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Stephanuskirche (Kastron Mefaa)

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Altarraum und östliches Mittelschiff der Stephanuskirche. Links außen beginnt die Reihe der Städtevignetten mit Jerusalem, rechts außen – gut erkennbar an der Säule – mit Kastron Mefa’a, „ranggleich mit Jerusalem“[1]

Die Stephanuskirche von Kastron Mefa’a war Teil eines byzantinischen Kirchenkomplexes im heutigen Umm er-Rasas in Jordanien. Die Ausgrabungen in Umm er-Rasas dauerten von 1986 bis 2006; der antike Ortsname Kastron Mefaa ist durch vier Inschriften auf Mosaikfußböden in Kirchen dieser Siedlung gesichert.[2] Kastron Mefa’a wird sowohl im Onomastikon des Eusebius als auch in den Notitia Dignitatum erwähnt.

Es war typisch für Kastron Mefa’a, dass die Kirchen in der Mitte einer Gebäudegruppe lagen, zu der beispielsweise Weinpressen gehörten. Das deutet darauf hin, dass sie mit Klöstern verbunden waren.[2]

Ikonoklasmus

Kastron Mefa’a besaß bis in die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts eine florierende christliche Gemeinde, das zur Diözese von Madaba gehörte. Während einiges für stabile Lebensverhältnisse spricht, wurden zur gleichen Zeit die Mosaiken in den Kirchen von Ikonoklasten beschädigt. Der Grund hierfür wird oft in der Ankunft des Islam in der Region gesehen; es kann aber auch eine Folge von Konflikten innerhalb der christlichen Gemeinde sein.[3] Die Ikonoklasten gingen bei der Zerstörung von Mosaiken in Kastron Mefa’a selektiv vor: Darstellungen von Menschen oder Tieren wurden beseitigt, während Inschriften und Architekturdarstellungen unangetastet blieben. Das erklärt den heutigen Zustand des Bodenmosaiks.

Baubeschreibung

Gemeinsam mit der Sergioskirche, der sogenannten Hofkirche und einer gepflasterten Kapelle bildete die Stephanuskirche „ein liturgisches und klösterliches Ensemble.“[4] Der Gebäudekomplex befindet sich in der Neustadt von Kastron Mefa’a, die im 7./8. Jahrhundert infolge des Bevölkerungswachstums nördlich der Stadtmauern angelegt und ebenfalls befestigt wurde.

Die Stephanuskirche war eine dreischiffige Basilika auf einer Grundfläche von 13,5 × 24 Metern.

Zwei Inschriften in der Stephanus-Basilika sind wahrscheinlich so zu interpretieren, dass die Kirche im Jahr 718 erbaut wurde und im Jahr 756 (also in frühabbassidischer Zeit) mit dem Mosaikfußboden geschmückt wurde, der heute das Hauptinteresse auf sich zieht.

„Unter dem äußerst heiligen Bischof Sergios wurde vollendet das Mosaik des heiligen und berühmten [Heiligtums des] Protodiakons und Protomärtyrers Stephanus, durch den Eifer von Johannes, Sohn des Isakios, Sohn des Lexos, des äußerst gottgeliebten Diakons und Archons der Mefaoniter [und] Oikonomos, und des ganzen christusliebenden Volkes von Kastron Mefa’a, im Monat Oktober, 2. Indiktion, im Jahr der Provinz Arabia 680; und zum gedenken und zur ewigen Ruhe für den christusliebenden Phidos, Sohn des Aias“

Stifterinschrift des Mosaiks[5]

Mosaikfußboden und Städtevignetten

Städte des Westjordanlandes, von oben nach unten: Jerusalem, Neapolis, Sebastis, Kesaria, Diospolis

Der Boden war zur Gänze mit Mosaiken ausgelegt. In den Seitenschiffen und Apsiden gibt es florale und geometrische Mosaiken. Der Mosaikteppich des Mittelschiffs zeigt im Zentrum einen „bewohnten“ Weinstock,[6] dessen einzelne Motive stark zerstört wurden. Um dieses Bildfeld legt sich ein doppelter Rahmen, der gut erhalten ist. Der innere Rahmen zeigt nilotische Szenen, darin eingefügt zehn ägyptische Städtevignetten. Der äußere Rahmen bietet eine Abfolge von Städtevignetten des West- und Ostjordanlandes. Alle sind durch griechische Beischriften identifiziert.

