Höhe 80
Höhe 80 war während des Ersten Weltkriegs eine von 1914 bis 1918 bestehende militärische Stellung in Wijtschate (frühere Bezeichnung: Wytschaete) an der Westfront in Westflandern (Belgien). Die Stellung am nördlichen Ortsrand war während des vierjährigen Grabenkriegs überwiegend in der Hand deutscher Truppen; kurze Zeit auch in der alliierter Truppen. Im Jahr 2018 erfolgte eine archäologische Ausgrabung der Stellung.
Beschreibung


Die Stellung befand sich etwa in der Mitte des rund 15 km langen Wytschaete-Bogens, an den nördlich der Ypernbogen anschloss. Sie lag 80 Meter über dem Meeresniveau, was ihr den Namen gab. Die Stelle befindet sich etwa 200 Meter nördlich des Ortskerns von Wijtschate mit der Kirche, die die höchste Stelle des Ortes darstellt. Von der Stellung aus war der Ypernbogen bis zur Stadt Ypern einsehbar, so dass von ihr das deutsche Artilleriefeuer in diese Richtung geleitet werden konnte. Zur Stellung gehörten Schützengräben, Gebäude, eine Kommandozentrale mit Bunker, Beobachtungsposten und Tunnelverbindungen zur etwa 2 km entfernten, vordersten Frontlinie.[1] Die Stellung war vom etwa 3 km entfernten Kemmelberg (159 Meter über Meeresniveau) einsehbar, so dass von dort häufig Artilleriebeschuss kam.
Geschichte
Der Ort Wytschaete wurde bei der Ersten Flandernschlacht Ende Oktober / Anfang November 1914 von deutschen Truppen beim Vorrücken nach Westen eingenommen. Sie setzten sich damit auf dem strategisch wichtigen Bergrücken zwischen Messines und Wytschaete fest, woraus sich die Frontlinie des Wytschaete-Bogens entwickelte. Wytschaete und die „Höhe 80“ wurden zu einer Bastion ausgebaut. Es entstand ein umfangreiches System aus Bunkern, Gräben und Tunneln, das von Sperrfeldern aus Stacheldraht umgeben war.
Während der Dritten Flandernschlacht nahmen alliierten Truppen bei der Schlacht am Wytschaete-Bogen den Ort und damit auch die „Höhe 80“ im Juni 1917 ein. Im April 1918 während der Vierten Flandernschlacht eroberten deutsche Truppen Wytschaete zurück. Danach nahmen die Alliierten im September 1918 den Ort während der Hunderttageoffensive endgültig ein. Bis auf das Zuschütten von Gräben sind seither keine Veränderungen auf dem Gelände der Stellung vorgenommen worden.
Ausgrabung
Im Jahr 2018 unternahm ein internationales Team aus Archäologen, Historikern und freiwilligen Grabungshelfern auf „Höhe 80“ eine archäologische Ausgrabung.[2] Sie erfolgte vor der Errichtung von Wohnhäusern auf einem 1,1 Hektar großen Areal.[3] Das Gelände geriet bereits 2015 in den Fokus von Historikern, als es wegen eines Bebauungsvorhabens zur obligatorischen Suche nach historischen Bodenresten kam. Die dabei entdeckten Kriegshinterlassenschaften ließen reichhaltige Funde erwarten.[4]
Die Ausgrabung diente dem Erkenntnisgewinn zur Bau- und Funktionsweise der Stellung sowie der Bergung von Toten. Die besondere Bedeutung des Fundgeländes liegt laut den Archäologen darin, dass das Areal seit 1918 keinen größeren Eingriffen oder landwirtschaftlichen Nutzungen unterlegen hat, so dass es sich bei der „Höhe 80“ um eine Art „Pompeji des Ersten Weltkriegs“ handele.[5]
Ergebnisse
Die Archäologen stießen auf drei bis vier intakte Kellerbereiche von Gebäuden und einen Bunker in einem Gebäudekeller, den sie als früheres Hauptquartier interpretieren.[6] Die Gebäude waren eine ehemalige Mühle und das Wohnhaus des Müllers, die umfunktioniert waren. Die ursprünglichen Gebäudteile und die späteren militärischen Einbauten ließen sich anhand des verwendeten Steinmaterials unterscheiden. Während die ursprünglichen Bauteile aus rotem Backsteinmaterial bestanden, wurden die militärischen Einbauten aus hellem Baumaterial, wie Beton und Betonsteine, eingefügt.
