Baddeleys Arbeitsgedächtnismodell
Das Arbeitsgedächtnis wurde von Alan D. Baddeley und Graham J. Hitch 1974 eingeführt. Mit diesem Modell wollten sie ein präziseres Modell des Kurzzeitgedächtnisses schaffen.
Die vier Komponenten
Nach Baddeley und Hitch besteht das Arbeitsgedächtnis aus einer zentralen Exekutive, welche die Verteilung der Prioritäten der Arbeitsvorgänge regelt.
Der Steuerung der zentralen Exekutive unterstehen drei Speichermodule:
- die phonologische Schleife (Phonological Loop),
- der räumlich-visuelle Notizblock (Visuospatial Sketchpad) sowie
- der episodische Puffer (Episodic Buffer).
Diese sind für die Bearbeitung akustischer bzw. visueller Informationen, sowie für die Zusammenfügung von Informationen zu ganzheitlichen Episoden zuständig.
1974 wurde das Modell als ein Dreikomponentenmodell entworfen, im Jahre 2001 fügte Baddeley die Komponente des episodischen Puffers hinzu.
Die Komponenten im Einzelnen
Phonologische Schleife
Die phonologische Schleife verändert und speichert auditorisch und visuell präsentierte Informationen. Sie kann in zwei Subkomponenten unterteilt werden: den passiven Speicher und den artikulatorischen Kontrollprozess.
Räumlich-visueller Notizblock
Der räumlich-visuelle Notizblock ist für das vorübergehende Speichern von räumlichen und visuellen Informationen verantwortlich. Laut Baddeley ist er ebenso zuständig für die Manipulation von visuellen und räumlichen Informationen.
Episodischer Puffer
Der episodische Puffer wurde 2001 von Baddeley zu dem Modell hinzugefügt. Er ist ein multimodales Speichersystem mit begrenzter Kapazität und kann sowohl visuelle als auch phonologische Informationen speichern ("Episoden").
Zentrale Exekutive
Die zentrale Exekutive ist die wichtigste, aber bisher am wenigsten erforschte Komponente des Arbeitsgedächtnismodells von Baddeley. Im ursprünglichen Modell wurde es als Pool für alle Prozesse betrachtet, die sich nicht eindeutig einem der Subsysteme zuordnen ließen (Anderson, 2001; Baddeley, 1983, 2003). Ihre wesentlichen Funktionen sah Baddeley darin, eine Verbindung zum LZG herzustellen, Aufmerksamkeit zu fokussieren, zu bewegen und zu teilen (Baddeley, 2003). Bei Experimenten zur geteilten Aufmerksamkeit, bei welchen die Probanden zwei verschiedene Verarbeitungsprozesse, die die Subsysteme beanspruchten, gleichzeitig ausführen mussten (zum einen mussten sie sich eine Reihe von Zahlen merken, zum anderen sollten sie gleichzeitig einen Lichtpunkt mit den Augen verfolgen) schnitten Patienten mit Morbus Alzheimer deutlich schlechter ab als gesunde Personen vergleichbaren Alters, welche wiederum nicht schlechter waren als junge Probanden. Das impliziert, dass ein funktionierendes Arbeitsgedächtnis essentiell ist für die Aufmerksamkeitsmodulation (Baddeley, 2003). Wegen dieser engen Verbindung zwischen Arbeitsgedächtnis und Aufmerksamkeit wird Baddeleys Modell auch als „working-attention“-Modell bezeichnet (Shah & Myake, 1999). Die Arbeitsweise der zentralen Exekutive wird veranschaulicht, indem man versucht, die Multiplikationsaufgabe 37*28 im Kopf zu lösen. Es gibt zwei Lösungsstrategien: entweder man stellt sich die Aufgabe bildlich vor und rechnet quasi so, als würde man die Aufgabe schriftlich lösen, oder man spricht sich die Aufgabe immer wieder vor und berechnet, ständig verbalisierend, Schritt für Schritt. Die erste Variante