Zum Inhalt springen

Aberglaube

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 12. Juni 2006 um 19:53 Uhr durch 80.134.178.17 (Diskussion) (Theater). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Der Begriff Aberglaube wird meist abwertend für einen Glaubenssatz oder ein Glaubensgebilde gebraucht, das – dem eigenen als Dogma angesehenen rechten Glauben gegenübergestellt – als irrational, unvernünftig, nutzlos (manchmal auch unmenschlich) und deswegen als unterlegen betrachtet wird. Häufig wird er im Zusammenhang mit mangelnder Bildung, dem Mittelalter (Aufklärung), oder auch nicht-monotheistischen Religionen und Kulten gebraucht.

Wortbedeutung

Etymologie

Aber- bezeichnet ursprünglich nicht „gegen“, sondern „darüber hinaus“, „auf der anderen Seite liegend“. Diese etymologische Wurzel erhielt sich in aberwitzig (mit Witz: „verstandesgemäß“: „über den Verstand hinausgehend“, im ursprünglichen Sinne also „transzendent“). Aberglaube bezeichnete also „den Glauben an das Übersinnliche“ und wurde erst im katholisch-religiösen Kontext zum „Glauben an die falschen übersinnlichen Kräfte“, „Irrglauben“. Die heutige Bedeutung stabilisierte sich erst im 19. Jahrhundert.

Geschichte

Der Begriff Aberglaube taucht in der christlichen Religion am Ende des Mittelalters auf, er sollte Abweichungen von der kirchlichen Glaubenslehre anprangern.

Die Bekehrung der Heiden war in Europa zwar abgeschlossen, doch die lokalen Volksglauben lebten in gewissen Grenzen weiter. Zauber, Amulette, Böser Blick, heilige Bäume und heilige Haine sollten die Christen nicht vom wahren Glauben abbringen.

Außerdem wollte man mit dem Begriff Aberglauben den neuen vorreformatorischen und sektiererischen Einflüssen entgegenwirken. Kirchenkritiker und Abweichler, die Ketzer, sollten damit auf die gleiche Ebene wie Hexen und Zauberer gestellt werden. Auf sie wartete die Inquisition.

Ebenfalls diffamierte der Begriff Aberglaube das Regelwissen in der aufstrebenden Naturwissenschaft: Wissen oder sehen wollen statt glauben und vertrauen stand im Verdacht der Überheblichkeit und des Fanatismus, befand sich also im Widerspruch zur christlichen Ethik.

Aktuelle Bedeutung

Heute hat sich im weltlichen Bereich die Vorstellung vom rechten Glauben in eine Vorstellung naturwissenschaftlicher Belegbarkeit gewandelt. Im Bereich des religiösen Glaubens hingegen wird häufig auf Belegbarkeit verzichtet – was teilweise sogar als Vorteil angesehen wird – und lediglich verlangt, dass Glaubensinhalte nicht im Widerspruch zu naturwissenschaftlichen Ergebnissen stehen dürfen.

Im weltlichen Bereich bezeichnet man als Aberglaube entweder ein Regelwissen, das sich nicht belegen lässt oder nicht bestätigt, oder eine Interpretation von Mechanismen als soziale Handlungen (etwa Naturphänomene als Verhalten von Naturgeistern). Dieses Urteil kann entweder abschätzig oder scherzhaft gemeint sein (Illusionsbereitschaft im Bewusstsein der Illusion).

Aberglaube entsteht auch durch die falsche Zuordnung von Ursache und Wirkung. Fehlverwendung wissenschaftlicher Methodik ist eine der häufigsten Arten des nicht-religiösen Aberglaubens. Einen Grenzbereich stellt überliefertes Handlungswissen dar, für das sich bislang keine Erklärung fand (Parawissenschaft).

Der Nachweis, dass Glaubensinhalte von Konventionen abhängig und deshalb nicht "objektiv" seien, macht sie in der Westlichen Welt oft zum Aberglauben. Dagegen kennen viele Kulturen außerhalb Europas weder den Begriff Aberglauben, noch die exklusive Vorstellung eines rechten Glaubens.