Die Mosaizisten waren geographisch gut informiert: Ausgehend von Jerusalem (Beischrift: Hagia Polis), blickt der Betrachter zunächst nach Norden (Neapolis, Sebastis), und erreicht bei Caesarea (Kesaria) die Küste, dann folgen die Etappenorte auf dem Weg südwärts nach Ägypten: Diospolis, Eleutheropolis, Askalon und Gaza.

Der gegenüberliegende Streifen von Städtevignetten verbleibt im Ostjordanland und geht von Kastron Mefa’a aus, das größer dargestellt ist als Jerusalem. Die Stadtvignette zeigt die zwei Teile der Stadt: das Kastell und die Neustadt, dazwischen eine (nicht mehr existente) Säule. In der sogenannten Kirche der Löwen gibt es eine vergleichbare Darstellung der eigenen Stadt, wobei auf diesem Mosaik des 6. Jahrhunderts die Säule von einem Kreuz bekrönt ist.[7]

Amman (Philadelphia) und Madaba (Midaba), die größte und die zweitgrößte Stadt der Region, werden als Nächstes vorgestellt. Es folgen Heschbon (Esbounta). Ma‘in (Elemounta), Rabba (Aeropolis), Kerak (Charachmoba). Mit Diblaton und Limbon präsentiert das Mosaik zwei unbedeutende Orte. Beide sind aber durch Stifterinschriften mit der Stephanuskirche von Kastron Mefa’a verbunden:[8]

  • Der in der Bibel genannte Ort Diblatajim ist nicht sicher lokalisierbar, befand sich aber in der Nähe des Berges Nebo und damit auch in der Nachbarschaft von Kastron Mefa’a.
  • Der Ortsname Limbon wurde „Limvon“ ausgesprochen und ist wahrscheinlich identisch mit Livias am Fuß des Berges Nebo, einem Nachbarort von Kastron Mefaa.

In der Motivwahl wie auch in der Auswahl der Orte zeigt der Mosaikteppich von Kastron Mefa’a eine auffällige Ähnlichkeit mit der Mosaikkarte von Madaba. Doch werden die einzelnen Städte ganz anders dargestellt. Die Frage, wie realistisch die Details der einzelnen Vignetten sind, wird unterschiedlich beantwortet, doch Skepsis überwiegt. Nach Stephan Westphalen sind die Stadtvignetten eine „Retrospektive auf vergangene Zeiten ... ein später Beleg für die kontinuierliche Wirkung spätantiker Bildvorstellungen von einer Stadt.“[1]

Commons: Stephanuskirche (Kastron Mefaa) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

  • Glenn Warren Bowersock: Mosaics as History. The Near East from Late Antiquity to Islam. Harvard University Press 2006. ISBN 0-674-02292-0.
  • Karen C. Britt: Through a Glass Brightly. Christian Communities in Palestine and Arabia During the Early Islamic Period. In: Gharipour Mohammad (Hrsg.): Sacred Precincts: The Religious Architecture of Non-Muslim Communities across the Islamic world. Brill, Leiden 2015. ISBN 978-90-04-27906-3. S. 259–276.
  • Dirk Kinet: Jordanien. W. Kohlhammer, Stuttgart / Berlin / Köln 1992. ISBN 3-17-010807-7.
  • Johannes Pahlitzsch: Christliche Stiftungen in Syrien und im Irak im 7. und 8. Jahrhundert als ein Element der Kontinuität zwischen Spätantike und Frühislam. In: Astrid Meier, Johannes Pahlitzsch, Lucian Reinfandt (Hrsg.): Islamische Stiftungen zwischen juristischer Norm und sozialer Praxis. Akademie verlag, berlin 2009. ISBN 978-3-05-004612-9. S. 39–54.
  • Stephan Westphalen: „Niedergang oder Wandel?“ – Die spätantiken Städte in Syrien und Palästina aus archäologischer Sicht. In: Jens-Uwe krause (Hrsg.): Die Stadt in der Spätantike: Niedergang oder Wandel? Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2006. ISBN 978-3-515-00810-7. S. 181–198.

Einzelnachweise

  1. a b Stephan Westphalen: Niedergang oder Wandel? S. 182.
  2. a b Karen C. Britt: Through a Glass Brightly. S. 262.
  3. Karen C. Britt: Through a Glass Brightly. S. 260.
  4. Dirk Kinet: Jordanien. S. 112.
  5. Johannes Pahlitzsch: Christliche Stiftungen. S. 48.
  6. Karen C. Britt: Through a Glass Brightly. S. 265.
  7. Glenn Warren Bowersock: Mosaics as History. S. 66–68.
  8. Glenn Warren Bowersock: Mosaics as History. S. 72–73.

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