würde den visuell-räumlichen Notizblock mit einbeziehen, die zweite die phonologische Schleife. Die zentrale Exekutive hat dabei die Aufgabe zu speichern, was überhaupt die Aufgabe ist, Informationen aus dem LZG abzurufen (zum Beispiel dass 7*8 = 56), sich Überträge zu merken (zum Beispiel die 5 aus 56) und schließlich zu verfolgen, wie weit die Lösung der Aufgabe fortgeschritten ist (Anderson, 2001). Einige Autoren kritisierten, dass für diese komplexen Prozesse eine weitere, in ihrer Kapazität limitierte Speicherkomponente nötig wäre. Baddeley, auch durch andere Arbeiten angeregt, ergänzte daher sein Modell 2001 um den episodischen Puffer (episodic buffer). Dieser kann als eigenständige Komponente betrachtet werden, ist aber eher ein durch die zentrale Exekutive gesteuerter Speicher, der Informationen zu kohärenten Episoden zusammenbindet (Baddeley, 2003). Seine multidimensionale Codierung erlaubt es ihm weiterhin, die Informationen der Subsysteme zu integrieren, wodurch es der zentralen Exekutive erleichtert wird, diese zu koordinieren. Durch die Bündelung von Informationen zu Episoden steigt die Gedächtnisspanne auf Sätze mit mehr als 15 Wörtern an. Im Vergleich dazu ist seine Kapazität auf fünf bis sechs einzelne, nicht zusammenhängende Wörter beschränkt (Baddeley, 2003). Dieser Sachverhalt ist für das Bauen von Eselsbrücken beim Lernen sehr wichtig, wo auch verschiedene Informationen zu einer leicht zu merkenden Episode gebündelt werden. Die bisher nur implizierte Verbindung zum LZG stellt sich Baddeley als eine Art „Download“ vor, bei der Informationen aus dem LZG im episodischen Puffer gespeichert werden (Baddeley, 2003). Lokalisiert wird die zentrale Exekutive in einigen Bereichen des Frontal- und des Parietallappens (siehe Abb. 1). Hinweise dafür fand man in Experimenten im fMRT, bei dem die Probanden entweder eine N-back-task („Zählen Sie von 100 in Dreierschritten rückwärts!“) ausführten oder eine zufällige Folge von Knopfdrücken oder Zahlensequenzen generieren sollten (Baddeley, 2003).
Befunde
Information im Arbeitsgedächtnis geht nach Sekundenbruchteilen verloren, wenn sie nicht aktiv aufrechterhalten wird (so genanntes rehearsal). Visuelle Informationen gehen viel schneller als akustische verloren, wenn sie nicht verbalisiert werden.
Das Arbeitsgedächtnis ist (im Gegensatz zum Langzeitgedächtnis) stark kapazitätsbeschränkt. In der Regel kann es 7±2 Elemente enthalten. Die Menge dieser Elemente, die gleichzeitig aufgerufen und gleichzeitig verarbeitet wird, wird als Gedächtnisspanne bezeichnet. Die Kapazitätsbeschränktheit des Arbeitsgedächtnisses wird ausführlich in der Cognitive Load Theory behandelt.
Befunde aus der modernen Volitionspsychologie zeigen, dass das Gedächtnis für Absichten, das so genannte Intentionsgedächtnis, auf Strukturen des Arbeitsgedächtnisses zurückgreift. Im Intentionsgedächtnis wird eine Absicht auch für längere Zeit aufrechterhalten, bis sie zur Ausführung gelangen kann.
Das neuronale Korrelat der zentralen Exekutive des Arbeitsgedächtnisses wird vor allem im präfrontalen Cortex vermutet.
Dieser modulorientierten Theorie stehen neuere, prozessorientierte Theorien (z.B. nach Jonathan D. Cowan) gegenüber. In diesen wird von der Verteilung von Aufmerksamkeitsressourcen und der damit einhergehenden Aktivierung von verteilten neuronalen Netzwerken ausgegangen.