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Frontex

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Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache
Frontex
Logo
Logo der Frontex
 
Bild
Sitz der Frontex in Warschau (Warsaw Spire)[1]
Englische Bezeichnung European Border and Coast Guard Agency
Französische Bezeichnung Agence européenne de garde-frontières et de garde-côtes
Polnische Bezeichnung Europejska Agencja Straży Granicznej i Przybrzeżnej
Organisationsart Agentur der Europäischen Union
Status Einrichtung des europäischen öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit
Sitz der Organe Warschau, Polen Polen
Vorsitz Frankreich Fabrice Leggeri
Gründung 26. Oktober 2004[2]
http://frontex.europa.eu

Die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache, kurz Frontex (Akronym für französisch frontières extérieures ‚Außengrenzen‘),[3][4] (bis 6. Oktober 2016 Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union) ist eine Gemeinschaftsagentur der Europäischen Union mit Sitz in Warschau.[5][6][7] Sie ist zuständig für die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten an den Außengrenzen der Europäischen Union. Frontex wurde im Jahr 2004 durch die Verordnung (EG) 2007/2004 vom 26. Oktober 2004 errichtet.[2] Diese wurde durch die Verordnung (EG) 1168/2011 vom 25. Oktober 2011 geändert[8] und am 14. September 2016 durch die Verordnung (EU) 2016/1624 ersetzt.[9]

Der Finne Ilkka Laitinen war von 2005 bis 2014 Chef der Agentur. Seit Januar 2015 ist der Franzose Fabrice Leggeri der Direktor von Frontex.[10]

In seiner Rede zur Lage der Union 2015 sprach sich Kommissionspräsident Juncker dafür aus, Frontex zu einem „operationellen Grenz- und Küstenwachsystem“ auszubauen. Bis Ende 2015 sollten von der Kommission dafür Ausbaupläne vorgelegt werden.[11]

Im Oktober 2016 nahm die umgebaute Agentur ihren Dienst auf, mit verbessertem, möglichst lückenlosem Grenzschutz, verstärkten Kontrollen durch mehr Personal und klarere Zugänge. Ökonomisch motivierte Flüchtlinge sollen so früh wie möglich abgewiesen und die Flüchtlingsströme aus Sicherheitsgründen besser gelenkt werden. Durch geregelte Außengrenzen solle es wieder ermöglicht werden, den Reiseverkehr in der Schengen-Zone ohne Personenkontrollen fließen zu lassen.[12]

Aufgaben

Die Agentur koordiniert die operative Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten im Bereich des Schutzes der Außengrenzen, unterstützt die Mitgliedstaaten bei der Ausbildung von nationalen Grenzschutzbeamten und legt unter anderem gemeinsame Ausbildungsnormen fest.[13] Außerdem erstellt sie Risikoanalysen, verfolgt die Entwicklungen der für die Kontrolle und Überwachung der Außengrenzen relevanten Forschung, unterstützt die Mitgliedstaaten in Situationen, die eine verstärkte technische und operative Unterstützung an den Außengrenzen erfordern, und leistet die erforderliche Hilfe bei der Organisation gemeinsamer Rückführungsaktionen der Mitgliedstaaten.[14] Nach der EU-Strategie der inneren Sicherheit[15] soll Frontex in Zukunft einen stärkeren Beitrag zur Kriminalitätsbekämpfung an den Grenzen leisten.[16]

Die rechtliche Grundlage von Frontex schuf die am 26. Oktober 2004 vom Rat der EU erlassene Verordnung (EG) 2007/2004 „zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Europäischen Union“, ergänzt durch die von Parlament und Rat der EU am 11. Juli 2007 erlassene Verordnung (EG) 863/2007 „über den Mechanismus zur Bildung von Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke und zwar Änderung der Verordnung (EG) 2007/2004 des Rates hinsichtlich dieses Mechanismus und der Regelung der Aufgaben und Befugnisse der abgestellten Beamten“.[17] Im Mai 2005 nahm Frontex daraufhin die Arbeit auf.