Zu den Fundstücken während der zweimonatigen Grabungsdauer zählten rund 1500 Gegenstände aller Art, unter anderem Granaten, Bajonette und Stahlhelme. Es wurden die sterblichen Überreste von 81[7], überwiegend deutschen Soldaten gefunden. Die forensischen Untersuchungen an den Gebeinen der gefallenen Soldaten werden von der britischen Universität Cranfield durchgeführt.
Ausgrabungsprojekt
Das Ausgrabungsprojekt firmiert unter den Bezeichnungen „Dig Hill 80 Project Whitesheet (englische Bezeichnung für Wytschaete) 2018“ und „Höhe 80 Project Whitesheet 2018“.[8] Initiatoren sind ein belgischer Schlachtfeld-Archäologe, ein britischer und ein deutscher Militärhistoriker[9][10]; unterstützt wird das Ausgrabungsprojekt vom britischen Comedian Al Murray.
Finanziert wurde die Grabung durch Crowdfunding, wobei rund 250.000 Euro nötig waren und etwa 178.000 Euro durch fast 2700 Spender zusammen gekommen sein sollen.[11] Darüber hinaus wurde die Ausgrabung finanziell von den freiwilligen Grabungshelfern unterstützt, die Graben gegen Bezahlung leisteten. Besucher wurden gegen Bezahlung über das Ausgrabungesgelände geführt.
Diese Finanzierungsart wurde gewählt, weil der belgische Staat keine Mittel für eine größere Ausgrabung zur Verfügung stellte[12] und der Bauherr die hohen Kosten nicht aufbringen konnte.[13]
Weblinks
- Website des Ausgrabungsprojekts
- Das Ausgrabungsprojekt bei Twitter
- Historische und aktuelle Luftbilder der Ausgrabungsfläche
- Björn Müller: Der letzte Kampf um Höhe 80 in FAZ vom 13. Dezember 2017
- Lorenz Hemicker, Kathrin Jakob: Ein Pompeji des Ersten Weltkriegs in FAZ vom 6. Juli 2018 (Video 3:36 Minuten)
- Charlie Moore: Finally a send-off for the heroes: Remains of British soldiers stuck in Belgian trenches will be given a proper burial as archaeologists win race to excavate German WWI position before it's demolished in Daily Mail vom 11. Februar 2018
Einzelnachweise
- ↑ Fabian Schweyher: „Wenn du menschliche Knochen findest, ist das ernüchternd“ bei t-online.de vom 30. Juni 2018
- ↑ Deutsches Bollwerk „Höhe 80“ wird freigelegt bei flanderninfo.be vom 16. April 2018
- ↑ Al veertig soldaten uit WO I gevonden bij opgravingen in Wijtschate in Het Laatste Nieuws vom 27. April 2018
- ↑ Wijtschate: Crowdfunding für „Höhe 80“ bei flanderninfo.be vom 19. Oktober 2017
- ↑ Lorenz Hemicker: Höhe 80: Ein Pompeji des Ersten Weltkriegs in FAZ vom 29. Juni 2018
- ↑ Ausgrabungen: Die „Höhe 80“ ist eine Fundgrube bei flanderninfo.be vom 24. Mai 2018
- ↑ Al 81 soldaten gevonden op site Höhe in Het Laatste Nieuws vom 7. Juni 2018
- ↑ Höhe 80 Project Whitesheet 2018 bei Gemeinde Heuvelland (pdf)
- ↑ About Us
- ↑ Dig Hill 80 Project Whitesheet, 2018 bei westernfrontassociation.com vom Dezember 2017
- ↑ Dig Hill 80: Excavating an Endangered WW1 Battlefield bei Kickstarter.com
- ↑ „Höhe 80“: Dringend Geld für Ausgrabung gesucht… bei flanderninfo.be vom 8. Dezember 2017
- ↑ Hill 80 blijkt schatkamer voor archeologen in Het Laatste Nieuws vom 18. Mai 2018
Koordinaten: 50° 47′ 18,3″ N, 2° 52′ 55,9″ O