Myonenspinspektroskopie
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Myonenspinspektroskopie (µSR) ist die Sammelbezeichnung für drei Messmethoden der Nuklearen Festkörperphysik. Dabei werden positiv geladene, spinpolarisierte Myonen in die zu untersuchende Materialprobe implantiert und kommen dort dort auf Zwischengitterplätzen oder atomaren Fehlstellen zur Ruhe. Die Wechselwirkung des Myonenspins mit den magnetischen Momenten des Wirtsgitters führt zu einer charakteristischen zeitlichen Entwicklung der Spinpolarisation, welche beobachtet wird und Rückschlüsse auf lokale magnetische Eigenschaften der untersuchten Materialprobe ermöglicht.
Das Akronym µSR steht dabei für
- Myonen-Spin-Rotation als Präzession des Myonenspins um ein statisches, gemitteltes Magnetfeld
- Myonen-Spin-Relaxation als zeitliche Abnahme der Spinpolarisation eines Myonenensembles
- Myonen-Spin-Resonanz als Antwort des Myonenspins auf einen äusseren Radiofrequenzpuls
Geschichte
Bedeutung und Abgrenzung
μSR ist eine Methode der nuklearen Festkörperphysik.
Die Hauptmerkmale dieser Messmethode sind zum einen
- die Lokalität der µ-Sonde aufgrund der Kurzreichweiten Wechselwirkung mit ihrer Umgebung und
- das Zeitfenster (10−13 – 10−5 s) der dynamischen Prozesse, die mit dieser Technik untersucht werden können.
Im Gegensatz zur Kernspinresonanzspektroskopie ist man nicht auf innere Kernspins angewiesen, die zudem durch eine externe Radiofrequenz-Technik ausgerichtet werden müssen. Mit dem Myon als in einem die Materie implantierten Spin, der durch den Produktionsprozess schon ausgerichtet ist. Im Gegensatz zu Streu- oder Beugungstechniken, die die Änderung in der Energie oder des Impulses eines gestreuten Photons oder Neutrons werden die implantierten Myonen nicht gebeugt, sondern verbleiben in einer Probe, bis sie zerfallen. Nur eine sorgfältige Analyse des Zerfallsprodukts liefert Informationen über die Wechselwirkung zwischen dem implantierten Myon und seiner Umgebung in der Probe.
Physikalischer Hintergrund
Die schwache Zerfallskette
Die µSR-Messmethode beruht auf der Paritätsverletzung in der schwachen Zerfallskette:
Unter Berücksichtigung der Erhaltungssätze für linearen Impuls und Spin führen
- die eindeutige Linkshändigkeit (Chiralität , d.h. Spin antiparallel zum linearen Impuls) der beiden beteiligten Neutrinos und
- die eindeutige Rechtshändigkeit (Chiralität , d.h. Spin parallel zum linearen Impuls) des Myon-Antineutrinos
zu den beiden Charakteristika dieser Zerfallskette:
- Spinpolarisation des Myons beim Pionenzerfall
- Anisotropie der Emissionswahrscheinlichkeit der Zerfallspositronen beim Myonenzerfall.
Pionenzerfall: Produktion spinpolarisierter Myonen
Positive Pionen () werden durch Spallationsreaktion beim Beschuss leichter Targetkerne (C, Be) mit hochenergetischen Protonen (ca. 600 MeV) erzeugt. Die zwei dominierenden Kernreaktionen sind:
Die so erzeugten freien Pionen zerfallen nach einer mittleren Lebensdauer von = 26 ns in ein positives Myon und ein Myon-Neutrino.
Je nachdem, ob dieser Zerfall in Ruhe oder im Flug stattfindet, unterscheidet man zwischen Oberflächen-Myonen oder Zerfallskanal-Myonen:
Pionenzerfall in Ruhe: Oberflächenmyonen
Oberflächenmyonen stammen aus dem Zerfall niederenergetischer Pionen, die innerhalb des Produktionstargets gestoppt werden. Da es sich beim Zerfall des Pions um einen Zweikörperzerfall handelt, sind Energie, Impuls und Drehimpuls der Zerfallsprodukte eindeutig festgelegt. Im Ruhesystem des Pions gilt:

Wegen ihrer geringen kinetischen Energie können nur Myonen nahe der Oberfläche des Targets (ca. 1mm) dieses verlassen (Oberflächenmyonen) und besitzen eine geringe Eindringtiefe. Sie sind zum Studium dünner Schichten bzw. leichter Proben geeignet.
Pionenzerfall im Flug: Zerfallskanalmyonen
Hochenergetische Pionen durchlaufen einen sogenannten Zerfallskanal. Aufgrund der wesentlich geringeren, mittleren Lebensdauer der Pionen besteht der Strahl nach einer gewissen Flugstrecke vorwiegend aus Myonen. Da der Zerfall der Pionen im Flug erfolgt, besitzen diese Myonen einen höheren Impuls, sind jedoch nicht mehr zu 100% spinpolarisiert. Durch den Übergang vom Ruhesystem des Pions ins Laborsystem müssen zwei Fälle unterschieden werden:

- Vorwärtsemittierte Myonen: Das Myon wird in Flugrichtung des Pions emittiert. Im Ruhesystem des Pions addieren sich die Impulse von Pion und Myon. Der Myonenimpuls im Laborsystem ist somit grösser als der des emittierenden Pions und besitzt die gleiche Richtung wie im Ruhesystem. Die Orientierung der Spinpolarisation bleibt damit erhalten: Vorwärtsemittierte Myonen sind rückwärts polarisiert.
- Rückwärtsemittierte Myonen: Das Myon wird entgegen der Flugrichtung des Pions emittiert. Der Myonenimpuls im Laborsystem ist somit geringer als der des emittierenden Pions und entgegengesetzt gerichtet zu dem des Ruhesystems. Die Spinpolarisation im Laborsystem ist antiparallel zu der des Ruhesystems: Rückwartsemittierte Myonen sind vorwärtspolarisiert.
Mit Hilfe zweier Ablenkmagneten am Beginn und Ende des Zerfallskanals lassen sich Pionen- und Myonenimpuls und damit die Spinpolarisation festlegen. Meist verwendet man einen rückwärtsemittierten, vorwärtspolarisierten Myonenstrahl, da hier aufgrund der grösseren Impulsdifferenz die Kontamination mit Pionen geringer ist. Um die Intensität des Myonenstrahls zu erhöhen, verwendet man supraleitende Solenoide. Man zwingt damit die in einen Vorwärtskegel emittierten Myonen auf Schraubenbahnen und erhält unabhängig vom Zerfallsort eine Bündelung. Ein weiterer Vorteil des Solenoids besteht in der Entkopplung der Strahlführung bzw. -optimierung vor und nach dem Zerfallskanal.
Zerfallskanalmyonen besitzen also folgende charakteristische Eigenschaften:
- Ihr Impuls ist deutlich grösser als der der Oberflächenmyonen .
- Infolgedessen besitzen sie eine höhere Eindringtiefe .
- Impuls und Polarisationsrichtung sind innerhalb bestimmter Grenzen frei wählbar.
- Aufgrund kinematischer Depolarisation und endlicher Winkelauflösung beträgt der maximal erreichbare Polarisationsgrad jedoch nur ca. .
Myonenzerfall: Anisotropie der Zerfallspositronen

Das Myon zerfällt anschliessend ebenfalls über die schwache Wechselwirkung, nach einer relativ langen mittleren Lebensdauer von = 2.2 µs in ein Positron, ein Elektron-Neutrino und ein Myon-Antineutrino (Dreikörperzerfall):
Da es sich um einen Dreikörperzerfall handelt, sind Energie und Impuls der Zerfallsprodukte nicht eindeutig festgelegt, sondern von der gegenseitigen Emissionsrichtung abhängig.
Für die kinetische Energie des Zerfallspositrons gilt:


Durch die eindeutige Händigkeit der beteiligten (Anti-) Neutrinos besteht eine Korrelation zwischen Spin und linearem Impuls des Zerfallspositrons, die sich in der Anisotropie der Emissionswahrscheinlichkeit widerspiegelt\cite{Den79}:
- Zerfallsgesetz mit der mittleren Lebensdauer des Myons 2.2 µs.
- Energiespektrum mit der reduzierten Positronenenergie .
- Winkelverteilung relativ zur Orientierung des Myonenspins ().
- Energieabhängiger Asymmetriefaktor der Winkelverteilung .
Die Emission der Positronen erfolgt demnach für geringe Energien entgegengesetzt, für höhere Energien jedoch in Myonenspinrichtung. Die mittlere Positronenenergie liegt bei 35 MeV mit einem Asymmetriefaktor A = 1/3.
Das µSR-Signal
Die Wechselwirkung der magnetischen Momente eines Myonenensembles mit dem Mittelwert und der Verteilung des lokalen Magnetfeldes im Zwischengitterbereich hat eine zeitliche Änderung von Polarisationsrichtung und -grad zur Folge, welche über die Anisotropie der Zerfallspositronen beobachtet werden kann:
- bezeichnet die Anfangs-Asymmetrie des Myonenensembles zum Zeitpunkt der Implantation,
- den Winkel zwischen Emissions- und raumfester Detektionsrichtung der Zerfallspositronen relativ zur Polarisationsrichtung des Myonenensembles.
- Die zeitliche Abnahme des Polarisationsgrades wird Depolarisation genannt und durch Relaxationsfunktionen beschrieben.
Grundlage jeder zeitdifferentieller µSR-Messung ist somit die Aufzeichnung der zeitlichen Änderungen der Positronenzählrate in einer oder mehreren festen Raumrichtungen:
- Normalisierung und Anfangsasymmetrie der Zerfallspositronen sind durch Probengeometrie, Strahl- und Spektrometereigenschaften bestimmt.
- beschreibt den freien Zerfall der Myonen mit der mittleren Lebensdauer s und legt, zusammen mit dem zeitunabhängigen Signaluntergrund , die Nulllinie fest.
- Auf dieser Nulllinie befindet sich das interessierende Zeitverhalten .
Transversalfeldgeometrie


Ein polarisierter Myonenstrahl wird durch eine Strahlblende kollimiert und in der zu untersuchenden Materialprobe gestoppt. Der Durchgang eines Myons durch den Myonen-Detektor legt den Zeitnullpunkt der Implantation fest. Das Zerfallspositron wird mit Hilfe der um die Probe angeordneten Positronenzähler erfasst und liefert das Stopp-Signal.
- Bei Abwesenheit innerer lokaler Magnetfelder präzediert der Myonenspin um das statische äussere Transversalfeld mit der Larmorfrequenz:
.
- Existieren im Inneren der Materialprobe lokale Magnetfelder , welche zudem zeitlich und/oder räumlich variieren, so werden die einzelnen Myonenspins eines Ensembles unterschiedliche Präzessionsfrequenzen aufweisen. Die Myonen-Spin-Rotationsfrequenz spiegelt infolgedessen eine Mittelung der inneren Felder wider:
- Durch die Feldverteilung geht die ursprüngliche Phasenbeziehung der einzelnen Spins mehr und mehr verloren. Das Rotationssignal weist daher eine zeitliche Dämpfung mit der transversalen Relaxationsfunktion auf:
Nullfeld-- bzw. Longitudinalfeldgeometrie
Myonen-Spin-Rotation
Myonen-Spin-Relaxation
Myonen-Spin-Resonanz
ähnlich der Kernspinresonanz (NMR) oder Elektronenspinresonanz (ESR).
Anwendungsgebiete
Siehe auch
Weblinks
- [Englischer Artikel]
- [Litterst]
- [Henning]
- [[]]
- [[]]
- [[]]
- [[]]
Literatur
- Günter Schatz, Alois Weidinger: Nukleare Festkörperphysik: Kernphysikalische Messmethoden und ihre Anwendungen Vieweg+Teubner Verlag, 1992, ISBN 9783519130796, S. 176-210.
- Ralf Röhlsberger: Nuclear Condensed Matter Physics with Synchrotron Radiation, Basic Principles, Methodology and Applications; Series: Springer Tracts in Modern Physics, Vol. 208 , 2004 ; ISBN 3540232443
- Ernst Schreier: Myonen-Spin-Rotation und -Relaxation zur Untersuchung magnetischer Eigenschaften der schweren Seltenen-Erd-Metalle, UFO-Verlag, Allensbach 1999, ISBN 9783930803736