Hauptaufgabenfelder

  • die Risiko- und Gefahrenanalyse bzgl. der EU-Außengrenzen und die daraus abgeleitete Sicherstellung einer ausgewogenen Verteilung der vorhandenen Überwachungs- und Sicherheitsressourcen entlang der Grenze. Die Risikoanalyse erfolgt mittels des 2002 von einer EU-Expertengruppe entwickelten Common Integrated Risk Analysis Modelles (CIRAM). Das bisher mit der Erstellung von Risikoanalysen beauftragte, 2003 in Helsinki gegründete Risk Analysis Centre (RAC) übergab diese Aufgabe an Frontex und wurde am 1. Mai 2005 geschlossen.[18]
  • die Koordination der operativen Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten in der Überwachung der EU-Außengrenzen
  • die Unterstützung von Mitgliedstaaten bei der Ausbildung von Grenzschutzbeamten an den nationalen Grenzen sowie die Einführung einheitlicher Ausbildungsstandards
  • die Beobachtung der Forschung im Bereich der Sicherheitstechnologie sowie die Beratung der Sicherheitsorgane der Mitgliedstaaten bezüglich moderner Technologien für die Grenzsicherung
  • die Unterstützung von Mitgliedstaaten in Situationen, die unmittelbar einen erhöhten technischen und personellen Bedarf erfordern
  • die Unterstützung von Mitgliedstaaten bei der Organisation von Rückführungsaktionen, d. h. Abschiebungen von Personen aus Drittstaaten
  • die enge Zusammenarbeit mit EU-Partnern wie Europol und CEPOL
  • die Koordination der Kooperation mit den Sicherheitsbehörden aus Drittstaaten[19]

Ein Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission sieht vor, die an einem Seeeinsatz beteiligten Einsatzkräfte ausdrücklich zu verpflichten, während des Einsatzes jedem in Seenot befindlichen Schiff und jeder in Seenot befindlichen Person Hilfe zu leisten.[20][21]

Am 16. April 2014 stimmte das Europäische Parlament über die Seeaußengrenzenverordnung ab. Diese bezieht sich auf die neue Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) und regelt den Umgang von Frontex mit Flüchtlings­booten unter Durchführung vorverlagerter Grenzkontrollen auf See. Zugleich ist klargestellt, dass Frontex die Pflicht zur Seenotrettung hat und Einwandererboote nicht mehr abdrängen oder zur Umkehr aufs offene Meer zwingen darf (siehe auch Asylpolitik der Europäischen Union und Einwanderung über das Mittelmeer in die EU) Die Richtlinie legt das Ausschiffen in bestimmte Transitländer fest und verbietet das Ausschiffen in solche Länder, wo den Aufgegriffenen oder Geretteten eine Gefahr für Leben oder Freiheit droht.[22][23][24][25]

Finanzierung und Ressourcen

Gemäß ihrem ergänzten Budget 2015 hatte die Agentur im Berichtsjahr insgesamt 336 Mitarbeiter. Zusätzlich konnte sie über 78 aus Teilnehmerstaaten abgeordnete Mitarbeiter verfügen.[26]

Für Einsätze setzt die Agentur auf das Konzept sogenannter Rapid Border Intervention Teams (RABIT), Einheiten, die in Ausnahmesituationen und dringenden Fällen für einen begrenzten Zeitraum eingesetzt werden. Die hierfür benötigte technische Ausrüstung wird bei Bedarf über einen extra hierfür geschaffenen Katalog, den Centralised Record of Available Technical Equipment (CRATE) bereitgestellt.[27]

Das Frontex-Budget setzt sich aus Beiträgen der Schengen-Mitgliedstaaten sowie in einzelnen Jahren Beiträgen Norwegens, Islands, Irlands und dem Vereinigten Königreich zusammen. 2005 verfügte die Agentur über 6,2 Millionen Euro, 2006 über 19,2 Millionen Euro, 2007 über 22,2 Millionen Euro und 2008 über 70 Millionen Euro zuzüglich eines Reserve-Budgets von 13 Millionen Euro.[28] Für 2009 bis 2011 liegt das Budget jährlich bei ca. 88 Millionen Euro.[29]

