Jonglieren

Jonglieren ist in erster Linie die Kunst, mehrere Gegenstände wiederholt in die Luft zu werfen und wieder aufzufangen, so dass sich zu jedem Zeitpunkt mindestens einer der Gegenstände in der Luft befindet. Zu den üblichen Gegenständen, mit denen in diesem Sinne jongliert wird, gehören Bälle, gefüllte Stoffbeutel, Ringe, Keulen, Messer, Zigarrenkisten, Fackeln und alles andere, was ein Mensch in die Luft werfen kann. Selbst mit laufenden Kettensägen wird jongliert.
Im weiteren Sinne gehören dazu auch Kontaktjonglagen und andere Kunstformen, bei denen Gegenstände auf ungewöhnliche Weise bewegt werden, wie etwa das Keulen- oder Poischwingen, das Diabolospiel oder auch das Stabdrehen.
Jonglieren ist eine Bewegungskunst und Teil der Artistik und gehört traditionell zu den Darbietungen des Zirkus beziehungsweise des Varietés.
Der Ursprung des Wortes "Jongleur" ist bisher nicht eindeutig geklärt. Eine Vermutung ist, dass das lateinische Wort "jaculator" für Werfer aus den lateinischen Worten "joculator" für (Hof)narr und "pilarius" für Ball zusammengesetzt wurde. Im Französischen wurde daraus zunächst "joglar" und schließlich "Jongleur".
Geräte

Weitere Jonglierartikel zu einzelnen Geräten siehe auch:
- Astrojax
- Bälle
- Devilstick
- Diabolo
- Footbag
- Jongliertuch
- Jonglierwürfel
- Meteor
- Keulen
- Pipe
- Poi
- Ringe
- Drehstab
- Yo-Yo
- Zigarrenkiste (Jongliergerät)
Formen und Abwandlungen
- Eine Variation der Solo-Jonglage ist das Passen, bei dem zwei oder mehr Jongleure gleichzeitig jonglieren und sich dabei auch gegenseitig zuwerfen. Größtenteils wird mit Keulen gepasst. Mit drei und mehr Jongleuren können auch Positionsänderungen und komplizierte Laufwege Teil der Muster sein.
- Die Kombination aus Joggen und Jonglieren heißt Joggling. Es finden auch Joggling-Wettbewerbe statt.
- Jonglierspiele:
- Volleyclub: Die Mischung von Volleyball und Jonglage wird auf großen Jonglierconventions gespielt.
- Combat: Hierbei wird von den Jonglierenden versucht andere Jonglierende dazu zu bringen die von ihnen jonglierten Gegenstände (meist Keulen) fallen zu lassen. Der 'Angreifende' versucht natürlich selbst weiter zu jonglieren. Wer als Letzter übrig bleibt ohne einen Gegenstand fallen zu lassen ist der Gewinner einer Runde. Von Combat gibt es auch eine Abwandlung, nämlich das 1-on-1-Combat.
- Endurance: Alle Teilnehmer jonglieren gleichzeitig los - es gewinnt, wer am längsten durchhält. Häufigste Formen: Fünfballendurance, Endurance mit zwei Devilsticks
- Toss-Up: So viele Jongliergegenstände wie möglich werden nach einem Countdown hochgeworfen. Ein Toss-Up findet auf vielen Jonglierconventions als Teil der Spiele statt und liefert dann immer ein schönes Erinnerungsfoto.
- Long Distance (auch Long Distance Passing): Passen auf möglichst große Entfernungen
Gesundheitliche Aspekte
Jonglieren ist sehr gut geeignet, das körperliche und geistige Wohlbefinden zu steigern. So fördert es die Konzentrationsfähigkeit, die Reaktionsschnelligkeit, das räumliche Vorstellungsvermögen, sowie Zeit-, Rhythmus und Gleichgewichtsgefühl. Durch die gleichmäßige Beanspruchung der Muskeln und des Bewegungsapparats wird die Beweglichkeit und Ausdauer erhöht. Außerdem trainiert das Jonglieren den Teil des Gehirns, der für Fantasie und Kreativität zuständig ist. Jonglieren erhöht das periphere Sehvermögen und schult Koordination und Wahrnehmung. Nicht zuletzt ist Jonglieren eine gute Möglichkeit, durch seine beinahe meditative Gleichförmigkeit Stress abzubauen. Außerdem führt die Gewissheit, etwas Außergewöhnliches zu beherrschen, zu einer Stärkung des Selbstbewusstseins.
