Arbeitsdienst
Arbeitsdienst ist eine freiwillige Möglichkeit oder gesetzlich erzwungene Verpflichtung, öffentliche oder gemeinnützige Arbeitsaufgaben zu übernehmen, gegen eine (gewöhnlich geringe oder auch gar keine) Besoldung.
Im zweiten Jahrzehnt des Zwanzigsten Jahrhunderts entwickelten sich unterschiedliche Ansätze eines Dienstes, für den die freiwillige und nicht dem Lebensunterhalt dienende Arbeit zentral war, unterscheibar nach ihren jeweiligen Motivlagen: - pazifistisch-international-caritative Motive und - volkserzieherisch-nationale Motive - sozialpolitisch Motive
Organisationen mit pazifistisch-international-caritativen Motiven (Quäker, Mennoniten, Service Civil International) stellten die Freiwilligenarbeit in den Mittelpunkt ihrer Aktionen. Es galt, durch die schaffende Arbeit in Konflikt- oder Spannungsgebieten oder nach Naturkatastrophen Zerstörtes wieder aufzubauen und dabei auch völkerverbindend tätig zu sein, Feindbilder aufzubrechen und Vorurteile abzubauen.
Für die volkserzieherisch-national geprägten Organisationen stand die Volkserziehung (durchaus im positiven Sinn in der Art "Volkshochschulen für alle") im Mittelpunkt - also schon hier ein pädagogischer Gedanke im Vordergrund, die Arbeit in den Gemeinschaftsdiensten war eher zweitrangig.
Als sozialpolitisch motivierte Arbeitsdienste können typischerweise der 1931 gegründete „Freiwillige Arbeitsdienst FAD“, der daraus resultierende 1935 vom Nazi-Regime "Reichsarbeitsdienst" in Deutschland oder das "Civilian Conservation Corps" in den USA genannt werden. Über groß angelegte Programme wurden arbeitslose Jugendliche oder Erwachsene beschäftigt. Der ursprünglichen Gemeinnutzen der Einsätze wich seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten ein überwiegend militärisch definierter Nutzen.
Arbeitsdienstkonzepte wurden und werden oft für Jugendliche mit einer pädagogischen Zielsetzung entwickelt. Sie werden auch als Gemeinschaftsdienste für eine soziale Bewegung, das Volk, die Nation oder die internationale Verständigung legitimiert.
Zur Geschichte in Deutschland
In den 1920er Jahren wurden freiwillige soziale Dienste, auch zum Zweck der Begegnung von Jugendlichen unterschiedlicher Herkunft, (u.a. von Eugen Rosenstock-Huessy) konzipiert.
Bündische Jugendgruppen forderten 1924 die Einführung eines Arbeitjahres für Jugendliche. Eine wesentliche Bedeutung für die bündische Arbeitslagerbewegung hatte die Schlesische Jungmannschaft (SJ). (Sie erkundete auch die Arbeitsdienste in Bulgarien, die - teils - als Ersatz für den 1919 im Frieden von Neuilly verbotenen Militärdienst eingerichtet worden waren.)
Engagiert zeigten sich vor allem die ca. 200 älteren Führer des Wandervogels in der SJ für die Erziehungsarbeit, die durch Arbeitsdienste verwirklicht werden sollte. Seit 1925 begannen Bündische Gruppen nach einer Experimentierphase Arbeitslager einzurichten.
Als eifigster Verfechter einer "allgemeinen gleichen Arbeitsdienstpflicht" trat allerdings schon seit 1924 Artur Mahraun, Vorsitzender (Hochmeister) des Jungdeutschen Ordens Jungdeutscher Orden (J.O.) auf. Dieser Verband strebte sogar ein Volksbegehren zur Einführung der Arbeitsdienstpflicht an, was aber wegen Finanzmangels und formaler Gesetzbestimmungen zu dieser Zeit nicht zustande kam (siehe auch Joh. Hille :"Mahraun, der Pionier des Arbeitsdienstes", 1933, Kittler Verlag-Leipzig, Seite 36 ). Erst in der Wirtschaftskrise mit weiter steigenden Arbeitslosenzahlen (bis 6 Mio) erließ die Reichsregierung unter Reichskanzler Heinrich Brüning dann 1931 ein Gesetz zur Einführung des freiwilligen Arbeitsdienstes (FAD), was am 3. August 1931 in Kraft trat. Das erste Arbeitsdienst-Projekt wurde vom J.O. in Zusammenarbeit mit der Kommune Bautzen/Sachsen mit der Regulierung des Albrechtsbaches durchgeführt. Bis zum Verbot des J.O. im Juli 1933 organisierte und leitete allein dieser Verein 454 derartige gemeinnützige Projekte, eine Zahl, die von keiner anderen Organisation erreicht wurde.
