Hörsturz
Der Hörsturz ist eine ohne erkennbare Ursache, plötzlich auftretende, meist einseitige Schallempfindungsstörung bis zur Gehörlosigkeit. Er kann alle Frequenzen betreffen, so dass man insgesamt schlechter hört, oder auch auf bestimmte Frequenzbereiche begrenzt sein. Hörsturz ist in der ICD-10 im Kapitel H91.2 eingeteilt.
Ein einseitiges Druckgefühl im betroffenen Ohr und ein Ohrgeräusch (Tinnitus) auf dieser Seite (meist hochfrequent) können erste Vorboten sein.
Aufstellung der Symptome, die parallel auftreten können:
- Ohrgeräusche (80 %)
- und/oder Druckgefühl im Ohr
- Haut wie betäubt (Nervus facialis), "wie Watte"/wattig (50 %)
- und/oder Schwindelgefühl (30 %)
- und/oder ein Doppeltonhören – ein Ton wird auf dem einen Ohr normal, auf dem anderen (erkrankten) Ohr höher oder tiefer gehört (15 %)
Notfall/Eilfall
Früher galt ein Hörsturz als medizinischer Notfall. Auch heute wird er zumindest noch als Eilfall betrachtet. Wie weiter unten beschrieben, sind sämtliche Therapieansätze umstritten - fast allen gemein ist allerdings, dass sie so schnell wie möglich begonnen werden sollten. Je länger ein Hörsturz andauert, desto geringer sind die Chancen auf eine Heilung. Der Erhalt des Restgehörs steht dann im Mittelpunkt der therapeutischen Ansätze.
Ein Abwarten über mehrere Tage birgt eventuell das Risiko, dass irreversible Schädigungen des Hörvermögens zurückbleiben, wogegen eine zeitnahe Behandlung, beispielsweise in Form einer Infusionstherapie, möglicherweise bessere Chancen für eine weitgehende Wiederherstellung des durch den Hörsturz beeinträchtigten Hörvermögens bieten könnte. Manchmal äußert sich die Erkrankung auch als vermeintlicher "Hör-Infarkt" mit Schwerhörigkeit und starkem Schwindel. In einem solchen Fall wird der Erkrankte schon allein wegen der erheblichen Beschwerden möglichst umgehend den Arzt aufsuchen. Einschränkend ist jedoch festzuhalten, dass die Wirksamkeit sämtlicher Therapieformen bislang nicht wissenschaftlich bewiesen werden konnte (siehe Therapieformen).
Diagnose
Bei einem akuten Hörverlust handelt es sich dann um einen Hörsturz, wenn alle anderen nachweisbaren Ursachen eines plötzlichen Hörverlustes ausgeschlossen wurden. Der akute Hörsturz ist also eine Ausschlussdiagnose. Neben der Feststellung der Symptome durch die Befragung des Patienten werden verschiedene Untersuchungen zur Funktionsfähigkeit des Ohres eingeleitet. Es wird überprüft, ob eine Verstopfung des äußeren Gehörganges oder Verletzung des Trommelfells vorliegt. Die Funktionstüchtigkeit des Mittelohres mit den 3 Gehörknöchelchen wird überprüft. Weitere Untersuchungen wie die Messung otoakustischer Emissionen (OAE) erlauben eine Unterscheidung zwischen dem Hörsturz und der Schwerhörigkeit auf Grund einer Erkrankung des Hörnervs (= neurale Schwerhörigkeit).
Wer ist gefährdet?
Gefährdet sind laut Ansicht mancher Experten insbesondere zwei Gruppen:
- Menschen, die Risikofaktoren für einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt haben, also Übergewicht, zu hohen Blutdruck, eine Zuckerkrankheit oder eine Fettstoffwechselstörung (Cholesterin) und Raucher.
- Menschen, die vermehrt Stress ausgesetzt sind, die sich selbst zuviel zumuten oder von anderen überfordert werden und sich nicht dagegen wehren. Anfällige Menschen haben demnach eine Persönlichkeitsstruktur, die durch Pflichtbewusstsein, Zuverlässigkeit, starke Genauigkeit, Ehrgeiz und eventuell fehlendes Selbstvertrauen gekennzeichnet ist. Durch diese Eigenschaften können Überforderungssituationen entstehen, wenn der Selbstschutz fehlt, sich gegen Überlastung des Körpers und der Seele zu wehren und die eigenen Belange in den Vordergrund zu stellen. Hieraus entwickeln sich Behandlungsstrategien, die auf Entspannung und eine Verhaltensänderung abzielen.
