Rurik-Expedition

Die russische Rurik-Expedition fand vom 30. Juli 1815 bis zum 3. August 1818, unter dem Kommando von Otto von Kotzebue statt und sollte zur Entdeckung und Erkundung der Nordwestpassage dienen. Die Expedition der militärischen Brigg „Rurik“ wurde durch den russischen Grafen Romanzow (russ. Nikolaj Rumjanzev) finanziert. Aufgrund widriger Wetterbedingungen erreichte sie ihr eigentliches Ziel nicht und kehrte früher als geplant zurück. Der Wert der Expedition liegt in den zahlreichen Neuentdeckungen entlang der gesamten Route und den menschlichen, historischen und kulturellen Erfahrungen, die die Besatzung auf dieser dreijährigen Reise machten.
Expeditionsziel
Die Erkundung der Nordwestpassage hatte vornehmlich wirtschaftliche Gründe. Die Versorgung der russischen Handelsstützpunkte an der Ostküste Russlands und an der amerikanischen Westküste (Von Alaska bis San Francisco) war über die noch nicht ganz erkundete Nordostpassage oder über den Landweg quer durch den asiatischen Kontinent nur sehr schwer aufrecht zu erhalten und kostete viel Geld. Der Seeweg um Afrika und Sudostasien herum war zeitaufwändig und aufgrund von Piratrie nicht ungefährlich. Daher erhoffte sich Russland einen Seeweg um den nordamerikanischen Kontinent herum zu entdecken, der weitaus kürzer und eventuell einfacher zu befahren sei.
Die Expedition erreichte zwar, wie viele vor und nach ihr, ihr Ziel nicht, jedoch konnte Otto von Kotzebue eine zusammenhängede Meeresströmung nachweisen, die der erste wissenschaftliche Beleg der Nordwestpassage war. Auch trotz der geringen Erfolge im Bezug auf das Expeditionsziel, konnte die Rurik zahlreiche unbekannte Inseln auf der gesamten Strecke (aber vor allem in Polynesien) entdecken. Auch wurde dabei eine große Zahl unbekannter Tier- und Pflanzenarten entdeckt.
Die Reise sah zwei Sommerkampagnen (1816 und 1817) vor: die erste diente zur Erkundung geeigneter Ankerstellen hinter der Beringstraße, um im darauffolgenden Sommer von dort aus weiter nach Norden vordringen zu können.
Expeditionsteilnehmer
Neben drei Untersteuerleute und 20 Matrosen nahmen vorallem folgende Personen an der Expedition teil:
- Otto Astawitsch von Kotzebue (1787 - 1846), Kapitän der Rurik und Expeditionsleiter
- Johann Friedrich Eschscholtz (1793 - 1831), Schiffsarzt und Naturforscher
- Adelbert von Chamisso (1791 - 1838), Naturforscher (Titulargelehrter)
- Ludwig Choris (1795 - 1828), Zeichner (stand auch den Naturforschern zur Dokumentation zu Verfügung)
- Martin Petrowitsch Wormskiold (1783 - 1845), freiwilliger Naturforscher (ging in Petropawlowsk-Kamtschatski von Bord)
- Gelb Simonowitsch Schischmarew, Erster Leutnant
Expeditionsverlauf
Von Russland nach Kamtschatka

Die Rurik sollte über das Kap Hoorn in den Pazifik stoßen. Diese erste große Etappe der Reise, von Sankt Petersburg und Kronstadt ausgehend, war von einigen Landgängen geprägt, von denen vor allem die Naturforscher der Expedition profitieren konnten. Nach einem kurzen Aufenthalt in Kopenhagen, ging es weiter nach Plymouth an der englischen Südküste, um sich dort für die lange Atlantikfahrt zu rüsten. Ein mehrtägiger Aufenthalt auf Teneriffa in den kanarischen Inseln ermöglichte den Naturforschern erste Erkundungstouren in einer ihnen neuen Welt. Schließlich erreicht die Rurik am 12. Dezember 1815 die Insel Ilha de Santa Catarina vor Brasilien und legt bei Florianópolis an.
Die Weiterfahrt bis zur russischen Halbinsel Kamtschatka um das Kap Hoorn herum, war vor allem von einem langen Aufenthalt in Talcahuano, Chile geprägt, während dem ausschweifende Feste mit dem Gouverneur, dem Kommandanten und den Edelleuten der Stadt und Umgebung gefeiert wurden. Die anschließende Fahrt quer durch den Pazifik war von eiliger natur, um früh genug in der Bucht von Awatscha einzutreffen und die Sommerkampagne von 1816 vorzubereiten.
Otto von Kotzebue wählte jedoch eine Route fernab der üblichen Handelsrouten und entdeckte zahlreiche Inseln der polynesischen Inselwelt. Die Namen die damals den Inseln gegeben wurden, haben sich jedoch bis heute häufig durch die Kolonisation durch verschiedene Nationen geändert. Am 19. Juni 1816 legte die Rurik in der Bucht von Awatscha vor Petropawlowsk-Kamtschatski an.
Sommerkampagne 1816

Die Sommerkampagne von 1816 begann am 14. Juli mit der Abfahrt aus der Bucht von Awatscha auf der Halbinsel Kamtschatka und endete mit dem Einlaufen in Unalaska, einer Insel der Alëuten, am 7. September. Sie diente dazu das Meer und die Küsten nördlich der Beringstraße zu erkunden, um ein weiteres Vorstoßen während der Sommerkampagne 1817 zu ermöglichen und vorzubereiten. Während dieser Fahrt nach Norden wurden neue Inseln, der Kotzebuesund mit der Eschscholtzbucht und der Chamisso Insel und weitere Landmarken entdeckt (siehe Karten rechts). Außerdem wurde wenn möglich der Kontakt zu den dort lebenden Einheimischen gepflegt. Nach vorsichtiger Annäherung wurde oft Handel betrieben. Gegen Nadeln, Scheren, Messer und Tabak wurden zum größten Teil Proviant, Kleidung und Kulturzeugnisse getauscht. Am Ende der Fahrt durchkreuzte die Rurik die Tschuktschensee und fuhr kurz weiter entlang der russischen Küste durch die Beringstraße und daraufhin weiter durch die Beringsee bis nach Unalaska.
In Unalaska wurde der Agent der „Russisch-Amerikanischen Kompanie“ (eine russische Handelsgesellschaft) mit der Vorbereitung der Sommerkampagne beauftragt, während die Rurik die Winterzeit in südlicheren Breiten verbrachte. Es wurden besonders Ruderboote und Schutzkleidung angefertigt. Außerdem sollten sich 16 Alëuten (darunter ein Übersetzer) bereithalten 1817 mit nach Norden zu fahren.
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Route der Sommerkampagne 1816
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Route im Kotzebuesund
Von Unalaska durch den Ostpazifik

Um dem harten Winter im Norden auszuweichen und der Mannschaft eine gewisse Erholung vor der geplanten Sommerkampagne 1817 zu gönnen, wich die Rurik nach Süden in wärmere Regionen aus. Diese Fahrt brachte sie von Unalaska nach San Francisco im spanischen Kalifornien und weiter nach Hawaii und den Marshallinseln. Schließlich liefen sie am 22. Juli 1817 wieder in Unalaska ein, um sich für die Nordfahrt zu rüsten.
In San Francisco und Hawaii mußte die Besatzung diplomatische Aufgaben übernehmen, die ihre wissenschaftliche Mission überschritten. Im Presidio von San Francisco wurde durch einen Vertrag zwischen Gouverneur Don Paolo Vicente de Sola, und dem Russischen Reich, vertreten durch Otto von Kotzebue, über den Handel der Russisch-Amerikanischen Kompanie an der kalifornischen Küste, die Auseinandersetzungen beigelegt.
Hawaii war kürzlich Opfer einer politischen Auseinandersetzung mit Russland geworden. Russische Schiffe hatten zuvor ihre Flagge auf den Inseln gehißt und somit ihre Besitzansprüche erklärt. Ein Blutvergießen konnte aber noch rechtzeitig abgewandt werden. Als Reaktion auf die anschließende Vertreibung, hatten die russischen Seefahrer gedroht die Inseln mit Krieg zu überziehen. In dieser Situation erreichte die Rurik Hawaii und mußte in einer feindseligen Atmosphäre und als Gäste Kamehamehas I. die Wogen glätten.

In der Inselwelt der Marshallinseln besuchte die Expedition zahlreiche Inselkönigreiche. Hauptsächlich wird die Ratak-Kette erkundet. Man versucht den Eingeborenen, die von den kargen Ressourcen der Inseln leben neue Nahrungsquellen und den Anbau von Obst und Gemüse beizubringen. Es werden zahlreiche Kleingärten angelegt, die jedoch zu einem großen Teil durch Ratten verwüstet werden. Auch Nutztiere werden von den Eingeborenen nicht angenommen. Die Beziehungen zwischen den beiden Kulturen sind jedoch offen und freundschaftlich und werden durch regen Tauschhandel und Geschenke gepflegt. Bei der Abfahrt entschließt sich ein Rataker namens Kadu die Expedition zu begleiten. Die Naturforscher und der Kapitän nutzen die Teilnahme des Insulaners um mehr über seine Kultur und die Geographie seiner heimischen Inselwelt zu erfahren.
Während der Fahrt nach Unalaska gerät die Rurik in einen schweren Sturm, der das Schiff stark beschädigt. Nur mit Mühe gelangt die Rurik in den sicheren Hafen von Unalaska.
Sommerkampagne 1817