Gründe für Aberglauben

Weltbild

Meist besitzt ein als abergläubisch bezeichnetes Weltbild eine weniger in sich geschlossene Struktur, als sie beispielsweise von den Scholastikern für die katholische Kirche aufgebaut wurde. Es gibt starke regionale Unterschiede – die sich aber durch moderne Medien und die neueren Möglichkeiten der Kommunikation immer mehr verwischen. Die einzelnen Spielarten grenzen sich gegeneinander weniger deutlich ab, als dies bei den Religionen der Fall ist. Dies bedeutet aber nicht unbedingt, dass zwischen konkurrierenden Formen des Aberglaubens eine größere Toleranz besteht.

Der Grund für das fehlende Grundgerüst ist häufig in der Christianisierung des ursprünglichen Volksglaubens zu sehen, wodurch der Unterbau verloren ging und nur Rituale wie das Silvesterschießen oder einzelne Zeremonien z.B. bei Totenfeiern erhalten blieben oder sich als katholisch gebilligter Heiligenglauben versteckten.

Aberglaube liefert aufgrund der narrativen Einbettung seiner Inhalte noch heute viele Hinweise auf das soziokulturelle Wissen alter Kulturen und ist Objekt zahlreicher volkskundlicher Forschungsarbeiten. Aus volkskundlicher Sicht kann man sagen, dass der Glaube dann zum Aberglauben wird, wenn er mit der soziokulturellen Entwicklung nicht mehr Schritt halten kann. Analog dazu könnte man aus wissenschaftlicher Sicht sagen, dass Theorie zum Aberglauben wird, wenn sie mit der Entwicklung des Wissensstandes nicht Schritt hält: Viele heute als Aberglauben bezeichnete Denkweisen waren einmal aktuell und anerkannt.

Psychologie

In der Psychologie ist Aberglaube eng verwandt mit Begriffen wie magisches Denken, selbsterfüllende Prophezeiung, Mythos der eigenen Unverletzbarkeit (siehe Arbeitssicherheit), Glaube an das „todsichere System“ beim Glücksspiel (siehe Wahrscheinlichkeit). Er entsteht z. B. bei nichtdeterministischen Experimenten (z. B. die abergläubische Ratte, Belohnungssysteme, die der Lernkurve folgen, siehe Paul Watzlawick). Aberglaube und magische Praktiken sind auch entwicklungspsychologisch relevant, da Kinder in einer so genannten Phase des Egozentrismus sich einem magisch-abergläubischen Weltbild zuwenden können.

Beispiele

Bräuche

Heutzutage finden sich noch Reste von Aberglauben im europäischen Kulturkreis, wie etwa der Glaube, dass schwarze Katzen beim Vorübergehen aus einer bestimmten Richtung Pech bringen, oder dass es unvorteilhaft für das Lebensglück ist, unter einer Leiter hindurch zu gehen. Gleichzeitig vermittelt ein vier-blättriges Kleeblatt Glück (evtl. allein nur es gefunden zu haben), genauso wie sich der Ruß eines Schornsteinfegers zum persönlichen Glück wendet. Häufig entsteht auch ein persönlicher Aberglaube wie zum Beispiel die "Glückssocke", die ihrem Träger zu bestimmten Anlässen beisteht, wenn er sie nur trägt.

An der Grenze zur Esoterik befinden sich pseudowissenschaftliche Interpretationen wie die Zahlenmystik, oder so genannte Mondkalender, die – über Richtlinien von Pflanz-, Pflege- und Erntetätigkeiten hinausgehend – auch für zahlreiche andere Prognosen zweckentfremdet werden. Schwer ist auch die Unterscheidung zwischen Fehlverwendung und mangelnder Informationslage bei Bauernregeln, die sich auf die bäuerliche Wettervorhersage sowie auf Tätigkeiten rund um Haus und Hof beziehen.