Frontex verfügte um 2009 zur Erfüllung ihrer Aufgaben über 20 Flugzeuge, 25 Hubschrauber und 100 Boote.[30]

Im Februar 2011 beklagte die Agentur, dass sie an der griechisch-türkischen Grenze stark ausgelastet sei, da die Zahlen der illegalen Grenzübertritte auf 100 bis 250 pro Tag angestiegen sei. Es sei mehr Equipment und finanzielle Unterstützung notwendig, um die europäischen Grenzen zu sichern. Es sei auch wichtig, die Länder im Mittleren Osten und Nordafrika demokratisch zu stärken. Laitinen sagte, wenn die Menschen es schaffen wollen, die Grenze zu überqueren, werden sie es tun. „Wir können sie nicht erschießen.“[31]

Das EU-Parlament in Straßburg hat am 13. September 2011 mit großer Mehrheit mehr Befugnisse für die europäische Grenzschutzagentur Frontex befürwortet. Die Agentur kann nun eigene Grenzschützer anfordern sowie eigene Ausrüstungen wie Hubschrauber und Fahrzeuge anschaffen. Damit ist sie nicht mehr so stark von den Zuweisungen der EU-Länder abhängig. Zudem soll ein Menschenrechtsbeauftragter künftig bei Einsätzen darauf achten, dass die Grundrechte eingehalten werden.[32]

Geschichte der Frontex-Einsätze

Operationen

Frontex hat mehrere Einsatzgebiete, in denen Operationen meist mit gleichlautenden Codewörtern beschrieben werden:[33]

  • Poseidon/Poseidon Land: östliches Mittelmeer, v. a. Griechenland, Bulgarien[34][35]
  • Hera: Kanarische Inseln/Küste Westafrikas
Am 11. August 2006 begann ein Frontex-Einsatz zur Überwachung der Kanarischen Inseln („Operation Hera II“).[36] 2006 landeten hier rund 31.000 Flüchtlinge auf überfüllten Booten. Das sind fast genauso viele wie in den vier Jahren zuvor. Die meisten kommen aus Senegal, Mali, Mauretanien, Gambia und Niger. Ihre Boote starten meist von der senegalesischen Küste, etwa 1300 Kilometer entfernt von den Inseln. Dies ist wohl eine Reaktion auf die Sperrung der nordafrikanischen Enklaven Ceuta und Melilla; dort verhindern abermals höher gezogene Stacheldrahtzäune ein Durchkommen.
  • Nautilus: Mittelmeer zwischen Nordafrika und Malta/Süd-Italien
  • Amazon: internationale Flughäfen, Kontrolle von Immigranten aus Lateinamerika[37]
  • Hermes 2011: Einsatz auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa
Bei den ersten Frontex-Vertretern der Mission Hermes 2011 handelt es sich um „Screener“ und „Debriefer“: Das sind Mitarbeiter aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten, die die Bootsflüchtlinge auf Lampedusa identifizieren und befragen sollen – unter anderem über die Transportwege. Derartige Spezialisten stammen meist aus dem Grenzschutz der am Einsatz beteiligten Länder.[38]
  • RABIT Operation: November 2010 bis Februar 2011, Grenze von Nord-Griechenland zur Türkei
Die RABIT-Operation wurde im März 2011 durch die Mission Poseidon 2011 Joint Operation ersetzt und arbeitet im Evros-Gebiet.[39]
  • Eurocup 12: im Zuge der Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine[40]
  • Xenios – Zeus
  • Aspida – Schild: griechisch-türkische Grenze, August 2012 bis April 2013.
  • Poseidon Land und Sea: griechisch- und bulgarisch-türkische Grenze und Seeweg von der Westtürkei und Ägypten nach Griechenland und Italien, 2013[41]
  • Neptune: Ab Juni/Juli 2013 in Ungarn und Kroatien[42] (Folgekonferenz November 2013 in Wien, 1. Westbalkan-Konferenz)
  • Triton – gilt als Nachfolger der italienischen Seenotrettungsmission Mare Nostrum. In Folge des 10-Punkte-Plans zur Migration, den die EU am 20. April 2015 beschloss, wurde das Budget dieser Mission zusammen mit dem der Operation Poseidon auf 9 Millionen Euro angehoben. Das gemeinsame Budget der beiden Operationen ist nun etwa auf der Höhe dessen von Mare Nostrum.[43]
  • Themis löste am 1. Februar 2018 Triton ab.[44]