Die Erwartungen, die an die Expedition gestellt wurden konnten leider nicht erfüllt werden. Die Rurik sollte, ausgehend von den im Sommer 1816 erkundeten Küsten die Nordwestpassage finden. Doch nachdem sich die Mannschaft auf Unalaska und den Pribilof-Inseln mit Verpflegung uns Ausrüstung eingedeckt hatte, waren die Vorzeichen bereits schlecht. Der Winter hatte sich in diesem Jahr lange gehalten und die Gesundheit des Kapitäns ließ vermehrt nach. Als die Nordküste der St. Lawrence Insel erreicht wurde, sah man bereits im Norden das undurchdringliche Eis. Der Schiffsarzt hatte dem Kapitän versichert, dass er sein Leben aufs Spiel setze, wenn er sich weiter nach Norden begebe. Auch der Zustand des Schiffes war nicht Ideal, um die harten Bedingungen des Norden zu ertragen.
Unter diesen Umständen entschied der Kapitän am 12. Juli das Expeditionsziel aufzugeben und über Unalaska, Hawaii, die Marschallinseln und Manila in die Heimat zu fahren. Diese Entscheidung wurde später stark kritisiert. Es war damals nicht üblich (besonders nicht auf einem militärischen Schiff) die Reise von der Gesundheit des Kapitäns abhängig zu machen, wenn noch weitere Offiziere (wie z.B. der Leutnant Schischmarew) an Bord waren, die das Kommando hätten übernehmen können. Es wurde auch spekuliert, dass sich das nach Norden treibende Packeis, nach dem Ausweichen der Rurik nach Kamtschatka oder der St. Lawrence Bucht, geöffnet hätte. Der schriftliche Befehl des Kapitäns stand jedoch fest und die Rückfahrt nach Unalaska wurde angetreten.
Rückfahrt über Manila
Nach einem kurzen Aufenthalt auf Unalaska, während dem die Expeditionsausrüstung für den Norden und ein großteil der zusätzlich aufgenommenen Alëuten ausgeschifft wurden, fuhr die Rurik weiter nach Hawaii, wo sie erneut den König trafen. Vor da aus ging die Fahrt nach den Marschall-Inseln. Der Empfang dort war jedoch nicht groß, da der großteil der Männer in den Krieg gegen ein benachbartes Inselkönigreich gezogen war. Hier ging auch der Rataker Kadu von Bord. Die Rurik blieb nur kurz vor diesen Inseln liegen. Man versuchte in der Eile noch einige Gärten anzulegen und Nutzvieh unterzubringen. Kadu sollte die Pflege dieser neuen Nahrungsquellen überwachen.
Die Rurik fuhr daraufhin nach Manila, wo das während der Nordfahrten in mitleidenschaft gezogene Schiff in der Werft von Cavite repariert wurde. Nach diesem langen Aufenthalt ging es weiter durch die Sundastraße in den Indischen Ozean, der bis ans Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas durchkreuzte wurde. Dort ankerte die Rurik kurze Zeit in Kapstadt. Sie setzte ihre Fahrt entlang der Inseln des Südatlantiks fort und kehrte über die Kanarischen Inseln nach Portsmouth in England zurück. Das letzte Stück der Fahrt erfolgte auf direktem Weg bis nach Kronstadt und anschließend nach Sankt Petersburg.
Nach der Ankunft in Sankt Petersburg wurde die Rurik verkauft. Otto von Kotzebue verfasste einen ausführlichen Expeditionsbericht, der durch die Berichte der einzelnen Expeditionsteilnehmer ergänzt wurde.
Literatur
- Otto von Kotzebue: Zu Eisbergen und Palmenstränden 1815-1818. Mit der Rurik um die Welt, Ed. Erdmann, 2004, ISBN 3-86503-005-X
- Adelbert von Chamisso: Reise um die Welt, 2001, ISBN 3-74666-093-9
Offizieller Expeditionsbericht:
- Entdeckungs-Reise in die Süd-See und nach der Berings-Straße zur Erforschung einer nordöstlichen Durchfahrt, Hoffmann, Weimar 1821