Ein wissenschaftlicher Beweis für diese Thesen fehlt indes. Zum oftmals postulierten Zusammenhang Stress-Hörsturz äußert sich beispielsweise der HNO-Wissenschaftler Olaf Michel in seinem Fachbuch "Der Hörsturz" wie folgt:
Mangels anderer Erklärungsmöglichkeiten - der Hörsturz pflegt Menschen aus völliger Gesundheit heraus zu treffen - ist die Möglichkeit gegeben, daß eine nicht zutreffende Kausalität zwischen immer vorhandenen Streßereignissen und Hörsturz vom Erkrankten konstruiert wird.
Zu möglichen vaskulären Risikofaktoren heißt es ferner:
Es verwundert jedoch, daß sich in der tabellarischen Übersicht kein gemeinsam übereinstimmender Risikofaktor in den verschiedenen Studien feststellen lässt [...].
Entstehung und Risikofaktoren
Der genaue Entstehungsmechanismus von Hörstürzen konnte bisher noch nicht eindeutig geklärt werden. Vermutet wird ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die zu einer Änderung der Durchblutungsverhältnisse am Innenohr führen. Hier befinden sich die für das Hören zuständigen Sinneszellen, die so genannten Haarzellen. Die Haarzellen werden durch kleine Blutgefäße mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Kommt es in diesen Blutgefäßen zu einer Mangeldurchblutung, werden die Haarzellen geschädigt und in ihrer Funktion erheblich beeinträchtigt. Hörverlust ist die Folge.
Darüber hinaus werden Virusinfektionen, Autoimmunerkrankungen und ein Durchbruch (Ruptur) der runden Fenstermembran als eventuelle Ursachen des Hörsturzes diskutiert.
Eventuelle Auslöser
- Virus-Infektionen, wie zum Beispiel Mumps, Herpes oder HIV
- Durchblutungsschädigungen (Embolien, Gerinnungsstörungen, Hirnschläge)
- Gefäßveränderungen im Innenohr (zum Beispiel im Rahmen der allgemeinen Arteriosklerose, bei Diabetes Mellitus, der besonders kleine Gefäße verändert, bei seltenen Entzündungen der Gefäßwände auf dem Boden einer Autoimmunerkrankung usw.) Hier kommt es demnach zum plötzlichen Gefäßverschluss mit Bildung von Blutgerinnseln, so dass die Durchblutung des Innenohres gestoppt wird.
- Stress: Hier werden vermehrt Katecholamine (Adrenalin) ausgeschüttet, die zu Gefäßkrämpfen führen und eventuell die Durchblutung des Innenohres drosseln oder ganz unterbinden könnten. Von Dauer und Ausmaß dieser Krämpfe hängt es demnach ab, ob die Symptome anhalten und ob eventuell Schäden zurückbleiben.
- Einblutungen und Verletzungen;
- Zu niedriger oder zu hoher Blutdruck;
- Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule, die eventuell zur Durchblutungsminderung der Innenohrregion führen könnten
- medikamentöse Schädigungen
- "Überreaktion" des Immunsystems nach einer Infektion im Kindesalter oder während der Schwangerschaft (Neuroepithel wird angegriffen)
Medizinische Studien
Tatsächlich sieht es derzeit so aus, dass die Ursachen für den Hörsturz in der Regel unaufgeklärt bleiben, nicht zuletzt deshalb, weil das Innenohr anatomisch an einer sehr unzugänglichen Stelle hinter dem Schädelknochen liegt und sich mit bildgebenden Verfahren kaum darstellen lässt.