Frontex organisierte und finanzierte eine europäische Sammelabschiebung am 3. Juni 2009 von Wien nach Nigeria, und eine weitere (deutsch-polnische) Massenabschiebung am 8. Juni 2009 von Berlin nach Hanoi (Vietnam).[45][46]

Im Oktober 2010 teilte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström mit, dass bis zu 90 % der illegalen Einwanderer die EU über Griechenland erreichen. Athen forderte Grenzschützer der EU-Agentur Frontex an. Mit ihrer langen Küstenlinie und den zahlreichen Inseln ist die griechische Grenze schwer zu kontrollieren. Das Problem ist bislang (Stand März 2012) nicht eingedämmt. Im März 2012 forderten Deutschland, Österreich und fünf weitere EU-Länder von Griechenland einen besseren Grenzschutz, um die illegale Einreise von Flüchtlingen zu stoppen.[47]

An der bulgarischen Grenze zur Türkei, in Swilengrad, arbeiteten 2011 bereits Experten von Frontex aus Belgien, den Niederlanden, Rumänien, Deutschland und Österreich mit der bulgarischen Grenzpolizei zusammen.[48][49]

Griechische und türkische Grenztruppen sind mit Frontex als „Endnutzer“ an einem EU-Forschungsprojekt zur Entwicklung von Überwachungsrobotern beteiligt. Entwickelt werden autonome Landroboter mit Überwachungskameras, die Fahrzeuge, Personen zbd „gefährliche Substanzen“ aufspüren sollen. Um die Gefangenen unterbringen zu können, kündigte die Regierung in Athen den Neubau von 30 Abschiebegefängnissen an.[50]

Frontex unterzeichnete im Juni 2012 ein Abkommen mit Ankara, das die Zusammenarbeit intensivieren soll. Im Gegenzug sollen Türken EU-Visaerleichterungen erhalten.[51]

Vorfälle

Flüchtlinge aus dem Senegal beschrieben in Report Mainz, gesendet am 5. Oktober 2009, wie ihr Boot auf See aufgebracht wurde: „Wir hatten nur noch drei Tage zu fahren, da hat uns ein Polizeischiff aufgehalten. Sie wollten uns kein Wasser geben. Sie haben gedroht, unser Boot zu zerstören, wenn wir nicht sofort umkehren. Wir waren fast verdurstet und hatten auch Leichen an Bord. Trotzdem mussten wir zurück nach Senegal.“ Amnesty International, Pro Asyl und der Evangelische Entwicklungsdienst bestätigen auf Anfrage von Report Mainz übereinstimmend solche Berichte.[52]

In mehreren türkischen Medien wurde gemutmaßt, am 25. August 2011 sei es zu einem möglichen Schusswaffengebrauch von Grenzschutzbeamten im Rahmen der Frontex-Operation „Poseidon Land“ gegenüber Migranten an der türkisch-griechischen Landgrenze gekommen. Eine Gruppe von Migranten hätte versucht, mit Schlauchbooten den Evros (Meriç) zwischen der Türkei und Griechenland zu überqueren, als laut den Meldungen von griechischer Seite das Feuer auf die Boote eröffnet worden sei. Auf Anfrage war der deutschen Bundesregierung auch nach Verbindungsaufnahme mit Angehörigen der Bundespolizei vor Ort sowie mit den national zuständigen Behörden jedoch nichts bekannt.[53]

