Rippenquallen
Rippenquallen | ||||||||||||
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Die Rippenquallen (Ctenophora) sind ein klassisch mit den Nesseltieren (Cnidaria) zu den Hohltieren (Coelenterata) zusammengefaßter Tierstamm. Auch wenn sie oberflächlich betrachtet wie Quallen aussehen, gelten sie zoologisch nicht als echte Quallen, nicht zuletzt weil ihnen die für diese charakteristischen Nesselzellen fehlen. Die etwa 100 Arten der Rippenquallen sind weltweit in den Ozeanen verbreitet. Dabei können einige Arten wie etwa die auch in der Nordsee heimische Seestachelbeere (Pleurobrachia pileus) in solchen Massen auftreten, dass sie als unerwünschter Beifang die Fischernetze der Küstenfischer verstopfen, einige Arten sind dagegen nur in wenigen Exemplaren bekannt.
Aufbau
Rippenquallen sind, von einer durch symbiontisch lebende Algenzellen hervorgerufenen Färbung abgesehen, in der Regel farblos und werden oft nur einige Zentimeter groß. Ausnahmen sind etwa die Arten der Gattung Cestum, die einen Durchmesser von einem Meter erreichen können.
Sie sind ausnahmslos beinahe radialsymmetrisch gebaut. Diese Symmetrie wird im oberen Teil der Tiere äußerlich durchbrochen von den beiden Tentakeln, im unteren Bereich durch den Bau des Verdauungsraumes, der in mehrere Kanäle aufgetrennt ist. Die untere Symmetrieebene ist dabei gegenüber der oberen um 90% versetzt, man spricht von einer Disymmetrie oder einem biradialen Bau der Tiere.
Der Körper besteht aus zwei transparenten Zellschichten, die als Außenhaut (Ectodermis) und Innenhaut (Gastrodermis) bezeichnet werden. Letztere umschließt einen Hohlraum, der als Magen dient und nur von der Mundöffnung zugänglich ist. Gefangene Beute wird hier durch starke Verdauungsenzyme zersetzt. Außer zwei kleinen, so genannten Analporen gibt es keinen separaten Ausgang für die unverdaulichen Abfallstoffe.
Der Zwischenraum von Innen- und Außenhaut wird von einer transparenten geleeartigen Schicht, der Mesogloea, eingenommen, die von zahlreichen kleinen Kanälchen durchzogen ist, die dem Transport und der Speicherung der aufgenommenen Nährstoffe dienen. Auch für den Auftrieb der Tiere spielt die Mesogloea vermutlich eine Rolle. Ein spezielles Kreislaufsystem gibt es bei den Rippenquallen nicht, auch für die Atmung gibt es keine besonderen Organe; der Gasaustausch erfolgt über die gesamte Körperoberfläche hinweg durch einfache Diffusion. Den Körper durchzieht ein einfaches Nervennetz ohne "Gehirn", das mit den in der Mesogloea befindlichen Muskelzellen verbunden ist.
Ein weiteres spezialisiertes System der Rippenquallen ist die Statocyste, die als Gleichgewichtsorgan dient. Sie befindet sich auf der der Mundöffnung abgewandten Körperseite und besteht aus einer als Statolith bezeichneten Ansammlung von einigen hundert Kalkzellen einerseits und vier horizontal angeordneten Gruppen von schlangenförmigen Geißeln andererseits. Verändert die Rippenqualle durch äußere Einflüsse ihre Lage im Raum, so übt der Statolith auf eine der vier Geißelgruppen stärkeren Druck aus als auf die drei anderen. Dieser Sinneseindruck wird auf die Außenhaut weitergeleitet, die von insgesamt acht längsseitigen Bändern, den namensgebenden Rippen durchzogen ist. Auf diesen Bändern befinden sich kleine Plättchen, die aus Hunderten miteinander verschmolzener Geißeln bestehen und auch als Membranellen bezeichnet werden. Durch reihenweise Aufrichtung dieser Plättchen kommt es zu einem regelrechten Ruderschlag, der wenn er zwischen den acht Rippen richtig synchronisiert ist, die ursprüngliche Lage wieder herstellen kann.