Das ständige Fangen ist allerdings auch eine Belastung für die Gelenke, gerade der Hand. So kann es nach sehr langen Übungen, gerade neuer Tricks, zu Prellungen und Gelenkschmerzen führen.
Praxis

Jonglieren kann jeder ohne großen Aufwand erlernen, allerdings führen die ersten enttäuschenden Versuche meist zur verfrühten Aufgabe. Dabei gibt es für den fast zwangsläufigen ersten Misserfolg zwei Gründe, die sich relativ einfach beheben lassen, wenn man nur darüber informiert ist:
Grund 1: Bei den ersten Versuchen mit drei Bällen wird intuitiv meist versucht, mit einer Hand immer nur zu werfen und mit der anderen immer nur nachzureichen, da dies mit zwei Bällen einfach gelingt. Diese Form existiert zwar auch als Wurfmuster, sog. „Shower“, für drei oder mehr Bälle, ist aber eher in den Bereich „Tricks“ einzuordnen. Das Grundmuster, das auch einfacher zu erlernen ist, besteht darin, mit beiden Händen abwechselnd zu werfen und zu fangen („Kaskade“).
Grund 2: Zum Erlernen des Jonglierens eignen sich normale, pralle Springbälle wie Tennisbälle u.ä. eher schlecht, weil diese nicht besonders griffig sind. Der ideale Jonglierball besteht aus einer Naturleder(imitat)hülle (Bean-Bag) und ist lasch mit Granulat, z.B. Hirse, gefüllt, so dass er beim Herunterfallen platt liegen bleibt. Bereits solche relativ simplen Jonglierutensilien können im Jonglierladen um die 15 Euro pro Stück kosten. Eine brauchbare Ersatzlösung vor allem für die Lernphase ist, einen nicht aufgeblasenen größeren Luftballon mit normalem Reis zu füllen und zuzuknoten.
Praktische Übungen
- Mit einem Ball: Im einfachen Bogen von einer Hand zur anderen werfen und dann wieder im Bogen zurück, etwa einen halben Meter hoch. Die fangende Hand soll dem fallenden Ball nicht nach oben entgegenkommen. Der Ball kommt sowieso runter, und wenn die Hand unten bleibt, hat man etwas mehr Zeit zum Fangen. Es spart Zeit, das beim abendlichen Fernsehfilm zu machen, vor dem man sowieso sitzt. Dabei normal auf das Bild schauen; es genügt, den Ball „nebenbei“ wahrzunehmen. Irgendwann sollte man so zielsicher sein, dass man fast immer gut fängt.
- Mit zwei Bällen: Jede Hand hält einen Ball. Wie gewohnt mit einer Hand im Bogen loswerfen, und wenn der Ball die höchste Position erreicht hat, mit der anderen Hand den anderen Ball im Bogen loswerfen, dann beide Bälle nacheinander mit der jeweiligen Zielhand auffangen. Wenn man nebenbei den Rhythmus „werf-werf-fang-fang“ aufsagt, ist es einfacher, das richtige Muster zu erlernen. Man sollte darauf achten, dass man den zweiten Ball nicht übergibt, sondern wirft. Nicht vergessen: die Hände sind beim Fangen unten zu halten, was vielen am Anfang durch die ungewohnten Bewegungen nicht immer leicht erscheint. Wenn man dann beide Bälle sicher wieder in den Händen hat, das gleiche noch mal von vorn, aber diesmal mit der anderen Hand beginnen(!), und so immer im Wechsel (also: rechts - links / links - rechts / rechts - links usw.). Das muss nicht auf Anhieb reibungslos funktionieren, aber nach und nach wird man besser und flüssiger. Auch das kann man wieder beim abendlichen Fernsehen perfektionieren, bis man eigentlich immer fängt.
- Mit drei Bällen: Die Hand, die als erste wirft, hält beim Start zwei Bälle, und immer, wenn der zuletzt geworfene den höchsten Punkt seiner Bahn erreicht, wird mit der anderen Hand der nächste Ball im Bogen zurückgeworfen. Das funktioniert nach striktem Walzertakt, den man anfangs richtig mitzählen sollte: 1 - 2 - 3 / 1 - 2 - 3 / usw. Auch hier geht nicht gleich alles gut, aber irgendwann funktioniert es wirklich (Problem: „Die Bälle fliegen immer genau dahin, wohin man sie wirft.“) Hier wächst der Erfolg stufenweise; anfangs wird man vielleicht nach drei oder vier Würfen alle Bälle verloren haben, dann schafft man fünf Würfe, dann sechs usw. Und später fragt man sich dann mal, wo eigentlich das Problem war.
- Generell: Für das erfolgreiche Erlernen der meisten Tricks ist es wichtig, insbesondere die Würfe perfekt auszuführen. Man sollte sich vor Augen führen, dass man nur dann die Bälle perfekt fangen kann, wenn sie perfekt abgeworfen wurden. Das Fangen dagegen sollte eher intuitiv passieren. Eine sehr gute Übung, um schwere Tricks zu lernen, ist, die Bälle bewusst fallen zu lassen und zu hören, ob sie im gleichmäßigen Rhythmus aufkommen. Diese Methode hat viele Vorteile: Man achtet mehr auf den Wurf und den Rhythmus, und gleichzeitig entkrampft sich das Verhältnis zu den Bällen. Nach einigen Versuchen fängt man die Bälle dann ganz automatisch und hat gleichzeitig die fertige Form des Tricks vor Augen.
Eine mathematische Art der Notation für Jongliermuster ist Siteswap.
Geschichte
Antike
Das Jonglieren ist eine Fertigkeit, die von zahlreichen Völkern, wie den Chinesen, Indern oder Azteken zu allen Zeiten und vermutlich auch schon vor den ersten Aufzeichnungen erprobt wurde. Eines der ältesten Jonglier-Requisiten, das Diabolo, wurde in China erfunden. Ebenso gibt es Darstellungen auf antiken griechischen Terrakottascheiben von Yo-Yo spielenden Jungen.
Europa
Die früheste bekannte Quelle ist allerdings ein Bild, welches aus Ägypten von einem unbekannten Prinzen im 15. Grab in Beni Hassan aus einer Zeit um etwa 1994 - 1781 v. Chr. stammt. Es zeigt vier jonglierende Frauen. Eine sehr frühe griechische Statur von einem Jongleur wurde in den Pyrinen gefunden und kann heute im Nationalen Museum in Athen besichtigt werden. Bei den Römern war es zur Belustigung des Volkes modisch Gaukler aus dem Orient zu importieren. Häufig handelte es sich dabei um Sklaven. Aber auch normale Bürger und Offiziere jonglierten in ihrer Freizeit. Auf Tagatus Ursus Grabstein, findet sich beispielsweise der Hinweis, dass er der erste Mensch sei, der mit Glasbällen jongliert hat und Sidonius Apollinaris, ein Offizier in der römischen Legion, unterhielt seine Truppen mit der Aufführung von Jongliertricks mit Bällen.
China
Verschiedene Jongleure wurden in den Aufzeichnungen erwähnt. Hauptsächlich handelte es sich dabei um Krieger, die so ihre Kampfkunst unter Beweis stellten und manchmal einen Konflikt beenden konnten, bevor es zu Kämpfen kam. Einige Jongleure wurden namentlich genannt, wie etwa:
- Lan Zi aus der Provinz Song, soll mit sieben Schwertern jongliert haben.
- Yi Liao von Shinan, der durch eine Balljonglage den Konflikt zwischen zwei Häusern beenden konnte.
- Xiong Yiliao jonglierte mit neun Bällen in den Auseinandersetzungen zwischen der Provinz von Chu und der Provinz von Song
Mittelalter
Im Mittelalter scheinen die Jongleure in Ungnade gefallen zu sein, da viele Klerikern und Pfarrer, welche die Geschichtsschreibung übernahmen, ihnen eine lose Moral und manchmal sogar Hexerei unterstellten. Seit Beginn des 6. Jahrhunderts traten Barden oder Hofnarren auf Märkten, Festen oder in Gasthäusern auf und führten kurze, unterhaltsame und schlüpfrige Auftritte auf. Sie reicherten ihre Shows häufig mit kurzen Jongliertricks oder etwas Akrobatik an und reichten am Ende ihrer Vorstellungen Hüte oder Taschen für Spenden herum.
Jongleure waren zu dieser Zeit sehr schlecht angesehen, und sie wurden auch nicht ganz ohne Grund mit Vorsicht und Argwohn behandelt, da sich auch viele Landstreicher, Trickbetrüger und (Taschen)Diebe in der Jonglierkunst übten. Eine weitere Schwierigkeit war, dass die Jongleure, anders als die Poeten und Musiker, keine Möglichkeit besaßen ihre Erfolge und Errungenschaften der Nachwelt zu hinterlassen. Schnell wurden sie daher als, wenn auch unterhaltsame, Tagediebe oder Taugenichtse abgestempelt. Aus dieser Zeit stammt daher auch der Ausspruch:
"Qual mestiers es plus aontos, d'eser joglar o laire?"
- frei übersetzt: "Was kann eine schlimmere Beschimpfung sein, ein Jongleur oder ein Dieb zu sein?"