Am 1. März 2012 sollen Schleuser in der Nacht am griechisch-türkischen Grenzfluss Evros nach Bedrohung das Feuer auf Beamte von Frontex eröffnet haben. Die Beamten hätten darauf angeblich das Feuer erwidert, berichtete die Polizei dem Staatsrundfunk zufolge. Dabei seien zwei Menschen verletzt worden. Unter ihnen sollen ein mutmaßlicher Schleuser und ein Migrant sein. Bereits im Mai vergangenen Jahres war es zu einem ähnlichen Zwischenfall gekommen.[54]

Im August 2016 wurde in The Intercept ein Artikel mit Frontex-Dokumenten veröffentlicht; demnach schossen im März 2014 Beamte der griechischen Küstenwache in der Ägäis auf ein schnelles Schmugglerboot, das trotz mehrfacher Aufforderung nicht gestoppt hatte. Insgesamt wurden später 16 Löcher im Boot festgestellt.[55]

Menschenrechtsverletzungen

Im Oktober 2013 gab Frontex-Direktor Ilkka Laitinen zu, dass Frontex jährlich mehrmals Flüchtlingsboote im Mittelmeer abgedrängt und Flüchtlinge auch unter Androhung von Gewalt ohne Asylprüfungsverfahren abgeschoben hatte. Die dieser Praxis zugrunde liegende EU-Verordnung hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits 2012 als Menschenrechtsverletzung verurteilt und für nichtig erklärt. Laitinen erklärte, diese „Push-back-Aktionen“ seien nicht akzeptabel, jedoch wiesen die Statistiken fünf- bis zehnmal jährlich solche Fälle nach, in denen einem solchen Verdacht nachgegangen werden müsse.[56][57]

Kritik

Demonstration gegen Frontex vor dem Hauptsitz in Warschau, 2008

Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen kritisieren Frontex in Zusammenhang mit militärischen Flüchtlings-Abwehrmaßnahmen in der Mittelmeer-Region.[58] Dabei kommt ein Rechtsgutachten des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) zu dem Schluss, dass die EU-Grenzschützer auch außerhalb der Territorien der EU-Staaten – also etwa auch auf Hoher See jenseits der 12-Meilen-Zone – an Flüchtlings- und Menschenrechte gebunden sind.[59] Mitten auf dem Meer aufgegriffene Flüchtlinge haben demzufolge das Recht, einen Asylantrag zu stellen. Sie dürfen auch nicht zurückgeschoben werden, wenn ihnen möglicherweise Verfolgung oder Misshandlung droht. Um Flüchtlinge nicht bis zur Mittelmeerküste gelangen zu lassen, wird auch die Einrichtung von Lagern in entlegenen Wüstengebieten durch Frontex unterstützt. Hierzu zählen in Libyen die Kufra-Oasen[60] und Sabha.[61]

Im November 2013 wurde der Agentur von ProAsyl vorgeworfen, direkt an „Push-Backs“ von Griechenland in die Türkei beteiligt zu sein.[62]

Im Dezember 2014 hatte Frontex nach dem Zwischenfall mit dem Frachter Blue Sky M behauptet, die Flüchtlinge auf dem Schiff seien von Schleppern im Stich gelassen worden. Berichte, wonach das Schiff am 30. Dezember 2014 führerlos vor der Küste von Korfu getrieben haben soll, erwiesen sich jedoch als falsch. Zwar waren Flüchtlinge an Bord, jedoch bestand zu keinem Zeitpunkt für diese Lebensgefahr. Die fingierte SOS-Meldung, mit der italienische Retter an Bord gerufen wurden, hatte nichts mit dem Zustand von Schiff und Besatzung zu tun.[63][64][65][66]

Im April 2015 wurde Frontex-Direktor Klaus Rösler in Berlin mit einem Marmeladenbeutel beworfen.[67] Den Ort zu seinem Vortrag Frontex: Wie funktioniert die europäische Grenzsicherung? konnte er nur mit Polizeisicherung erreichen.[68]

Siehe auch

Literatur

  • Simon Neumann: Die Europäische Grenzschutzagentur Frontex. Integrierter Außenschutz und humanitäre Standards. Duncker & Humblot, Berlin 2014, ISBN 978-3-428-14283-5.
  • Andrew W. Neal: Securitization and Risk at the EU Border: The Origins of FRONTEX. In: Journal of Common Market Studies, 2009, S. 333–356.
  • Informationsstelle Militarisierung (Hrsg.): Frontex – Widersprüche im erweiterten Grenzraum (= Materialien gegen den Krieg, Repression und für andere Verhältnisse. Bd. 7). Tübingen 2009 (PDF; 1 MB).
  • Andreas Fischer-Lescano, Timo Tohidipur: Europäisches Grenzkontrollregime. Rechtsrahmen der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX. In: ZaöRV. 2007, S. 1219–1276.
  • Mark Holzberger: Europols kleine Schwester. Die Europäische Grenzschutzagentur „FRONTEX“. In: Bürgerrechte & Polizei/CILIP, Nr. 84 (2/2006), August 2006, S. 56–63 (online).

Einzelnachweise

  1. Frontex Agency to Move into Warsaw Spire. In: The Warsaw Voice. 23. Dezember 2012, abgerufen am 21. Oktober 2015.
  2. a b Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates vom 26. Oktober 2004 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (PDF)Fehler bei Vorlage * Parametername unbekannt (Vorlage:EU-Verordnung): "zugriff; dateigröße". In: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften.
  3. Gunter Hauser: Frontex und die Festung Europa. In: Thomas Roithner (Hrsg.): Krieg im Abseits (= Dialog. Bd. 60). Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung. Lit, Münster 2011, ISBN 978-3-643-50199-8, S. 212.
  4. Petra Mayrhofer: „Festung Europa“? Grenzikonografien im europäischen Raum. In: Benjamin Drechsel u. a. (Hrsg.): Bilder von Europa (= Europäische Horizonte. Bd. 6). Transcript, Bielefeld 2010, ISBN 978-3-8376-1458-9, S. 312.
  5. Rosalie Möllers: Wirksamkeit und Effektivität der Europäischen Agentur FRONTEX. Verlag für Polizeiwissenschaft, Frankfurt am Main 2010.
  6. Stock, In: Gunter Widmaier (Hrsg.): Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung. 1. Auflage. 2006, ISBN 3-406-54531-9, § 83 Rn. 74.
  7. Wolfgang Kilb: Europäische Agenturen und ihr Personal – die großen Unbekannten? In: EuZW. 2006, 268, 271.
  8. Europäische Gemeinschaft: Verordnung (EU) Nr. 1168/2011 des Europäischen Parlaments und de Rates vom 25. Oktober 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (PDF)Fehler bei Vorlage * Parametername unbekannt (Vorlage:EU-Verordnung): "zugriff". In: Amtsblatt, L 304, S. 1–17.
  9. http://frontex.europa.eu/about-frontex/origin/
  10. Der Mann, der uns abschottet, in: Die Zeit, 12. Februar 2015, S. 28.
  11. State of the Union Address 2015 by Jean-Claude Juncker. (Video) Europäische Kommission, 9. September 2015, abgerufen am 11. September 2015.
  12. Verstärkte „Frontex“-Behörde soll Grenzen sichern, Deutsche Welle, 6. Oktober 2016
  13. Stock, In: Gunter Widmaier (Hrsg.): MAH Strafverteidigung. § 83 Rn. 75.
  14. Bundespolizei kompakt 1-2009, S. 20, ISSN 0302-9468.
  15. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat. EU-Strategie der inneren Sicherheit, KOM(2010) 673 vom 22. November 2010 (PDF), abgerufen am 13. Januar 2014.
  16. Vgl. Reinhard Priebe: Europäische Kommission: EU-Strategie für die Innere Sicherheit. In: EuZW. 2011, 2, 3.
  17. Fischer-Lescano / Tohidipur, ZaöRV 2007, 1219, 1229f.