Bei den meisten Arten finden sich vor der Mundöffnung zwei einander gegenüberstehende einziehbare Tentakel, die dem Fang von Beutetieren dienen. Diese sind anders als bei den Nesseltieren nicht mit Nessel-, sondern mit so genannten "Lassozellen", den Colloblasten besetzt. Sie bestehen aus einem mit kleinen Klebekörperchen übersäten Kopf, einem kurzen schlanken Haltefaden und einem längeren darumgewundenen Spiralfaden. Bei Berührung wirkt diese Konstruktion wie eine Sprungfeder, die den Klebekopf auf die Beute schleudert. Die Colloblasten werden wie auch die Tentakel als ganzes regelmäßig regeneriert.
Nicht alle Arten verfügen über Tentakel. Manche setzen stattdessen ihre muskeldurchzogenen Mundlappen zur Nahrungsbeschaffung ein, die dann einfach über ihre Beute gestülpt werden.
Fortbewegung
Viele Rippenquallen lassen sich einfach von Meeresströmungen treiben. Auf kurze Distanz können sie aber auch durch den Ruderschlag ihrer Geißelplättchen aktiv schwimmen und zwar je nach "Ruderrichtung" in bezug auf die Mundöffnung vorwärts oder rückwärts. Manche Arten setzen zusätzlich die Muskelzellen ihrer Mundlappen zum Schwimmen ein, andere bewegen sich durch wellenförmige Körperbewegungen voran.
Ernährung
Rippenquallen leben räuberisch. Durch ihre Tentakel fangen sie Plankton, Tierlarven, Würmer, Krebse, Nesseltiere und andere Rippenquallen, aber zuweilen auch kleine Fische. Sind die Tentakel mit Nahrungspartikeln beladen, können sie eingezogen und an der Mundöffnung abgestreift werden. Durch abgesonderten Schleim oder innere Geißeln werden sie von dort in den Magen befördert.
Wie eine ganze Reihe von Nesseltieren leben auch die Rippenquallen zuweilen mit diversen Algen, die sie durch Photosynthese mit energiereichen Kohlenhydraten versorgen, in einer symbiotischen Beziehung zusammen. Parasitismus scheint nur bei einer einzigen Art, Lampea pancerina vorzukommen, die in Manteltieren (Tunicata) schmarotzt.
Lebensraum
Alle Rippenquallen leben im Meer, manche davon in mehreren Kilometern Tiefe. Ihr Verbreitungsgebiet wird in erster Linie durch Wasserströmungen bestimmt, insbesondere durch die Gezeiten. Auch in der Nordsee kommen einzelne Arten vor, so z. B. die so genannte Seestachelbeere (Pleurobrachia pileus) oder die Melonenqualle (Beroe gracilis).
Fortpflanzung

Rippenquallen vermehren sich fast immer auf geschlechtliche Weise. Als Zwitter besitzt jedes Tier sowohl männliche (Hoden) als auch weibliche Keimdrüsen (Ovarien), die sich direkt unter den "Rippen" neben den kleinen Kanälchen der Mesoglea befinden. Bei fast allen Arten werden die Keimzellen durch kleine Öffnungen in der Außenhaut, die Gonoporen an das umgebende Wasser abgegeben, wo dann auch die Befruchtung stattfindet. Eine einzige Art, Tjalfiella tristoma, ist lebendgebährend, die Jungtiere wachsen hier in einer eigenen Bruthöhle heran.
Die befruchteten Eizellen entwickeln sich über ein bereits freischwimmendes so genanntes Cydippea-Stadium, das manchmal als Larve bezeichnet wird, in Wirklichkeit aber bereits eine Miniaturversion des erwachsenen Tieres darstellt.
Stammesgeschichte
Der weiche Körper der Rippenquallen, der von keinerlei Hartteilen bedeckt ist, macht eine Fossilisierung im Allgemeinen sehr unwahrscheinlich, so dass die Stammesgeschichte der Rippenquallen fossil sehr schlecht dokumentiert ist. Einzelfunde sind aus dem Zeitalter des Devon bekannt; in feinkörnigem Schiefergestein haben sich hier genug Details erhalten, um eine Identifikation zu ermöglichen. Die aus der Chengjiang-Fauna des unteren Kambriums bekannte Art Matianoascus octonarius ist in ihrer Zugehörigkeit zu den Rippenquallen umstritten.
