Polynesien
Polynesien (aus dem Griechischen: poly = viele; nesoi = Inseln) ist sowohl eine großflächige pazifische Inselregion als auch die östlichste der Kulturregionen Ozeaniens.
Geographie

Polynesien mit seinen weit über 1.000 Inseln und Inselgruppen erstreckt sich von den Hawai’i-Inseln (USA) im Norden nach Neuseeland im Südwesten und der Osterinsel (Chile) im Südosten (=Polynesisches Dreieck). Im Westen verläuft die Grenze zwischen den (mikronesischen) Gilbertinseln und Tuvalu.
Zu Polynesien zählen vor allem (alphabetische Reihung):
- Amerikanisch-Samoa
- Cookinseln
- Französisch-Polynesien
- Gesellschaftsinseln
- Hawaii-Inseln
- Neuseeland
- Niue
- Osterinsel
- Pitcairninseln
- Samoa
- Tokelau
- Tonga
- Tuvalu
- Wallis und Futuna
Weiterhin gehören einige in Melanesien oder Mikronesien liegende, kleinere polynesische Exklaven zum ozeanischen Gebiet "Polynesien".
Bevölkerung
Die Gesamtbevölkerung Polynesiens wird auf 6 Mio. geschätzt, davon 1 Mio. Polynesier. Äußerlich unterscheiden sie sich stark von den übrigen Ozeaniern durch hellere Hautfarbe, glattere Haare und größere Gestalt.
Besiedlung
Die Besiedelung Polynesiens begann um 1500 v. Chr.. Nach der Theorie des Archäologen Peter Bellwood drangen Seefahrer aus Taiwan über die Philippinen in den Raum des Inseldreiecks Tonga/Fidschi/Samoa vor und breiteten sich über die Inselwelt aus. Dieser Vorgang wird mit der Ausbreitung von Pflanzenbau und einer bestimmten Art von Keramik (Lapita-Ware) in Verbindung gebracht. Andere Autoren glauben an eine Besiedlung von Melanesien aus. Um 1300 v. Chr. wurde die Insel Fidschi erreicht, von dort aus erfolgte die Ausbreitung weiter ostwärts über Samoa und Tonga bis zur Osterinsel.
Der Völkerkundler Thor Heyerdahl hat gezeigt, dass eine Besiedlung Polynesiens theoretisch auch von Osten her möglich gewesen wäre. Die Kon-Tiki ist ein Floß aus Balsaholz, wie es die Ureinwohner Perus an der Westküste Südamerikas bauen. Heyerdahl ist damit bis zu den Tuamotu-Inseln vorgedrungen. Der Humboldtstrom erleichtert den Verkehr von Ost nach West und erschwert ihn in die Gegenrichtung.
Seefahrt
Für die Fernfahrten benutzten die Polynesier Auslegerkanus aus zusammengebundenen Planken, die mit ihren scherenförmigen oder dreieckigen Segeln eine Geschwindigkeit von 7–8 Knoten erreichten. Sie trugen bis zu 200 Personen, wobei auch Tiere und Nutzpflanzen mittransportiert wurden.
Für die Navigation auf offener See gab es unterschiedliche Techniken, die aus astronomischen und terrestrischen Bestandteilen zusammengesetzt war. Auf der Südhalbkugel nimmt dabei das Kreuz des Südens ein zentrale Funktion ein. Neben diesen kannten die Polynesier auch noch ca. 300 weitere Sternengebilde und 5 sogenannte kleine Sterne, die Planeten des Sonnensystems.
Wichtige terrestische Markierungen wie Landschaftsmerkmale und Wellen- und Strömungsbewegungen wurden mit Hilfe der Stabkarten-Technologie festgehalten.
Kultur
Auf dem riesigen Gebiet von Polynesien mit all den Inseln, die durch viele Kilometer offenes Meer voneinander getrennt sind, entstanden verschiedene Kulturen. Die Strecke Tahiti bis Hawai’i beträgt 3.220 km, was etwa der Entfernung von Portugal bis Sizilien entspricht. Dennoch reisten die Polynesier auf Hawai’i mehrmals zu den Inseln zurück, die sie 1250 verließen. Mit der Überfahrt der Hokule’a (= wegweisender Stern) wurde 1976 erneut bewiesen, dass die von um 1250 von den Polynesiern zurückgelegte Strecke auch heute von den polynesieschen Navigationsexperten ohne Kompass, Sextant oder andere moderne Navigationsgeräte zurückgelegt werden können. Dies ist nur ein Beispiel des kulturellen Schatzes von Polynesien.
Experten (Kahuna)
Die Polynesier kannten ein System von Experten für alle Lebensbereiche, die so genannte Kahuna. Man könnte es mit einem universitären System vergleichen, das auch Philosophie, Handwerk und Kunst umschließt. Die Experten trugen große gesellschaftliche Verantwortung. Die "mündliche Literatur" transportierte mittels der Oli und Mele (Gesänge) über Jahrhunderte die Geschichte jeder Insel. Mittels solcher Gesänge und Gebete, die für Europäer ungewohnt unmelodiös sind, wurden die Kenntnisse der Kahuna, die Geschichte der Ahnen und der Hawaiianischen Kultur weitergegeben. Das Kumulipo von Hawai’i ist eine der überlieferten Genealogien und zählt hunderte von Zeilen, die auswendig gelernt wurden.
