Backsteingotik

Die Backsteingotik ist eine in Norddeutschland und dem Ostseeraum verbreitete Bauweise der Gotik, die an vielen Orten zum Weltkulturerbe erklärt ist. Die Backsteingotik ist nur unscharf von der vorgehenden Backsteinromanik und der nachfolgenden Backsteinrenaissance abgegrenzt.
Verbreitung der Backsteingotik
Backsteinarchitektur findet sich in erster Linie in Gebieten, in denen es keine ausreichenden Vorkommen an Haustein gibt und in die der Transport aus den Steinbrüchen zu aufwändig gewesen wäre. Dies ist insbesondere im norddeutschen Tiefland der Fall. Das Verbreitungsgebiet der Backsteingotik deckt sich deshalb weitgehend mit dem Einflussgebiet der Hanse (mit Ausnahme Westfalens und des Rheinlandes), so dass diese Architektur zum Symbol dieses machtvollen Städtebundes wurde. Insbesondere die jüngeren Stadtgründungen östlich der Elbe sind von der Backsteingotik geprägt. Neben städtischen Kirchen- und Profanbauten prägte die Klosterarchitektur der Bettelorden die Backsteingotik, vor allem diejenige der Zisterzienser und Prämonstratenser.

Der Backsteinziegel als Ausgangsmaterial

Das Ausgangsmateriel für die Ziegelherstellung ist Lehm, der im nordeutschen Flachland reichlich vorhanden war, so dass der Backstein sich dort als Ersatzbaustoff entwickelte.
Als Standard beim Bau repräsentativer Gebäude setzten sich Ziegel im sogenannten Klosterformat (etwa 28×15×9 cm bis 30×14×10 cm mit durchschnittlich 1,5 cm Fuge) durch. Im Gegensatz zur Werksteingotik wurden Klostersteine und Formziegel nicht in den Bauhütten, sondern von spezialisierten Betrieben außerhalb der Baustellen hergestellt.
Charakteristika der Backsteingotik

In Norddeutschland breitete sich im Anschluss an die Romanik ab 1200 der typische Baustil aus, der als Backsteingotik bezeichnet wird. Charakteristisch ist hierbei die Materialreduktion: die Bauten sind oft sehr wuchtig, von monumentaler Größe, aber äußerlich eher schlicht und bei weitem nicht so grazil wie in südlichen Gegenden. Dies mag bei den Westwerken der Kirchen im rauhen Klima Norddeutschlands seine planerischen Gründe gehabt haben, ist doch die reduzierte, glatte Fassade gegen die Anfeindung der zumeist von Westen kommenden Wetterfronten unempfindlicher und weniger anfällig für Schäden bedingt durch Wind und Wetter. In späterer Zeit setzten sich aber auch hier Techniken durch, die die Kirchen äußerlich ansprechender werden ließen: so kalkte man zurückstehende Wandflächen häufig weiß ein, sodass ein Farbkontrast zum dunklen Backsteinmaterial entstand. Außerdem fertigte man spezielle Formsteine an, die eine bessere Nachahmung der Bauplastik ermöglichten.
Außer an Kirchenbauten und Klöstern wurden die Formen der Backsteingotik auch an den gerade im norddeutschen Raum verbreiteten Schauseiten von Rathäusern, an Stadttoren und an Bürgerhäusern angewendet.
An die Backsteingotik schloss sich in einem gleitenden Übergang der Bauformen die Backsteinrenaissance an.
Die Neugotik des 19. Jahrhundert
Im 19. Jahrhundert erlebte die Backsteingotik durch die Neugotik nach den 60ger Jahren eine Renaissance, die sich dann in zahlreichen Gebäuden der wilhelminischen Zeit widerspiegelt. Ein wichtiger Bremer Architekt dieses Stils war Simon Loschen.
Norddeutsche Heimatschutz-Architektur
Anfang des 20. Jahrhunderts nimmt der norddeutsche Heimatschutz als Stilrichtung der Architektur insbesondere in Schleswig-Holstein das Bauen in Backstein frei von neugotischer Verzierung, aber an traditionellen Vorbildern orientiert, neu auf. Villen in diesem Stil prägen den Einfamilienhausbau bis heute.
Siehe auch
Literatur
- Gottfried Kiesow: Wege zur Backsteingotik. Eine Einführung. Monumente-Publikationen der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2003, ISBN 3-936942-34-X
- Angela Pfotenhauer, Florian Monheim, Carola Nathan: Backsteingotik. Monumente-Edition. Monumente-Publikation der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2000, ISBN 3-935208-00-6
- Gottlob, Fritz (1907), Formenlehre der Norddeutschen Backsteingotik: Ein Beitrag zur Neogotik um 1900. Nachdruck der 2. Auflage (1999), Verlag Ludwig. ISBN 3-9805480-8-2
- Gerlinde Thalheim (Redaktion) et al.: Gebrannte Größe - Wege zur Backsteingotik. 5 Bände. Monumente-Publikation der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Bonn, Gesamtausgabe aller 5 Bände unter ISBN 3-936942-22-6
- Busjan, B.; Kiesow, G. (2002), Wismar: Bauten der Macht – Eine Kirchenbaustelle im Mittelalter. Monumente Publikationen der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. ISBN 3-935208-14-6 (Bd. 2 der Gesamtausgabe der Ausstellungskataloge Wege zur Backsteingotik, ISBN 3-935208-12-X)