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Herstatt-Bank

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Die Herstatt-Bank war eine Kölner Privatbank, die zuletzt im Besitz von Iwan David Herstatt war. Im Juni 1974 wurde sie infolge von Devisenspekulationen insolvent. Ihr Zusammenbruch war die damals größte Bankenpleite der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Unternehmensgeschichte

Der in Köln geborene Iwan David Herstatt übernimmt im Jahre 1955 das Bankhaus Hocker & Co. und gründet daraus die I.D. Herstatt KGaA, zusammen mit seinem Jugendfreund Hans Gerling, der 81,4% an dem Unternehmen hält.

1957 wird das neue Bankhaus in der Straße Unter Sachsenhausen 6 in der Kölner Innenstadt eröffnet. 1974 vertrauen 52.000 Kunden der Bank ihr Geld auf 78.000 Konten und 15.000 Depots an.

Die Devisenspekulationen und die „Goldjungs“

Nach Wegfall der Kopplung der europäischen Währungen an den US-Dollar entwickeln sich Spekulationen mit Devisen zum Kernstück des Bankgeschäfts. Abgewickelt werden diese Geschäfte durch die sog. „Goldjungs“, das sind 6 sehr junge Mitarbeiter, die erst knapp über 20 Jahre alt sind. Angeführt wird die Gruppe von Danny Dattel. Die Devisenabteilung arbeitet weitgehend ohne Kontrolle und mit wenig Kontakt zu den anderen Geschäftsbereichen. Die Goldjungs dürfen bis zu 10 Mio. Dollar Devisen pro Mann kaufen, was sie durch Einsatz von Strohmännern verschleiern. Aufgrund der damals noch nicht gewohnten und futuristisch wirkenden Computertechnik und der weltumspannenden Kommunikationsleitungen wird dieser Bereich unternehmensintern „Raumstation Orion“ genannt, in Anlehnung an die Fernsehserie Raumpatrouille Orion.

Der Crash

Nach der Ölkrise 1973 setzen die Goldjungs auf einen steigenden US-Dollar. Im Jahr 1973 beträgt der Gesamtumsatz an Devisen 63 Mrd. DM (!), dies entsprach der Hälfte des Bundeshaushalts. Das Volumen der Dollarspekulation hatte ein Größe von 8 Mrd. DM, so dass eine Kursschwankung von 1% 80 Mio. DM Gewinn oder Verlust ergab. Warnende Worte des Risk-Managemets sorgen bei Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates nur für Heiterkeit. Doch der steigende Dollarkurs tritt nicht ein, der Kurs fällt ab Anfang 1974. Auf Nachfrage erklärt Dattel gegenüber Herstatt, dass man den Verlust von 400 Mio. DM auf 100 Mio. DM drücken könne, falls sich der Dollar positiv entwickle. Dem steht damals ein Gewinn von 200 Mio. DM aus anderen Geschäften gegenüber. Am 16. Juni 1974 teilt Herstatt dem Aufsichtsratvorsitzenden Hans Gerling einen Verlust von 500 Mio. DM mit, bei einem Eigenkapital von 77 Mio. DM. Trotz eines Rettungsversuchs ist die Bank nicht mehr zu retten. Am 26. Juni 1974 ordnet das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen die Schließung der Schalter in Köln und Bonn an. Tags darauf kommt es in Köln zu Tumulten am Bankgebäude Unter Sachsenhausen, die Polizei muss das Gebäude sichern, die deutschen Aktienkurse fallen.

Die Gläubiger

Es gelingt, aus dem Restvermögen der Bank, einem Feuerwehrfonds der deutschen Privatbanken und dem Vermögen von Herstatt und Gerling, die Gläubiger größtenteils auszuzahlen. Hans Gerling verkauft zur Befriedigung der Ansprüche 51% der Anteile an der Gerling-Holding an ein Deutsches Industriekonsortium (VHDI) und die Deutsche Bank.

Privatkunden erhalten ihre Einlagen zu mehr als 80% zurück, Sparer mit Einlagen unter 20.000 DM zu 100 %, Banken und Kommunen zu 65,4%. Unter ihnen befinden sich auch die Stadt Köln mit 190 Mio. DM, die Stadt Bonn mit 12,2 Mio. DM und das Erzbistum Köln.

Die Prozesse

1984 wird I.D. Herstatt zu einer Freiheitsstrafe von 4 1/2 Jahren verurteilt. Der BGH hebt dieses Urteil auf und Herstatt wird 1987 zu einer Bewährungsstrafe von 2 Jahren wegen Untreue verurteilt und die Strafe Anfang der 90er erlassen. Sechs andere Manager werden freigesprochen oder erhalten milde Strafen. Danny Dattel wird für verhandlungsunfähig erklärt. Noch heute klagt Danny Dattel auf Geld aus den Devisengeschäften, 7000 Gläubiger warten noch auf Restausschüttungen von 10 Mrd. €. Solange diese Verfahren nicht rechtskräftig entschieden sind, kann die Abwicklung des Unternehmens nicht abgeschlossen werden. Die I.D Herstatt KGaA befindet sich daher immer noch in Liquidation.

Konsequenzen

In der Folge des Herstatt-Konkurses gründeten die deutschen Banken einen Einlagensicherungsfonds, um ihre Sparer vor den Folgen einer Banken-Insolvenz zu schützen, dem Komplettverlust ihrer Einlagen. Außerdem wurden die Gesetze über Antragsfristen für Konkurs- und Vergleichsverfahren verschärft. Auch die Gründung der Liquiditäts-Konsortialbank steht unter dem Eindruck dieser Bankenkrise.