  18. Frontex – FAQ (Memento vom 20. November 2006 im Internet Archive)
  19. Frontex – Tasks (Memento vom 20. November 2006 im Internet Archive)
  20. Artikel 9(1), Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Regelungen für die Überwachung der Seeaußengrenzen im Rahmen der von der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union koordinierten operativen Zusammenarbeit /* COM/2013/0197 final – 2013/0106 (COD) */
  21. Javier Cáceres: EU-Kommission und Länder streiten über Seenotrettung. In: sueddeutsche.de. 18. Oktober 2013, abgerufen am 25. Oktober 2013.
  22. Protokoll Mittwoch, 16. April 2014 – Straßburg, Vorläufige Ausgabe, 7.22. Überwachung der Seeaußengrenzen (Abstimmung). Europäisches Parlament, 16. April 2014, abgerufen am 27. April 2014.
  23. Bendel: Ausschiffen von Flüchtlingen verletzt ihr Recht auf Asyl. In: Deutsche Welle. 15. April 2014, abgerufen am 27. April 2014.
  24. EU-Grenzschutz. Kein Push-Back: Strengere Regeln für Frontex. In: Wiener Zeitung. 17. April 2014, abgerufen am 27. April 2014.
  25. Kommentar: Frontex im Mittelmeer. Kein Asyl auf Hoher See. In: taz.de. 2. April 2014, abgerufen am 27. April 2014.
  26. Frontex Amended Budget 2015 N3 – 06.11.2015 (Memento vom 18. Dezember 2016 im Internet Archive)
  27. Frontex – Facts and Myths (Memento vom 22. Juni 2007 im Internet Archive) 11. Juni 2007.
  28. Vgl. o. V.: Europäisches Parlament beschließt Haushalt 2008. EuZW 2008, 37.
  29. Frontex – Budget
  30. Albert Scherr: Innere Sicherheit und soziale Unsicherheit. Sicherheitsdiskurse als projektive Bearbeitung gesellschaftsstrukturell bedingter Ängste? In: Axel Groenemeyer (Hrsg.): Wege der Sicherheitsgesellschaft. Gesellschaftliche Transformationen der Konstruktion und Regulierung innerer Unsicherheiten. 1. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-531-17798-4, S. 29.
  31. Christoph Schult: 'The Situation is Escalating': Europe’s Frontex Border Guard Stretched to Limit. auf: spiegel.de, 21. Februar 2011.
  32. EU-Parlament stärkt Agentur Frontex – Mehr Personal soll Europas Grenzen besser schützen, in: tagesschau.de, abgerufen am 13. September 2011.
  33. Kasparek, Bernd; Wagner, Fabian (2012): Local Border Regimes or a Homogeneous External Border? The Case of the European Union’s Border (Memento vom 8. Oktober 2013 im Internet Archive) (PDF; 1,9 MB), in: IMIS-Beiträge 40/2012, S. 173–190.
  34. Webseite des bulgarischen Innenministeriums: Abteilung Grenzpolizei Minister Tsvetanov: Konzentrieren Sie sich auf den Schmuggel an der grüne Grenze, nsgp.mvr.bg vom 22. Dezember 2011.
  35. Antwort der Bundesregierung (18/1446) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/1292), dip21.bundestag.de vom 3. Juni 2014.
  36. Sicco Rah: Asylsuchende und Migranten auf See. Staatliche Rechte und Pflichten aus völkerrechtlicher Sicht. Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009, ISBN 978-3-540-92930-7, S. 239f.
  37. Frontex – Jahresbericht 2006 (Memento vom 22. Juni 2007 im Internet Archive) (PDF, Englisch)
  38. Troendle, Stefan: Frontex startet Mission „Hermes 2011“, in: tagesschau.de, 20. Februar 2011.
  39. Frontex Press Release März 2011 (Memento vom 6. Mai 2011 im Internet Archive)
  40. Matthias Monroy: Auch die Nato ist beim EM-Eröffnungsspiel in Warschau dabei, heise.de vom 31. Mai 2012.
  41. Poseidon Land; Poseidon Sea, frontex.europa.eu > Archive of operations.