{{}}=== Theater ==={{}}[[]]

In der Welt der darstellenden Kunst gibt es zahlreiche abergläubische Vorstellungen, die sich oft auf die Premiere beziehen und von denen der Erfolg der Aufführung angeblich abhängig ist. Eine der verbreitetsten Regeln ist es, dass man im Theater nicht pfeifen darf, so etwas deute nämlich auf einen Brand hin. Dieser Aberglaube kommt aus der Zeit, als es noch Gasleuchter im Theater gab. Der pfeifende Ton wies darauf hin, dass Sauerstoffmangel herrschte. Weiterhin darf man sich für die Glückwünsche ("toi-toi-toi" – eigentlich "Teufel, Teufel, Teufel") nicht bedanken und auf der Bühne (außer wenn es das Stück verlangt) weder essen noch trinken. Vor der Premiere ist es üblich, dass die Schauspieler untereinander ein dreimaliges Spucken über die Schulter andeuten, damit die Aufführung Erfolg hat. Eine Generalprobe voller Pannen bedeutet, dass die Premiere gut gelingen wird. Obwohl die Generalprobe nicht selten vor Publikum stattfindet, sollte man am Ende des Stückes nicht applaudieren, weil das Unheil bringt. Ebenfalls verpönt ist es, die letzte Zeile vorzutragen. Angeblich sollte es im Interesse einer gelungenen Premiere genau sieben mal das ganze Stück proben, und danach drei Hauptproben halten. Durch den noch zugezogenen Vorhang hinauszuspähen soll unglückliche Folgen haben. Was die Requisiten betrifft, sollte man darauf achten, dass kein echter Spiegel als Spiegel verwendet wird und dass (Baby)puppen, die eventuell zum Stück gehören, mit dem Gesicht nach unten auf dem Requisitentisch gelagert werden sollten, weil in ihnen poltergeistähnliche Kreaturen leben könnten, die sonst durch ihre Augen ins Freie schlüpfen könnten. Gewisse Requisiten, z.B. Stricknadeln sollte man auf der Bühne meiden, möglicherweise deswegen, weil sie sich in den Kostümen verfangen könnten. In vielen Theatern glaubt man daran, dass das Haus einen „Theatergeist“ hat.

Angeblich durch eine Kette von Unglücksfällen begründet ist auch der Aberglaube, den Namen des Stücks Macbeth im Theater nicht auszusprechen. Im englischsprachigen Raum wird stattdessen nur von the scottish play gesprochen.

Bewahrheiteter Aberglaube

Für bäuerlichen Aberglauben hielt man z.B. die Auffassung, dass dort, wo Berberitzen wachsen, die Getreide-Krankheit Schwarzrost auftritt, bis man wissenschaftlich nachweisen konnte, dass die Berberitze Zwischenwirt des Pilzes ist, der die Krankheit auslöst.

Weiter Beispiele siehe auch: Gewitterkerze, Glückskatze, Holunder, Schluckbildchen, Glückshaube, Hubertusschlüssel, Glücksklee

Verbreitung

In einer repräsentativen Umfrage in Deutschland wird die Zahl der Abergläubischen mit 51 Prozent angegeben, darunter mehr Frauen (62 Prozent) als Männer (38 Prozent). Mit zunehmenden Bildungsstand nimmt der Aberglaube ab. In der Altersklasse der 50- bis 59-jährigen gibt es mit 62 Prozent den höchsten Anteil. Bei den unter 30-jährigen nimmt der Anteil wieder zu (53 Prozent). Besonderer Beliebtheit erfreut sich das vierblättrige Kleeblatt: 40 Prozent meinen, es bringe Glück. Und beinahe jeder vierte Befragte sieht die Zahl 7 positiv.

Literatur

  • Hanns-Peter Mederer: Der unterhaltsame Aberglaube. Sagenrezeption in Roman, Erzählung und Gebrauchsliteratur zwischen 1840 und 1855. Shaker Verlag, Aachen 2005 (= Diss. Hamburg 2005: ISBN 3-8322-4201-5)
  • Hanns Bächtold-Stäubli (Hrsg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. 10 Bände. De Gruyter, Berlin und Leipzig 1929-1942 (unveränderter Nachdruck 2000: ISBN 3-11-016860-X)


Wiktionary: Aberglaube – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen