Zum Inhalt springen

Generationenvertrag

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 15. Juni 2006 um 15:31 Uhr durch 84.182.211.182 (Diskussion). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Ebene 2 Überschrift

Der Generationenvertrag bezeichnet einen angenommenen gesellschaftlichen Konsens, der die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung sichern soll. Die jeweils Erwerbstätigen (oder jedenfalls der Großteil von ihnen, nämlich die Arbeitnehmer) zahlen mit ihren Beiträgen die Renten der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Generation (Umlageverfahren) und erwerben dabei Ansprüche auf ähnliche Leistungen der nachfolgenden Generationen an sich selbst.

Auch andere Instrumente des Sozialstaates, z. B. die gesetzliche Krankenversicherung, beruhen weitgehend auf dem Prinzip eines „Generationenvertrages“, da die durchschnittlichen Gesundheitsausgaben im Alter deutlich höher und die laufenden Einnahmen geringer sind als in den Erwerbsjahren.

Geschichte

Der Begriff des Generationenvertrages entsteht mit dem Umlageverfahren in den Rentenversicherungen und wird später auch bei anderen Umverteilungsmechanismen im Sozialstaat verwendet. Das ursprüngliche System der gesetzlichen Rentenversicherung baute auf eine Ansparung der Rentenbeiträge, die paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf Rentenkonten zu entrichten waren. Dieses System der Kapitaldeckung wurde 1957 unter Konrad Adenauer zu einem Umlageverfahren umgebaut. Das zugrundeliegende Konzept von Wilfrid Schreiber - auch bekannt als "Schreiber-Plan" verwendete bereits den Begriff des Generationenvertrages. Es wurde jedoch nur teilweise umgesetzt. Schreiber hatte vorgesehen, dass die mittlere Generation, neben der Unterstützung der Alten, zugleich mit Arbeitskraft und Geld für ihren eigenen Ersatz sorgt. Dementsprechend waren auch eine Kinderrente und doppelte Beiträge für Kinderlose vorgesehen.

In der Schweiz wurde der Begriff ebenfalls im Rahmen der gesetzlichen Einführung der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) 1947 in die politische Diskussion eingeführt. Auch die AHV fusst auf einem Umlageverfahren. Mit der Einführung weiterer sozialstaatlicher Umverteilungsmechanismen - zum Beispiel im Krankenversicherungsgesetz von 1996 - weitete sich der Gebrauch des Begriffes auch auf diese Bereiche aus und steht heute für einen breit akzeptierten Grundsatz des schweizerischen Sozialstaates.

Finanzierungsprobleme

Die mit Generationenvertrag arbeitenden Sozialsysteme stehen vor zunehmenden Finanzierungsproblemen. Fehlende Beitragseinnahmen führten dazu, dass der Bundeszuschuss beispielsweise in Deutschland seit 1990 fast jährlich auf heute mehr als 80 Milliarden € erhöht werden musste. Als Hauptursache werden häufig die hohe Arbeitslosigkeit und das Sinken der Lohnquote am Volkseinkommen genannt. Zunehmend macht sich aber auch die Bevölkerungsentwicklung bemerkbar. Seit Anfang der 1970er Jahre (Pillenknick) hat Deutschland eine ausgesprochen niedrige Geburtenrate. 1000 Erwachsene zeugen im Laufe ihres Lebens nur etwa 700 Kinder. Mit Eintreten dieser Jahrgänge in das Erwerbsleben seit Anfang der 1990er Jahren begann sich die Basis der Beitragszahler zu verschmälern. Eine dramatische Veränderung im Verhältnis von Beitragszahlern und -empfängern erwarten Bevölkerungswissenschaftler allerdings erst ab 2010, wenn geburtenstarke Jahrgänge das Rentenalter erreichen und aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Welche Auswirkungen das auf die Sozialsysteme haben wird, hängt - neben den reinen Kohortenstärken - noch von mehreren Faktoren ab, die ihrerseits untereinander und mit der Bevölkerungsentwicklung zusammenhängen, insbesondere mit der Erwerbsquote und der Produktivitätsentwicklung.

Kritik

Der Begriff „Generationenvertrag“ wird von Kritikern als politisches Schlagwort betrachtet, das suggeriere, der Anspruch aus Rentenanwartschaften sei durch eine Übereinkunft der Generationen gerechtfertigt. Die künftig Erwerbstätigen seien aber im Zeitpunkt der Anspruchsbegründung entweder noch nicht geboren oder noch nicht rechtsfähig, also außerstande einem „Vertrag“ zuzustimmen. Zudem habe die Generation der heutigen Rentenbeziehenden sich selbst einen Ausbau zugestanden, der in keinem Verhältnis zu ihrem eigenen Beitrag stehe.

Andere Kritiker sehen den Generationenvertrag als bloße Fiktion an, da Schreibers Pläne nicht vollständig umgesetzt wurden. In Wirklichkeit handele es sich dabei um eine „Versicherung gegen Kinderlosigkeit“. Jene, die kinderlos bleiben und die dadurch zur Verfügung stehende Zeit für ihr Erwerbsleben nutzen – somit auch ein höheres Einkommen und höhere Rentenansprüche erzielen – sollten demnach einen Teil ihres Einkommens in eine private Altersvorsorge investieren. Kritisiert wird, dass sie aber, unbesehen ihrer Kinderlosigkeit, dennoch eine Rente „auf Kosten der Kinder anderer Leute bzw. auf Kosten von deren Eltern“ beziehen, deren Anteil am „Rententopf“ entsprechend niedriger ausfällt.


Siehe auch