde Hagendorfs, mit ihren Familien auf, deren gegenseitige Taufpatenschaften auf eine enge Verwandtschaft (Brüder?) hinweist und der Jüngere gleich ab 1650 den hohen Posten als erster Bürgermeister und Richter nach dem Krieg besetzt. Im 27km entfernten Bad Belzig tauchen die ersten Hagendorfs Anfang des 18. Jahrhunderts auf, ebenfalls als Bürgermeister und Gemeindeschreiber. Aus Zerbst gibt es aus der Zeit kaum mehr kirchenbuchliche Nachweise, da das Archiv im 2. Weltkrieg fast vollständig abbrannte.
Filme
- Der Dreißigjährige Kriege (Teil 1) – Von Feldherren, Söldnern und Karrieristen. Dokumentarfilm. Bayerische Rundfunk (BR), Deutschland 2011. Mit Matthias Klösel als Peter Hagendorf.[3][4]
Literatur
- Peter Burschel: Himmelreich und Hölle. Ein Söldner, sein Tagebuch und die Ordnungen des Krieges. In: Benigna von Krusenstjern, Hans Medick (Hrsg.): Zwischen Alltag und Katastrophe. Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe. (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Band 148). 2. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-35463-0, S. 181–194.
- Christian Pantle: Der Dreissigjährige Krieg. Als Deutschland in Flammen stand. Vom Rauben, Morden und Plündern und der Menschlichkeit im Krieg. Propyläen Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017, ISBN 978-3-549-07443-5.
- Jan Peters (Hrsg.): Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg. Eine Quelle zur Sozialgeschichte. (= Selbstzeugnisse der Neuzeit. Quellen und Darstellungen zur Sozial- und Erfahrungsgeschichte, Band 1). Akademie Verlag, Berlin 1993, ISBN 3-05-001008-8.
- Jan Peters (Hrsg.): Peter Hagendorf – Tagebuch eines Söldners aus dem Dreißigjährigen Krieg. (= Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit, Band 14). V & R Unipress, Göttingen 2012, ISBN 978-3-89971-993-2.
- Luise Wagner-Roos, Reinhard Bar: Zwischen Himmel und Hölle – Erinnerungen an ein Söldnerleben. In: Hans-Christian Huf (Hrsg.): Mit Gottes Segen in die Hölle – Der Dreißigjährige Krieg. Ullstein-Verlag, Berlin 2001, ISBN 978-3-548-60500-5, S. 104–127.
- Marco von Müller: Das Leben eines Söldners im Dreißigjährigen Krieg. Magisterarbeit am Friedrich-Meinecke-Institut, 2005 (PDF; 5,6 MB)
Einzelnachweise
- ↑ Friedrich J. Ortwein (Hrsg.): Die Kirchenbücher Engelrod 1629-1698. Hannover und Köln 1993/2006, S. 4ff.
- ↑ Ortwein, Kirchenbücher Engelrod, S. 179.
- ↑ Der Dreißigjährige Kriege (Teil 1) – Von Feldherren, Söldnern und Karrieristen. In: Fernsehserien.de. Abgerufen am 30. Mai 2018.
- ↑ Toppler-Darsteller Klösel spielt Hauptrolle in BR-Film. In: Nordbayern.de. 7. Januar 2011, abgerufen am 30. Mai 2018.
Personendaten | |
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NAME | Hagendorf, Peter |
KURZBESCHREIBUNG | Söldner im Dreißigjährigen Krieg |
GEBURTSDATUM | um 1600 |
GEBURTSORT | Zerbst |
STERBEDATUM | nach 25. September 1649 |