  42. Neptune. frontex.europa.eu > Archive of operations.
  43. Der EU-Zehn Punkte Plan zur Migration. diewunde.blogsport.eu, 5. Mai 2015.
  44. In new EU sea mission, ships not obliged to bring migrants to Italy. Reuters 1. Februar 2018, abgerufen 12. April 2018
  45. Protest gegen Massenabschiebung nach Nigeria. no-racism.net, 3. Juni 2009
  46. Mo 8.6.09 Berlin-SXF: AirBerlin/FRONTEX Massenabschiebung nach Vietnam. (Memento des Originals vom 9. Juni 2009 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.fluechtlingsrat-berlin.de Flüchtlingsrat Berlin.
  47. Europa drängt Griechen zu besserem Grenzschutz. auf: spiegel.de, 8. März 2012.
  48. Ivan Dikov: Frontex Spokesperson Michal Parzyszek: Ties with Turkey, Border Control Investments Help Bulgaria Tackle Illegal Migration. In: novinite.com, 27. Mai 2011.
  49. Tobias Klaus, Mathias Fiedler: Wenn du hier wohnst, wirst du ein trauriger Mann. In: Hinterland Magazin. 20. Juli 2012.
  50. Matthias Monroy: Panzergraben, Grenzzaun, Wachroboter und mehr deutsche Polizei. In: heise.de, 15. Mai 2012.
  51. Jürgen Gottschlich: Aufmarsch in der Türkei. In: taz.de, 3. Juni 2012.
  52. EU treibt Tausende Bootsflüchtlinge zurück nach Afrika, Report Mainz, abgerufen am 4. März 2012.
  53. Schriftliche Fragen: Mit den in der Woche vom 5. September 2011 eingegangenen Antworten der Bundesregierung, dipbt.bundestag.de (PDF; 3,1 MB), abgerufen am 4. März 2012.
  54. Zwischenfall an Grenze Griechenland-Türkei: Schleuser schießen auf Frontex-Beamte, Focus, abgerufen am 4. März 2012.
  55. Zach CampbellZach Campbell2016-08-22T14:24:44+00:00: Coast Guard Fired at Migrant Boats, European Border Agency Documents Show. In: The Intercept. Abgerufen am 9. Oktober 2016.
  56. Frontex gibt Menschenrechtsverletzungen zu, Deutschlandradio, abgerufen am 17. Oktober 2013.
  57. Stefan Stuchlick: Abgedrängt von Europas Grenzschützern. (Memento vom 17. Oktober 2013 im Internet Archive) In: tagesschau.de, 17. Oktober 2013.
  58. Warum die Kampagne „Stoppt das Sterben“? Pro Asyl
  59. Rechtsgutachten des ECCHR (Memento vom 22. Oktober 2013 im Internet Archive)
  60. Dirk Godenau u. a. (Hrsg.): Immigration Flows and the Management of EU’s Southern Maritime Borders. CIDOB editions, Dezember 2008, S. 55. (Memento vom 10. April 2011 im Internet Archive) (englisch)
  61. Global Detention Project: Libya Detention Profile (englisch). Informationen basierend auf Berichten von Human Rights Watch und Fortress Europe (italienisch), abgerufen am 1. April 2011.
  62. Völkerrechtswidrige Push Backs – europäische Komplizenschaft, Pro Asyl vom 7. November 2013.
  63. Flüchtlingsschiff: Wie Frontex die Wahrheit verdreht. In: Panorama, 19. Februar 2015.
  64. Italienische Soldaten entern Frachter mit Hunderten Flüchtlingen. In: Die Zeit, 30. Dezember 2014.
  65. Frontex-PR: Falsche Fakten zu „Geisterschiffen“. (Memento des Originals vom 19. Februar 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ardmediathek.de In: Zapp, 18. Februar 2015.
  66. Flüchtlingsschiff: Wie Frontex die Wahrheit verdreht. In: Panorama, 19. Februar 2015.
  67. Frontex-Direktor in Berlin mit Marmelade beworfen. In: Focus, 23. April 2015.
  68. Attacke auf Frontex-Operationsleiter Rösler in Berlin. In: Publikation.org, 23. April 2015.

Koordinaten: 52° 13′ 57,5″ N, 20° 59′ 55,4″ O