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Benutzer:1970gemini/81. Infanterie-Brigade

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Seegrenzschlachthof (Lübeck)

Lageplan (1928)

Aufgrund eines 1926 erlassenen Importverbots von Lebendvieh über die Blaue Grenze wurde in den Jahren 1928/29 unmittelbar an den Städtischen Schlachthof angrenzend ein Seegrenzschlachthof errichtet und sollte am 1. Juli 1929 in Betrieb genommen werden.

Hintergrund

Die Entstehung der Seegrenzschlachthöfe in fast allen deutschen Nord- und Ostseehäfen geschah aufgrund einer Verordnung über die tierseuchenpolizeiliche Behandlung seewärts lebend eingeführten Schlachtviehs. Der Reichstag legte in seiner Sitzung am 7. Juli 1927 folgende entscheidende Grundsätze für die bauliche Gestaltung zur Einrichtung eines Seegrenzschlachthofes fest:

Die Länder dürften Seegrenzschlachthäuser selbst herstellen und verwalten. Deren Herstellung oder Verwaltung waren auch an Gemeinden oder Privatpersonen übertragbar.

  1. Die Seegrenzschlachthäuser waren in unmittelbarer Nähe des Landungsplatzes so anzulegen, dass, um eine Seucheneinschleppung zu verhindern, das Auslandsvieh nicht mit Inlandsvieh in Berührung kommen dürfe. Auf dem Weg zum Schlachthof dürften weder öffentliche Wege, Straßen noch Bahnanlagen im Niveau gekreuzt werden. Das Vieh war auf einem eigenen Triften darüber oder darunter zu treiben.
  2. Die Seegrenzschlachthäuser waren einzufrieden und mit eigenen Brunnen oder Wasserleitungen, mit Kanalisation, sowie mit Einrichtungen zur Herstellung von heißem Wasser versehen und hinreichend beleuchtet sein. Stallungen zum Ausruhen des Schlachtviehs mussten vorhanden sein. Die gesamte Anlage musste in allen Teilen gründlich gereinigt und desinfiziert werden können.
  3. Die Seegrenzschlachthäuser waren mit allen zur völligen Ausschlachtung der Tiere notwendigen Einrichtungen, wie zum Brühen, zum Abkochen von Fleisch zur Aufbereitung der Eingeweide versehen sein. Bestand die Möglichkeit das abgeschlachtete Fleisch in eine in der Nähe vorhandene Kühlanlage zu bringen, konnte von deren Errichtung abgesehen werden.
  4. Die in den Seegrenzschlachthäusern tätigen gewerblichen und behördlichen Personen waren mit einer besonderen Arbeitskleidung zu versehen. Diese hatte, ebenso wie das Handwerkzeug der Metzger und sonstige Geräte, ständig auf den Seegrenzschlachthof zu verbleiben. Ohne den Wechsel der Arbeitskleidung und ohne Reinigung und Desinfektion des Schuhwerkes und der Hände dürfte niemand das Seegrenzschlachthaus verlassen.
  5. Heu, Stroh, Dünger und Kehricht dürfte von den Transportschiffen nur mit besonderer polizeilicher Genehmigung gelandet und dann unschädlich beseitigt oder in ausreichender Weise (Packung) desinfiziert werden.
  6. Aus dem Seegrenzschlachthof waren Dünger und Kehricht sowie Futterreste, Heu und Stroh nur nach polizeilich zu überwachender Desinfektion zu entfernen.

Der vom Reichsminister des Inneren verfolgte Zweck war der Schutz der deutschen Fleischwirtschaft vor der Einschleppung von ausländischen Seuchen, Lübeck war Einfuhrhafen für dänisches Schlachtvieh, aus dem Ausland.

In den vorhergehenden Jahren betrug die durchschnittliche Einfuhr von Wiederkäuern aus Dänemark zwischen 250 und 270000 Stück. Davon entfielen auf Lübeck fast 30 %. Die Schlachtungen wurden in dem Allgemeinen Schlachthof durchgeführt, da dessen Einrichtungen und Organisation der Schlachtungen sehr niedrig gehaltene Schlachtgebühren ermöglichten.

Umsetzung

Gesamtanblick vom alten Schlachthof her

Die Katharinenstraße sowie die Gütergleise der zur Lübeck-Büchener Eisenbahn gehörenden Hafenbahn mussten überbrückt werden. Dies erfolgte mit einen Hochtrift.

Die Karlstraße[1] wurde tiefer gelegt. Die bestehenden Gleise wurden durch ein Umfahrungsgleis und einige zu den Laderampen führende Stumpfgleise erweitert. Die Versorgung der Fleischwagons mit Eis erfolgte auf einem Gleis, das außerhalb des Seegrenzschlachthofes zur Eisfabrik im Kühlhaus führte. Die erweiterte Gleisanlage gewährte der Eisenbahn 1929 eine tägliche Zu- und Abführung von bis zu 60 Waggons. Den Verschiebedienst innerhalb des Seegrenzschlachthofes versah eine Werklokomotive.

Man war an das Städtische Elektrizitätswerk angeschlossen. Wasser lieferte das städtische Wasserwerk, Abwässer wurden in das, die Trave ohne vorherige Klärung als Vorflut nutzende, Stammsiel St. Lorenz abgeführt. Nach einer Erweiterung der Dampfzentrale des alten Schlachthofs lieferte dessen Kesselanlage den Dampf. Die Einfriedigung erfolgte durch 2 m hohe Wände. Zum alten Schlachthof hin waren es zwei Wände die eine 15 m breite sogenannte neutrale Zone abgrenzten.

Personenverkehr war nur durch das vom Pförtner kontrollierte Hauptportal mit einem Ausweis der Veterinärpolizei möglich. Das Portal zum Gelände durchschritt man von der Schwartauer Allee aus.

Baubeschreibung

Landungskai (1929)

Die Länge des Landekais ermöglichte es zu der Zeit der Inbetriebnahme des Seegrenzschlachthofes den beiden größten Virhtransport-Dampfern gleichzeitig anzulegen. Nach dem Löschen der Tiere wurden diese in einem überdachten Anbindeschuppen eingestellt. Nach dem Überschreiten der Zollgrenze wurden sie gewogen und bis zu ihrer Schlachtung in den ehemaligen Quarantäneställen untergebracht. Hier sind alle Holzwände und Pfosten, da in Ställen Holzteile bis zur Leckhöhe untersagt waren, durch massive Wände ersetzt worden. Den neusten Bedingungen entsprechend waren die Fußböden Wasser- und Jaucheundurchlässig.

Die Viehhochtrift war eine Eisenbetonbrücke mit einem Trog von 4 m Breite und einer Höhe von 1,80 m. Sie war beleuchtet, besaß eine gute Entwässerung und die Möglichkeit der Abspülung. Für den Fall entgegenkommender Viehtransporte waren den Treibern Unterstände in den Wandungen als Zufluchtstelle eingebaut worden.

Großviehschlachthalle

Die Großviehschlachthalle war 100 m lang und 16 m breit. Es handelt sich um einer zweischiffige Halle mit 6 m Binderentfernung. Im ersten Schiff, 7 m, fand die Tötung, im zweiten, das Abschlachten und die verterinärpolizeiliche Untersuchung statt. Die Eisenbetonarbeiten waren der Firma Max Giese, Lübeck-Kiel, übertragen worden. Durch 17 Tore gelangten die Tiere hinein. Nach dem Ausbluten wurde das Tier auf einen fahrbaren Schragen gebracht auf dem die Vorschlachtung erfolgte bevor es unter eine Schlachtwinde gefahren wurde. Vom Schragen aus wurde das Tier nun in die Schlachtspreize genommen und aufgewunden. Hinter der Schlachtwinde waren Aufhängegleise nebst Haken für Köpfe und Innereien, da hier die veterinärpolizeiliche Abnahme erfolgte. Nach dieser kamen die Hälften zu den Laderampen oder wurden in die Auskühlhalle gefahren. In der Halle standen 30 Schlachtwinden, die bei achtstündigem Betrieb und einer Schlachtdauer von 15 Minuten 960 Stück am Tag zu schlachten vermochten. Zur Erhöhung der Ausleuchtung wurden 9 sogenannte eine fortlaufende Fenstergalerie bildende Zwerghäuser auf dem flachen Dach aufgesetzt. An zwei Stellen der Schlachthallen sind je vier Zellen zur Aufbewahrung von Geräten und Innereien. An den beiden Köpfen der Hallen befinden sich Räume für Ärzte, Hallenmeister und Tierkommissionäre, sowie Toiletten.

Auskühlhalle

Auskühlhalle

Hierfür waren die Außenmauern und Fundamente einer früheren, die in ihrem alten Bestand nicht für den Seegrenzschlachthof nutzbar gemacht werden konnte, Viehmarkthalle der Firma Wilhelm Möller maßgebend. Die Halle besaß eine Fläche von 1200 qm. Deren Eisenträger und Dachkonstruktion lieferte das Flender-Werk Lübeck.[2] Es war möglich an ihren Fleischhängebahnen und Hakengerüsten eine volle Tagesschlachtung aufzuhängen. Um das Abvierteln zu Erleichtern, dienten an zahlreichen Stellen des Gleissystems angebrachte Ablassvorrichtungen. Die Außenwände und das treppenförmige Dach waren weitestgehend durch Lüftungsöffnungen mit eingebauten verstellbarn Jalousieeinrichtungen durchbrochen. Die in Lübeck vorherrschenden Südwestwinde durchstrichen die Halle in Diagonalrichtung wobei sie das Fleisch kühlten und trockneten. Um das Fleisch im Winter vor Frost zu schützen, waren an zwei Stellen Lufterhitzer mit Ventilationsbetrieb eingebaut.

Schweineschlachthalle

Schweineschlachthalle

Bei einer Grundfläche von 500 qm hatte die Halle 1929 eine tägliche Kapazität von bis zu 1000 Schweinen. Sie gelangten von einer Sammelbucht auf zwei Rampen zu den mit Schermerfallen ausgerüsteten erhöhten Tötungsbuchten. Unter ihr wurde das Blut zur Weiterverarbeitung gesammelt. Die Schweine ließ man in zwei Brühbottiche herab, aus denen sie durch Elevatoren auf Enthaarungstische gehoben wurden. Nun nahm man sie in die Schlachtspreizen. Durch Friktion angetriebene elektrische Winden hoben die Schlachtspreizen auf Fleischbahnhöhe. Im Anschluss an das Ausschlachten gelangten auch sie nach ärztlicher Kontrolle in die Auskühlungshalle.

Verwaltungsgebäude

Verwaltungsgebäude

Wie bei einem Schiff thronte die Kommandozentrale der Verwaltung, die Veterinärpolizei, sowie die Räume der Fleischbeschau und zehn kleiner Büros für Großschlachtfirmen im Obergeschoss wie eine Brücke auf dem Unterbau.

Im Erdgeschoß des Verwaltungsgebäudes befanden sich ein Sammelraum für konfisziertes Fleisch und Organe, eine Wandlerstation, Damen- und Herrentoiletten, in eine reine und unreine Seite geteilte Umkleidehallen für das Schlacht- und Verwaltungspersonal. Nach dem Entkleiden betrat der Schlachter die Wasch- und Badeanlage. In einem dritten Raum waren in Eisenschränken die Straßenkleider und –schuhe untergebracht, sowie eine Gastwirtschaft mit anschließenden Frühstücksraum für das Schlachterpersonal.

Im Sockelgeschoss war der Desinfektionsbetrieb und die Wäscherei.

Weiterverarbeitung

Neben dem Raum für die Entleerung der Pansen befand sich der 300 qm große Raum der Kaldaunenwäsche. Die Blut- und Pansendüngerverwertung waren eine Neuerung. Bisher floß das Blut größenteils in die Siele und diente dort den Fischen als Nahrung. Nun wurde es nach dem System Rud. A. Hartmann[3] verarbeitete nun in der Abfallverwertung wurde das Blut der Tiere zu Blutmehl.

Eine besondere Schwierigkeit bot die Aufbereitung des bisher im offenen Pferdefuhrwerk den Gärtnereien zu Düngezwecken zugeführten sogenannten Wampendüngers. Die ständigen Klagen der Anwohner der Durchfahrtsstraßen über Geruchsbelästigung erforderten eine grundlegende Änderung des Abfuhrsystems. Der unverdaute Mageninhalt der Rinder wurde nach dem System Venuleth & Ellenberger[4] unter vorherigen Zusatz von Kalkmilch zur Entleimung getrocknet. Gegeneinander arbeitende Walzenpressen entzogen dem Dung Feuchtigkeit und verringerten sein Gewicht um 90 %. Nach der Pressung war er freizügig und wurde in Tankwagen zu den Gärtnereien gebracht.

Geschichte

Die Gesamtkosten für die Errichtung des Seegrenzschlachthofes waren auf 1,8 Millionen Reichsmark veranschlagt. Für den Umbau der ehemaligen Quarantäneställe erforderte weitere 175 TRM.

Die maschinellen und heizungstechnischen Anlagen führte die Hochbauabteilung III aus. Die Besielung und Hofbefestigung betreute der Tiefbau. Eisenbahntechnische Arbeiten, sowie die Ausführung des Viehtrifts leitete die Wasserbauabteilung. Unter der Führung des lübeckischen Staates hatte sich die Seegrenz-Schlachthaus Betriebs-Aktien-Gesellschaft gebildet.

Wurden in Lübeck 1890 40000 Tiere im Jahr geschlachtet, waren es im Ersten Weltkrieg schon 164000 pro Jahr. Auf einem kleinem Gebiet war eine einzigartig integrierte Wertschöpfungskette vom Seeimport über das Schlachten, Kühlen, Gefrieren, Handeln und Versenden der Fleischerzeugnisse, die in den 1920ern um einen weiteren Schlachthof erweitert wurde, entstanden. Mit den Seegrenzschlachthöfen wurden zugleich auch Importschleusen zum Schutz der heimischen Landwirtschaft vor importiertem Preisdruck mittels Kontingentierung geschaffen.

Reparaturen von Kriegsschäden, An- und Umbauten und die fast völlige Entfernung der gesamten bauzeitlichen Innenausstattung nahmen dem Gebäude all das, was es ursprünglich mit der hier in Backstein ausgeführten Stromlinien-Moderne mit ihren nautischen Elementen ausgemacht hatte. Das Bild des Gebäudeabschnittes zeigt die damalige Wirkung von den quer-oblong proportionierten und von in durchlaufenden Gesimsbändern zusammengefassten Fensterreihen, die im Obergeschossdurch maritim wirkende Rundfenster abgeschlossen wurden, ausging. Der gesamten hofseitigen Fassade ist heute eine zweite Gebäudeschale, der die historischen Treppenaufgänge, Eingangssituationen sowie der markante Pylon mit der Werksuhr zu weichen hatten.

Der öffentliche Schlachthof stellte nach dem Zweiten Weltkrieg seinen Betrieb ein und wurde 1950 geschliffen. Die Kühlhaus Lübeck AG übernahm 1973 das Gelände und rückte durch seine Neubauten näher an den Seegrenzschlachthof heran. Seine alten Anlagen wurden, bis auf das in der Katharinenstraße befindliche Verwaltungsgebäude, 1986 abgerissen. Es wird noch heute von der Rechtsnachfolgerin, Nordfrost Kühl- und Lagerhaus KG, genutzt.

Zu Beginn der 1970er wandelten, bedingt durch die preisbedingte Erzeugung des Fleisches im Ausland, sich die Art und dessen Umfang der hiesigen Tätigkeiten. Der Betrieb vieler mitunter nicht mehr ökonomisch vertretbarer Schlachthöfe wurde privatisiert oder eingestellt.

Der Lübecker Seegrenzschlachthof ging 1972 in die Hände der Nordfleisch AG, zu jener Zeit die Nr. 2 auf dem deutschen Fleischmarkt, über. Sie wurde bon ihrem holländischen Konkurrenten Bestmeat Company übernommen wurde und gehört heute dem internationalen Nahrungsmittelkonzern Vion N. V.. Der Seegrenzschlachthof wurde in einen Versandschlachthof umgebaut. Die mit der Verdichtung einhergehenden Eingriffe in die historische Bausubstanz erfolgten aufgrund einer kurzfristigen Armortisierungsanforderung. Lübeck profitierte in den 1990er Jahren von der Stilllegung anderer Schlachthöfe zur Konzentrierung auf wenige Fleischzentren, doch 2006 musste auch Lübeck mit seinen 58 Mitarbeitern den Betrieb einstellen. Seitdem ist die Anlage dem Verfall preisgegeben. Als einzig erhaltenen Seegrenzschlachthof Deutschlands wurde dessen Ruine 2016 unter Denkmalschutz gestellt.[5]

Literatur

  • Der Seegrenzschlachthof zu Lübeck. In: Vaterländische Blätter, Nr. 2, Jahrgang 1928/29, Ausgabe vom 28. Oktober 1928, S. 5–7
  • Das neue Seegrenzschlachthaus in Lübeck. In: Vaterländische Blätter, Nr. 26, Jahrgang 1928/29, Ausgabe vom 29. September 1929, S. 101–108
Commons: Seegrenzschlachthof (Lübeck) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Die Karlstraße führt von der Schwartauer Allee hinab, beendet die Katharinenstraße und führt als Einsiedelstraße weiter.
  2. Schon durch einen der Belegschaft des Flenderwerkes im Oktober 1928 sollte sich die planmäßige Baudurchführung verzögern.
  3. Die Maschinenfabrik, Eisen- und Metallgießerei Rud. A. Hartmann in Neukölln wurde im September 1929 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und hatte ihre letzte Hauptversammlung am 22. März 1943.
  4. Maschinenbauanstalt Venuleth & Ellenberger AG, Darmstadt
  5. Schlachthof unter Denkmalschutz gestellt

Koordinaten: 53° 52′ 52″ N, 10° 41′ 10″ O