Neben romantischen bis emanzipatorischen Aspekten (z.B. hinsichtlich der Selbständigkeit von Jugendlichen, ihrer Selbsterziehung durch Arbeit) und einer Klassen übergreifenden Verständigung) wurden auch national-romantische Vorstellungen mit dem Arbeitsdienst verbunden: In den Bünden der Jugendbewegung sollte der Prozess der Volkswerdung vorbereitet werden. Hier wollte man “vom Gedanken des Volkstums her Staat und Gesellschaft neu ordnen und so das organische Zusammenwirken aller Teile über alle Klassen, Parteien und Konfessionen hinweg gewährleisten” ... Der Bund als Gemeinschaftsform der bündischen Jugend war Mittel und Methode zur Erreichung des Erziehungszieles zugleich. Hier erfolgte die Konditionierung des jungen Menschen für seine politische Aufgabe, indem man in diesen Gemeinschaften “Volksgemeinschaft” vorlebte und den einzelnen dazu erzog, sein Tun bewußt als Dienst daran zu empfinden (Karl Bühler 1975, dabei F. Raabe zitierend).
Nach 1933 wurde der Arbeitsdienst vom Nationalsozialismus als Zwangsdienst und zur Weltanschauungspropaganda ausgestaltet (siehe Reichsarbeitsdienst). Dadurch erhielt der Begriff "Arbeitsdienst" in Deutschland seine negative Bedeutung. Einige der ursprünglichen Konzepte überlebten jedoch vielenorts unter anderen Namen, z.B. als internationale Freiwilligeneinsätze in den "Internationalen Jugendgemeinschaftsdiensten" (IJGD), in der Entwicklungshilfe und/oder dem US-amerikanischen Peace Corps als Konzept einer Hilfe zur Selbsthilfe sowie als regulative Maßnahme in der Gemeinwesenarbeit als Einsatz z.B. von Sozialhilfeempfänger.
Arbeitsdienst in der aktuellen Diskussion
Eine Neubelebung des Gedankens eines Arbeitsdienstes brachte bereits im Juli 2003 der damalige Niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) mit seinem Vorschlag eines einjährigen Pflicht-"Gemeinschaftsdienstes" für junge Leute ins Gespräch. Dies würde nebenbei die Wehrgerechtigkeit mit den Vorgaben unseres Grundgesetzes wieder in Einklang bringen (Bonner GA. v. 24. Juli 2003).
Einen erneuten Vorstoß in die gleiche Richtung machte im Oktober 2005 der spätere Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) mit seinem Vorschlag für eine "allgemeine Dienstpflicht" für junge Männer und Frauen, die sowohl Wehrpflicht als auch alle anderen Sozial- und Entwicklungshilfsdienste mit beinhalten würde.
Der arbeitsmarktpolitische Obmann der CSU forderte in einem Interview mit der Bild-Zeitung am 14. Juni 2006 die Einführung eines „Gemeinschaftsdienstes“ für alle „arbeitsfähigen“ Langzeitarbeitslosen, durch den Empfänger von Arbeitslosengeld II zu täglich 8-stündiger unbezahlter Arbeit gezwungen werden sollen.
Die Träger der Freiwilligendienste, der Gemeinschaftsdienste und der Entwicklungsdienste haben sich zu wiederholt einhellig gegen die Etablierung von Pflichtdiensten in Deutschland ausgesprochen.
Literatur
- Dieter Claessens, Dieter Danckwortt, „Jugend in Gemeinschaftsdiensten“, Juventa-Verlag, München 1957
- Friedhelm Boll, „Auf der Suche nach Demokratie“, Bonn 1997
- Henry W. Riecken, „The volunteer work camp“, Harvard Universitiy 1952
- F. Raabe, Die Bündische Jugend, Phil. Diss. Berlin 1959
- Karl Bühler, Arbeitsdienst als Erziehungsaufgabe in frühen Theorien der zwanziger Jahre. In: Jb d. Archivs d. deutschen Jugendbewegung 7 (1975)
- Andreas Gestrich. Geschichte der Jugendgemeinschaftsdienste
- Henning Köhler. " Arbeitsdienst in Deutschland", Schriften zur Wirtschafts- u. Sozialgeschichte Band 10, Verlag Duncker u. Humblot/ Berlin.(1967)
- Joh. Hille. "Mahraun der Pionier des Arbeitsdienstes", Verlag R. Kittler Leipzig, (1933)
www.workcamps.de (Homepage der Workcampanbieter in Deutschland)