Systematik
Einordnung der Rippenquallen
Die in der Einleitung angeführte Klassifikation ist nicht unumstritten. Nach der zur Zeit führenden systematischen Methode, der Kladistik, sind die Rippenquallen enger mit den spiegelsymmetrisch aufgebauten Bilateria als mit den Nesseltieren verwandt. Dafür spricht auch, dass sie über zwei einander gegenüberstehende Tentakel verfügen, welche die Radialsymmetrie durchbrechen und zu einer Bilateral- oder Spiegelsymmetrie machen. Von den Nesseltieren unterscheidet sie zudem das Vorhandensein echten Muskelgewebes und die beschriebenen, aus hunderten kleiner Plättchen bestehenden, "Rippen". Ein wichtiges Indiz für das Schwesterngruppenverhältnis der Rippenquallen mit den Bilateriern ist ausserdem der Aufbau der Spermien. Diese besitzen bei beiden Gruppen ein einzelnes, großes Akrosom und eine darunterliegende subakrosomale Perforationsplatte. Bei den Nesseltieren liegen mehrere Akrosomalbläschen vor.
Aus disem Grunde stehet der "klassischen" Gruppierung der Hohltiere das alternative Taxon der Akrosomata gegenüber:
Alternative 1: Hohltiere (Coelenterata)
--- Gewebetiere (Eumetazoa) |-- Bilateria |-- Hohltiere (Coelenterata) |-- Nesseltiere (Cnidaria) |-- Rippenquallen (Ctenophora)
Alternative 2: Akrosomata
--- Gewebetiere (Eumetazoa) |-- Nesseltiere (Cnidaria) |-- Hohltiere (Coelenterata) |-- Bilateria |-- Rippenquallen (Ctenophora)
Interne Systematik
Derzeit sind etwa hundert Arten bekannt, die sich auf die beiden Klassen der Tentaculata (auch Tentaculifera) und Nuda (auch Atentaculata) aufteilen. Wie die Namen bereits andeuten, finden sich in den Tentaculata die Arten, welche Tentakeln tragen und in den Nuda jene, welche keine Tentakeln besitzen.
Klasse: Tentaculata
- Ordnung Cydippida, u. a. mit der Seestachelbeere (Pleurobrachia pileus)
- Ordnung Platyctenida
- Ordnung Ganeshida (auch Tjalfiellida)
- Ordnung Thalassocalycida
- Ordnung Lobata
- Ordnung Cestida, u. a. mit dem Venusgürtel (Cestum veneris)
Klasse: Nuda
- Ordnung Beroida, u. a. mit der Melonenqualle (Beroe gracilis)
Literatur
- D. T. Anderson, Invertebrate Zoology, 2nd Ed., Oxford Univ. Press, 2001, Kap. 3, S. 54, ISBN 0195513681
- R. S. K. Barnes, P. Calow, P. J. W. Olive, D. W. Golding, J. I. Spicer, The invertebrates - a synthesis, 3rd ed., Blackwell, 2001, Kap. 3.4.3, S. 63, ISBN 0-632-04761-5
- R. C. Brusca, G. J. Brusca, Invertebrates, 2nd Ed., Sinauer Associates, 2003, Kap. 9, S. 269, ISBN 0878930973
- J. Moore, An Introduction to the Invertebrates, Cambridge Univ. Press, 2001, Kap. 5.4, S. 65, ISBN 0521779146
- E. E. Ruppert, R. S. Fox, R. P. Barnes, Invertebrate Zoology - A functional evolutionary approach, Brooks/Cole 2004, Kap. 8, S. 181, ISBN 0030259827
- W. Schäfer, Ctenophora, Rippenquallen, in W. Westheide und R. Rieger: Spezielle Zoologie Band 1, Gustav Fischer Verlag Stuttgart 1996
- Bruno Wenzel, Glastiere des Meeres. Rippenquallen (Acnidaria), 1958, ISBN 3740301899
Wissenschaftliche Literatur
- G. D. Stanley, W. Stürmer, The first fossil ctenophore from the lower devonian of West Germany, Nature 303, 1983, S. 518
- M. Q. Martindale, J. Q. Henry, Ctenophora, in S. F. Gilbert, A. M. Raunio, Embryology: Constructing the Organism, Sinauer, 1997, S. 87
- M. Podar, S. H. D. Haddock, M. L. Sogin, G. R. Harbison, A molecular phylogenetic framework for the phylum Ctenophora using 18S rRNA genes, Molecular Phylogenetics and Evolution, 21, 2001, S. 218
Weblinks
- Ctenophora-Seite der Washington State University (auf Englisch)