Einfluss vom Westen
Die eindringenden Europäer und Amerikaner waren auf der Suche nach Fellen, neuen Routen und Rohstoffen und zeigten wenig Respekt oder Interesse, die tausende Jahre alten Kulturen kennenzulernen und zu erhalten. Die Krankheiten, welche sie einschleppten und die Sklaverei rafften den größten Teil der Bevölkerung auf den Inseln von Polynesien dahin. Es wurden aber auch Expeditionen in diesen Regionen durchgeführt, die neue Seewege und neues Land entdecken sollten. Auf diesen Schiffen befanden sich auch Wissenschafter, die die Sprache der Inselbewohner studierten. Der deutsche Dichter Adelbert von Chamisso (1781–1838) war einer der ersten, die auf Deutsch Teile von Polynesien (vornehmlich die Marshallinseln) und die dort lebenden Völker beschreibt. Auf dieser russischen Expedition (siehe Rurik-Expedition) unter Kapitän Otto von Kotzebue begleitete auch ein Bewohner der Marshallinseln die Mannschaft und gab den Naturforschern die Möglichkeit ihre Kenntnisse über diese Sprache zu vertiefen. So bestätigte ihnen dieser z.B. auch eine Ähnlichkeit der hawaiianischen Sprache mit der seinigen.
Chamisso war Zeitzeuge der polynesischen Kultur, mit der Kunst der Tätowierung, den alten, heiligen Tänzen und Ritualen und der damals gegenüber der europäischen viel weiter entwickelten Textilkunst. Auch brachten die ersten Forscher Zeugnisse der Literatur, die mündlich über Jahrtausende weitergegeben wurde. Mit dem Eindringen der christlichen Missionare (Kalvinisten) gingen leider viele der alten Traditionen verloren. Die Reise der Hokule’a (wegweisender Stern) brachte auf den Inseln von Hawai’i wie auch auf Tahiti eine Verstärkung der Identität und eine Rückbesinnung auf die eigene Kultur.
Medizin / Naturheilkunde
Die Experten (Kahuna) für Medizin waren auf vielen Gebieten kundig:
- Kahuna ho’ohanau: Geburten, Kinderkrankheiten (Hebammen, Gynäkologie, Pädiatrie)
- Kahuna ha’i’wi: Knochen zusammenfügen (Chirurgie/Orthopädie)
- Kahuna Lomilomi: Massage (Körpertherapie/Physio-therapie)
- Kahuna la’au lapa’au: Kräuterkunde (Allgemeinpraktiker, Naturheiler, Kräuterspezialist)
- Kahuna Kahea: Psychotherapie/Körperpsychotherapie
Spirituelle und weltliche Aspekte stehen in der traditionellen polynesischen Medizin gleichwertig nebeneinander und ergänzen sich. So wird ein traditioneller Kahuna zur Linderung einer Krankheit oder Verletzung ebenso magische wie auch weltliche Praktiken und Methoden zum Einsatz bringen. ( z.B. Chirurgischer Eingriff, Naturheilmittel oder Massage ) Oft geschieht diese Heilbehandlung im Rahmen einer rituellen Zeremonie im Kreise der Familienmitglieder und Angehörigen des Stammes, zu welchem der Kranke gehört.
Massage
In den deutschsprachigen Ländern ist insbesondere die Traditionelle Hawaiianische Massage bekannt. ( Massage bedeutet auf Hawaiianisch Lomilomi und auf Tahitianisch Romi.) Diese ist vielen Menschen heutzutage als reine Wellness-Massage ein Begriff. Ihrem Wesen und Ursprung nach ist sie allerdings eine therapeutische Massage zur Vorbeugung und Heilung von Krankheiten und als solche wichtiger Bestandteil der polynesischen Medizin. Diese Bedeutung wird zunehmend auch in den westlichen Länder erkannt und geschätzt.
Tanz und Musik
Vor dem Einfluss der Missionare war Musik auch nicht nur Bestandteil von Ritualen und Feiertagen, sondern auch von ungezwungenen Festen zum Spaß Aller. Die heiligen Gesänge und Tänze wie etwa der Hula-Ha’a, aus dem alle anderen Hawai’i-Tänze hervorgingen, stellten eine Anbetung und Gottesverehrung dar. Die über 20 verschiedenen Hula Tanzarten (Quelle: Original Aloha News) sind heute unter zwei grobe Zeitabschnitte eingegliedert. Den alten, traditionellen hawaiianischen Tanz nennt man Hula Kahiko. Als die Portugiesen die Ukulele (= Hüpfender Floh) mitbrachten, änderten sich Musik und Tanz, indem zu den monotonen Gebeten, Sprechgesängen (Chants) und Gesängen die Harmonien der Ukulele dazukamen. Den moderneren, jedoch bereits über 100 Jahre alten Hula-Tanz zu Ukulele, Steel-Guitar und Slack-Guitar nennt man heute Hula Auana, ganz moderne Ball-Room-Versionen heißen Hula-Hula. Hula Kurse werden heutzutage auch außerhalb Polynesiens sowohl in den vereinigten Staaten als auch in Europa angeboten.
Kunst
Untrennbar vom Tanz und von den Ritualen sind die wunderschönen Blumenkränze (Lei), welche aus Blumen, Kräutern und Muscheln zu wahren Kunstwerken gefertigt werden. Die Polynesier waren Meister in der mehrfarbigen Textilbedruckung (Tapa, Kapa) und besinnen sich heute wieder auf diese alte Kunst.
Sport
Der Rudersport war schon immer auch ein kulturelles Ereignis, da es Zeiten gab, die für Feste und Wettkämpfe reserviert waren (Makahiki) und kriegerische Handlungen ruhen mussten. Heute sind die Wettkämpfe der verschiedenen Ruderklubs beliebte gesellschaftliche Ereignisse. Während dieser Festivale konnten die Männer ihre Kampfsportarten (Lua) unter Beweis stellen und sich in Ringkämpfen messen.