Eine andere Vermutung ist, dass Jongleure erst im 11. Jahrhundert aus den englischen Minnesängern und Spielmännern hervorgegangen sind. Mit dem Aufkommen der Troubadoure wurden die Jongleure mit ihren vielen Talenten zu beliebten Helfern der Troubadoure und zu Unterhaltern der Adeligen. Sie zogen über das Land, von Hof zu Hof und verfeinerten ihr Können in "Schulen" und "Bruderschaften". Die erste Nennung einer solchen Bruderschaft stammt aus dem Jahre 1331; die "Confrerie de St. Julian" in Paris.
Industrialisierung
Im Jahre 1768 eröffnete Philip Astley den ersten modernen Zirkus. Einige Jahre später heuerte er auch einige Jongleure an. Von da an fanden Jongleure professionelle Arbeit beim Zirkus. Die neuere Geschichte des Jonglierens ist eng mit der Geschichte des Varietés und des Couplets verbunden. Mit dem Einsetzen der Industrialisierung wurde die Kleinkunst und mit ihr das Jonglieren bis zur Mitte des 20 Jahrhunderts immer beliebter. Jongleure wurden zunächst engagiert, um in den Pausen das Publikum vor verschlossenen Vorhang zu unterhalten, während hinter dem Vorhang die Bühne umgebaut wurde. Diese Jongleure konnten sich nun auf die eigentliche Jonglierkunst spezialisieren und vernachlässigten andere Kunststücke wie Schwertschlucken oder die Zauberei. Der Gentleman-Jonglier-Stil wurde von den Deutschen Jongleuren Salerno und Kara erfunden, und mit der Entwicklung des Kunststoffes verwendeten die Jongleure auch zunehmend Gummibälle. Zuvor wurden Jonglierbälle aus Garn, gefüllten Lederbeuteln, Holz oder Metall gemacht. Die Gummibälle hatten den Vorteil, dass man sie auch springen lassen konnte. Mit der weiten Verbreitung der drei großen Unterhaltungsmedien, Radio, Tonfilm und Fernsehen, verlor die Kleinkunst dann wieder drastisch an Bedeutung.
Rekorde
Hier eine Auswahl an (mit Videos belegten) Weltrekorden. Die Zahlen basieren auf Angaben des JIS Committee on Numbers Juggling.
5 Bälle | >1h |
7 Bälle | 10 min 12 s |
9 Bälle | 250 Fänge |
12 Bälle | 12 Fänge |
9 Ringe | 235 Fänge |
13 Ringe | 13 Fänge |
5 Keulen | 53 min 21 s |
7 Keulen | 2 min 49 s |
9 Keulen | 9 Fänge |
Eine ausführlichere, aber inoffizielle Aufzählung von Weltrekorden bietet die Juggling Records Database.
Topjongleure
Es gibt unzählige Jongleure auf der Welt, einige von Ihnen erreichen mit ihrer Technik Weltklasse. Zu diesen gehören u.a. der König der Jongleure Anthony Gatto, der Amerikaner Jason Garfield, der Russe Sergei Ignatov, der Deutsche Thomas Dietz, der bei den Meisterschaften der WJF 2005 als "Overall-Champion" betitelt wurde, Albert Lucas, die Schweizer Kris Kremo, Urs Rohrer und Criselly sowie der verstorbene Francis Brunn. Jeder von Ihnen benutzte Jonglierrequisit ist wie ein Markenzeichen. Anthony Gatto bounct gerne ein Ball auf dem Kopf, während er mit unzähligen Ringen und Keulen jongliert. Kris Kremo benutzt ausschliesslich drei Hüte, Zigarrenkisten und Jonglierbälle, während Urs Rohrer momentan der einzige Jongleur der Welt ist, der mit fünf riesigen Tennisbällen jongliert. Francis Brunn drehte gerne Bälle auf dem Finger und beherrschte sonstige Kunststücke, die jegliche Vorstellungskraft überschritten. Aus der neueren Generation ist Shirley Dean zu nennen, die bisher einzige Gentleman Jongleuse.
Siehe auch
Weblinks
- Internet Jonglier-Datenbank (sehr aktuell)
- Datenbank mit sehr vielen detaillierten Rekorden teilweise unbelegt (englisch)
- Kaskade: Regelmäßige Treffen Liste von offenen Jongliertreffs in Europa
- JoePass Jongliersimulation mit vielfältigen Darstellungs- und Eingabemöglichkeiten, Freeware für Mac und Windows, läuft auch unter Linux
- http://www.eja.net