Aussagekräftige Studien scheitern z. T. auch an der hohen Selbstheilungsrate der Erkrankung. Wissenschaftlich aussagefähig ist eine Studie nur dann, wenn sie nachweisen kann, dass die untersuchte Heilungsmethode signifikant bessere Ergebnisse bringt als die Placebobehandlung, d. h. die Nichtbehandlung. Eine Reihe von Medizinern argumentiert jedoch, es sei unethisch, einen Patienten aus Forschungszwecken nicht zu behandeln, obwohl er an einem Hörsturz leidet. In klinischen Studien vergleicht man daher meist eine Behandlungsmethode mit einer anderen. Die wenigen placebokontrollierten Untersuchungen zum Hörsturz, die bislang publiziert wurden, zeichnen sich in der Regel durch methodische Schwächen (zum Beispiel kleine Patientenzahl, nachträgliche Ergebniskorrektur mittels Post-Hoc Analyse, mangelhafte Randomisierung) aus. In den einzigen beiden Studien, die den modernen wissenschaftlichen Standards weitgehend entsprechen (Probst et al., Acta Otolaryngol. 1992;112(3):435-43 sowie Desloovere et al., Acta Oto-Rhino-Laryngologica Belgica 1989;43:31-37), erzielten die getesteten durchblutungsfördernden Medikamente keine besseren Ergebnisse als Infusionen mit Kochsalzlösung, die als Placebo eingesetzt wurden. Kritiker der Untersuchungen wenden ein, auch die Placebo-Infusionen könnten eine Wirkung haben, da sich durch die Infusionslösung das Blut verdünne und es dadurch zu einer besseren Durchblutung des Innenohrs käme. Diese Argumentation ist jedoch umstritten. Auch wenn man die äußerst geringe Mehrdurchblutung des Innenohrs durch Kochsalzlösung berücksichtigt, muss die Frage gestellt werden, warum bei gleicher Wirksamkeit Medikamente mit potenziellen Nebenwirkungen gegenüber Infusionen mit reinem NaCl vorgezogen werden (vgl.: Florack et al., PRO – Mitteilungsblatt der KV Sachsen-Anhalt 2004; 13(11): B1-B4.).
Therapieformen
Da eine große Anzahl von Schädigungshypothesen des Ohres besteht, existiert eine große Vielfalt von Behandlungsmethoden, denen allen gemein ist, dass sie fachlich angreifbar sind. Während Krankenkassen wegen der Kosten oft eine ablehnende und abwartende Haltung einnehmen, sieht dies auf Seiten der Erbringer der jeweiligen Therapieleistungen genau umgekehrt aus. Ein Konsenspapier aus Sicht der deutschsprachigen HNO-Ärzte stellen die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie dar (Siehe Weblinks), die jedoch wiederholt heftige öffentliche Kritik erfuhren (vgl. u.a. "Der Spiegel", 29. August 05).
Darüber hinaus hat die international tätige Cochrane Collaboration unabhängige Beurteilungen verschiedener Hörsturz-Behandlungen angekündigt, von denen bislang jedoch ausschließlich die Berichte über die hyperbare Sauerstofftherapie und über Cortison fertiggestellt sind (siehe unten).
Infusionstherapie, kombiniert mit Cortison
Unter der Annahme, dass ein Hörsturz durch eine Durchblutungsstörung des Innenohres verursacht wird, erfolgt im deutschsprachigen Raum in der Anfangsphase zumeist die so genannte Infusionstherapie. Patienten werden hier über 10 Tage per Infusion durchblutungsfördernde Substanzen wie Hydroxyethylstärke (HES), Pentoxifyllin oder niedermolekulare Dextrane verabreicht. Die Effektivität der sehr zeit- und kostenaufwändigen Infusionstherapie (jährliche Ausgaben in Deutschland ca. 500 Millionen Euro) wird jedoch kontrovers diskutiert (siehe "medizinische Studien", oben und "Cortison", unten).
Darüber hinaus werden oftmals zusätzlich Glukokortikoide (zum Beispiel Cortison) gegeben, die eine entzündungshemmende Wirkung haben und die Reaktivität des Immunsystems abschwächen. Ein wissenschaftlicher Beweis für die Wirksamkeit dieser Therapie existiert allerdings nicht. Wenngleich eine randomisierte Doppel-Blind-Studie (Wilson, Arch Otolaryngol. 1980 Dec;106(12):772-6) positive Ergebnisse erzielte, schränken methodische Mängel die Aussagekraft dieser Untersuchung ein, wie auch die Deutsche Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde im Anhang ihrer Hörsturz-Leitlinien (Dezember 2002) betont: "Zwei Studien zusammengefasst fragwürdig". Der im Januar 2006 erschienene Cochrane-Review hebt ebenfalls die unbewiesene Wirkung von Cortison beim Hörsturz hervor und fordert für die Zukunft qualitativ hochwertigere Untersuchungen:
Only two trials satisfied the inclusion criteria and both were of low methodological quality. [...] The value of steroids in the treatment of idiopathic sudden sensorineural hearing loss remains unclear since the evidence obtained from randomised controlled trials are contradictory in outcome, in part because the studies are based upon too small a number of patients.
Bei Patienten mit schwer einstellbarem Blutdruck, Schwangeren, Zuckerkrankheit mit Insulintherapie oder Magengeschwüren muss das Risiko gegenüber dem unbewiesenen Nutzen der Infusion abgewogen und gegebenenfalls die Dosierung verändert werden. Kopfschmerzen, Magendruck, Harndrang oder Schlafstörungen sind – je nach verwendetem Mittel – häufige Nebenwirkungen der Infusionen. Seltenere schwere Nebenwirkungen, darunter anaphylaktischer Schock durch Pentoxifyllin oder niedermolekulare Dextrane sowie neuropsychiatrische Symptome durch Cortison, können ebenfalls auftreten.
Wenn Hydroxyethylstärke gegeben wird, kann sich die Substanz insbesondere nach längerfristiger Anwendung in der Haut anreichern und zu sehr lästigem Juckreiz führen, der schwer zu behandeln ist und lange anhalten oder gar therapieresistent sein kann (siehe auch: Pruritus). Die aktuellen Leitlinien betonen deshalb, die Behandlung könne nicht vorbehaltlos empfohlen werden. Sie begrenzen die empfohlene Therapiedauer für solche Infusionen auf maximal 10 Tage, wodurch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Nebenwirkungen zumindest reduziert wird. Die Therapieempfehlungen fordern darüber hinaus eine sorgfältige Abwägung von Nutzen und Risiko. Angesichts des unbewiesenen Nutzens von Hydroxyethylstärke beim Hörsturz bleibt indes offen, wie eine solche Abwägung möglich sein soll.
Die früher übliche Verabreichung von Infusionen mit Naftidrofuryl oder Ginkgo biloba wird heute nicht mehr durchgeführt. In der Bundesrepublik Deutschland wurden beide Medikamente in Ampullenform aus Sicherheitsgründen Mitte der 90er Jahre vom Markt genommen. Grund hierfür waren einerseits mehrere durch parentales Naftidrofuryl hervorgerufene Todesfälle (vgl.: Arznei-Telegramm 1/95, S. 8), andererseits eine Anhäufung immunallergischer Erkrankungen nach i.v. Ginkgo-Extrakt (vgl.: Arznei-Telegramm 4/94, S. 39). Bei der Applikation niedermolekularer Dextrane wird darüber hinaus seit einem dokumentierten Todesfall im Jahr 1983 (vgl.: Zaytoun, Adv Otorhinolaryngol. 1983;31:240-6) zusätzlich Haptendextran verabreicht, um die Wahrscheinlichkeit schwerer Schockreaktionen zu verringern.
Ionotrope Therapie
Im deutschsprachigen Raum erfolgt beim Hörsturz – insbesondere in Verbindung mit Tinnitus – mitunter auch eine Behandlung, bei der neben durchblutungsfördernden Medikamenten zusätzlich Lokalanästhetika wie Lidocain oder Procain intravenös verabreicht werden. Da es während der Behandlung unter anderem zu Krampfanfällen, zentraler Atemlähmung und Herz-Kreislaufversagen kommen kann, muss diese Therapie unter stationären Bedingungen (in der Regel in Universitätskliniken) erfolgen. Die Wirkung der iontropen Therapie bei Hörsturz und Tinnitus ist jedoch äußerst umstritten. Zwar können chronische Ohrgeräusche durch die intravenöse Gabe von Lidocain nachweislich über einen sehr kurzen Zeitraum gemildert werden, doch die Wirkung lässt bereits wenige Minuten bis maximal Stunden nach dem Absetzen des Betäubungsmittels wieder nach. Ein wissenschaftlicher Nachweis für eine dauerhafte Wirkung bei akutem Tinnitus oder beim Hörsturz existiert hingegen nicht. In diesem Zusammenhang betonte die baden-württembergische HNO-Referentin Margrit Vasseur im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" (21. Juni 2004), der Medizinische Dienst der Krankenversicherungen sehe aufgrund potenziell lebensbedrohlicher Nebenwirkungen die Anwendung lokaler Betäubungsmittel bei Erkrankungen des Innenohres "mit großer Sorge".
Fibrinogenabsenkung durch Apherese
Die Apherese ist ein Blutreinigungsverfahren, bei dem über eine Fällungsreaktion Fibrinogen aus dem Blut reduziert wird. Zusätzlich kommt es zu einer Reduktion des LDL-Cholesterins und des Lipoproteins (a). Aufgrund der mangelnden Beweise für die Wirksamkeit dieser Behandlung kommen gesetzliche Krankenkassen bislang nicht für die Kosten auf. Hierzu der zuständige Arbeitsausschuss:
Bei den wissenschaftlichen Veröffentlichungen handelt es sich vor allem um die der Arbeitsgruppe Suckfülll et al., aus denen jedoch kein valider Nachweis des Nutzens geführt werden konnte. [...] Nach detaillierter Beratung der Unterlagen und ihrer Auswertung kommt der Ausschuss zu der einvernehmlichen Auffassung, dass der Nutzen der Apherese (hier synonym Rheopherese) bei dieser Indikation vor dem Hintergrund der ungenügenden Datenlage nicht als belegt gelten kann. Eine Aufnahme in die vertragsärztliche Versorgung wird abgelehnt.
Die Leitlinien für HNO-Ärzte enthalten Gegenteiliges:
"Wegen der geringeren Nebenwirkungen und seiner guten Steuerbarkeit empfiehlt die Kommission zur Senkung des Fibrinogens den Einsatz eines Aphereseverfahrens, dessen Wirksamkeit in einer klinischen Studie beim Hörsturz untersucht ist."
Hyperbare Sauerstofftherapie
Von einigen Ärzten wird bei Hörsturz eine hyperbare Sauerstofftherapie (HBO) empfohlen bzw. für sinnvoll erachtet. Dazu ist der mehrfache zeitweilige Aufenthalt in einer Druckkammer erforderlich, während dessen reiner Sauerstoff eingeatmet wird. Der Erfolg dieser Therapie ist innerhalb der Ärzteschaft umstritten und wird selbst von den Befürwortern nur bei ca. 40 Prozent aller Patienten erwartet. Die hohen Kosten für die Behandlung werden deshalb nicht von allen Krankenkassen getragen. Hierzu der Arbeitsausschuss "Ärztliche Behandlung" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (April 2000):
"Mit den bisher vorliegenden klinischen Studien kann weder ein Nachweis des therapeutischen Nutzens noch ein Ausschluss von Risiken geführt werden."
Dagegen die Deutsche Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde:
"Die Konsensus-Kommission sieht die Möglichkeit, die HBO als Therapie für mit anderen Methoden erfolglos behandelte Fälle vorzuhalten und empfiehlt im übrigen, ihre Effektivität im Rahmen geeigneter Studien zu überprüfen."
Der unabhängige Cochrane-Review (siehe oben) wiederum schlussfolgert, die bisherigen Studien sprächen zwar tendenziell für eine bessere Erholung des Gehörs unter HBO, jedoch sei die Qualität dieser Untersuchungen unzureichend. Es sei darüber hinaus nicht auszuschließen, dass Studien mit positiven Ergebnissen häufiger als solche mit negativen Ergebnissen veröffentlicht worden seien ("publication bias"). Aus diesem Grund seien weitere, methodisch einwandfreie Studien notwendig, um festzustellen, ob und (wenn überhaupt) welche Patienten von der Therapie profitieren. Keinerlei Beweis sieht der Bericht indes für eine Wirkung der hyperbaren Sauerstofftherapie auf Tinnitus – egal ob es sich um akute oder chronische Ohrgeräusche handelt. Ausdrücklich wird die Anwendung der hyperbaren Sauerstofftherapie bei Hörsturz und Tinnitus außerhalb von medizinischen Studien von den Autoren zum gegenwärtigen Zeitpunkt abgelehnt:
"However, there is no evidence that any improvement is functionally important. Thus, the routine use of HBOT in these patients cannot be justified by this review."
Andere Therapiemöglichkeiten
Es existieren eine ganze Reihe anderer Therapiemöglichkeiten. Eine Übersicht findet sich beispielsweise in *Olaf Michel, "Der Hörsturz", Thieme 1994, ISBN 3-13-137401-2.
Die Tatsache, dass die Ursachen für einen Hörsturz nicht klar sind, bietet auch unseriösen Anbietern einen Raum zum Vertrieb ihrer Produkte oder Dienstleistungen.
Zweifel sind insbesondere dann angebracht, wenn ein Anbieter mit einem Absolutheitsanspruch kommt (nur seine Therapie wirke am besten), über große Erfolge berichtet (ohne gleichzeitig über die hohe Selbstheilungsquote bei Hörstürzen zu berichten), den Anschein erweckt, dass die Ursachen für Hörsturz jetzt aufgeklärt seien und wenn er angibt, dass seine Therapie zugleich auch bei Tinnitus oder Morbus Menière geeignet sei.
Weblinks
- Hörsturz. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie
- M.A. Krisch: Determinanten ärztlichen Handelns in der Akuttherapie des Hörsturzes. Dissertation der Universität Witten/Herdecke. (Kritische Sicht der Akuttherapien beim Hörsturz)