Haas-Effekt
Der Haas-Effekt ist für die Raumakustik, die Stereoaufnahmetechnik und besonders für die Beschallungstechnik von großer Bedeutung. In der Dissertation von Helmut Haas, "Über den Einfluss eines Einfachechos auf die Hörsamkeit von Sprache" (1951) Acustica 1, Seiten 49-58 wird folgendes postuliert:
Der zuerst beim Zuhörer eintreffende Direktschall ist allein richtungsbestimmend. Hierbei entsteht nur ein Hörereignis. Die mit einer Laufzeitverzögerung von Δ t > 2 ms eintreffende Reflexion erhöht bei dem Hörereignis die Lautstärke, verändert die Klangfarbe und erhöht den Eindruck von größerer räumlicher Ausdehnung. Selbst wenn das nachfolgende Signal (Reflexion) einen bis zu 10 dB höheren Pegel hat und mit einer Laufzeitverzögerung innerhalb von Δ t < 35 ms eintrifft, bestimmt allein das zuerst eintreffende Signal die wahrgenommene Einfallsrichtung.
Der Haas-Effekt wird auch noch mit anderen Begriffen "Gesetz der ersten Wellenfront" und "Präzedenz-Effekt" in Zusammenhang gebracht oder oft sogar gleichgesetzt. Siehe: The "precedence effect" (Wallach et al., 1949) – The "Haas effect", after Haas (1951) – The "law of the first wavefront" (Blauert, 1997).
Gesetz der ersten Wellenfront:
Zwei ähnliche Signale, die aus unterschiedlichen Richtungen kommen (z.B. Direktschall und ein
Rückwurf), werden aus der Einfallsrichtung lokalisiert, aus der die erste Wellenfront eintrifft.
Dieser Sachverhalt wird Gesetz der ersten Wellenfront bzw. Präzedenzeffekt genannt.
Die Verzögerung des zweiten Signals darf allerdings eine gewisse Schwelle (Echoschwelle) nicht
überschreiten, da der Hörer in einem solchen Fall zwei einzelne Signale (z. B. Direktschall und
Echo) wahrnimmt.
Die Echoschwelle ist abhängig von der Verzögerungszeit und dem Pegel (!) des zweiten Signals
Ist die Verzögerung des zweiten Signals kleiner 3 ms, so entsteht ein anderes Phänomen, die
Summenlokalisation bei der Richtungslokalisation.
Der Präzedenzeffekt zeigt, dass das Hörsystem dem zuerst am Gehör eintreffenden Direktschall bei der Bestimmung der Richtung eines Hörereignisses (auditives Objekt) stärker berücksichtigt, als die zeitlich später eintreffenden Rückwürfe. Wenige Millisekunden nach dem Direktschall eintreffende Rückwürfe werden dabei nicht als einzelne Hörereignisse wahrgenommen. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Gewöhnung an eine reflexionsbehaftete Umgebung den Präzedenzeffekt verstärkt (Aufbau des Präzedenzeffekts), während bestimme Änderungen des auditiven Szenarios den Präzedenzeffekt wieder zurücksetzen (Einbruch des Präzedenzeffekt).
Wenn ein Hörer sich an ein auditives Szenario gewöhnt hat, werden Rückwurfe, die keine relevante Information für den Hörer bieten, unterdrückt. Neue "unerwartete" Rückwürfe werden weniger stark unterdrückt, da sie auch neue Information über die Umgebung beinhalten. Ein alternativer Erklärungsversuch besagt, dass der Aufbau des Präzedenzeffekts selektiv für die Richtungen stattfindet, aus denen Rückwürfe beim Hörer eintreffen.
Der Haas-Effekt besagt, dass die räumliche Lokalisation von Schallquellen im Stereobild wesentlich von dem Zeitpunkt des Eintreffens der Signale abhängt. Dieses kann dazu benutzt werden, durch eine Verzögerung des einen Kanals ein Mono-Signal im Stereo-Bild zu platzieren. Dabei werden Delay-Zeiten zwischen 0 und 30 ms benutzt. Werden die Verzögerungen länger als 50 ms, so werden zwei getrennte Schallereignisse hörbar.
Die Untersuchungen von Haas beschreiben nicht den Präzendenz-Effekt in voller Breite. Sie befassen sich schwerpunktmäßig damit, unter welchen Bedingungen ein verzögerter Schall, der einen höheren Pegel besitzt als der unverzögerte Schall, noch aus der Richtung des unverzögerten Schalls wahrgenommen wird. Nur unter dieser Randbedingung, wenn die Reflexion "lauter" als der Direktschall ist, gilt der angegebene Haas-Verzögerungszeitbereich von 10 bis 30 ms. Dieser Effekt wird im Versuch mit Trading bezeichnet, im Gegensatz zur Anwendung bei der Stereoaufnahme als Äquivalenz.
Literatur
- Jens Blauert: "Räumliches Hören", S. Hirzel-Verlag, Stuttgart 1972, ISBN 3-7776-0250-7
- 1. Nachschrift - "Neue Ergebnisse und Trends seit 1972", 1985, ISBN 3-7776-0410-0
- 2. Nachschrift - "Neue Ergebnisse und Trends seit 1982", 1997, ISBN 3-7776-0738-X
Siehe auch
- | Trading (Tontechnik) | Lokalisation | Bregenzer Richtungshören | Raumakustik | Franssen-Effekt | Äquivalenz (Tontechnik) |