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Nihilismus

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Der Begriff Nihilismus (lat.: „nihil“; „nichts“) bezeichnet eine Weltanschauung, die eine vorfindbare Sinnhaftigkeit der Welt bestreitet. Objektive Erkenntnismöglichkeit und feststehende Wahrheiten werden verneint. Es werden keine absoluten Werte oder Normen und somit auch keine allgemeingültige Moral anerkannt. Eine Moral wird nur so weit vertreten, dass man dem Minimum an Anstand entspricht, was die Gesellschaft verlangt. Im Grunde denkt man morallos. Nihilismus wurde historisch nicht selten als Vorwurf zur Verleumdung und Diffamierung Andersdenkender wie Galileo Galilei und anderer vermeintlicher „Ketzer“ eingesetzt.

Philosophie

Nietzsche

Der Begriff wurde insbesondere durch das Werk des deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche geprägt. Obwohl heute der Begriff oft gegen Atheisten (und speziell gegen Nietzsches Weltanschauung) verwendet wird, hatte Nietzsche selbst den Begriff gegen die christliche Religion verwendet, die er als im Kern nihilistisch brandmarkte. Nietzsche formuliert den Nihilismus insbesondere mit diesen Argumenten:

  • „Es ist nichts mit der Moral: moralische Werte haben keine unbedingte Geltung, sondern sind nur in einer bestimmten Situation nützlich oder nutzlos.“
  • „Es ist nichts mit der Wahrheit: Unbezweifelbare, objektive und ewige Wahrheiten sind nicht erkennbar. Wahrheit ist stets subjektiv.“
  • Gott ist tot: Es existiert keine übergeordnete, ewige Instanz. Der Mensch ist auf sich selbst zurückgeworfen.“
  • „Die ewige Wiederkehr des Gleichen: Geschichte ist nicht finalistisch, es gibt keinen Fortschritt und kein Ziel.“

Einer von Nietzsches Wegen zur Überwindung des Nihilismus ist der Übermensch aus „Also sprach Zarathustra“.

Weitere Gedanken zum Thema

Nietzsches Verwendung des Nihilismus-Begriffs wird oft zu Unrecht in Anspruch genommen. Gerade der heutige „Hedonismus“ der modernen Konsumgesellschaft wird oft damit gleichgesetzt, ist aber etwas wesentlich Anderes. Auch dem Existentialismus wurde vorgeworfen, im Grunde ein Nihilismus zu sein.

Nietzsche geht davon aus, dass die Bibel ein ansatzweise nihilistisches Werk enthält, da fast alles für nichtig angesehen wird.

Manche konservativ-christliche Strömungen werfen ihren Gegnern Nihilismus vor, da sie sich nicht an der Religion orientieren, die allein aber die letzten Begründungen für Sinnhaftigkeit liefern könne. Säkulare Strömungen bestreiten dies wiederum (Metaphysik). Auch dem Buddhismus wurde oft vorgeworfen, er sei eine nihilistische Lehre. Dies bezog sich auf seinen Begriff des Nirvana, der jedoch mit philosophischem Nihilismus nichts gemein hat.

Von manchen wird die Kunst selbst in ihrem Wesen und ihrer Gesamtheit als nihilistisch angelegt gesehen.

Kritik

Gegen den Nihilismus wird kritisch eingewandt, er widerspreche sich selbst: denn wenn nichts ist und folglich nichts wahr ist, dann wäre es auch nicht der Nihilismus. Wäre er nicht wahr, so könne aus der Verneinung seiner Aussage „Nichts ist wahr“ geschlossen werden: „Es gibt etwas, das wahr ist“. So entsteht ein zirkelschlüssiges Paradoxon. Das Schicksal eines solchen Paradoxons teile der Nihilismus etwa mit dem Relativismus, dem Skeptizismus, dem Antidogmatismus und dem Subjektivismus. Dem wird jedoch von Vertretern der erwähnten Philosophien meist entgegen gehalten, dass die negierenden Kernaussagen der genannten Philosophien Meta-Aussagen über weltliche und transzendente Theorien beziehungsweise Gegebenheiten seien, und somit nicht auf sich selbst anzuwenden wären, womit das vermeintliche zirkuläre Paradoxon sich auflösen würde.

Umgekehrt wird aber auch den nicht negierenden sondern postulierenden Weltanschauungen vorgehalten, sie fielen ohne ihre Grundannahmen gegenstandslos in sich zusammen. So stelle etwa der Theismus den Versuch dar, durch die (axiomatische) Annahme eines Gottes, welche nicht kritisierbar sei, sich aus sich selbst zu beweisen. Insofern seien alle Weltanschauungen mit dem Makel nichtkonsistenter Theorien behaftet, die ihre Allgemeingültigkeit entweder selbst in Frage stellten oder nicht von einem äußeren Standpunkt her belegen könnten. Insbesondere halten viele gemäß dem Münchhausen-Trilemma Letztbegründungen für nicht möglich.

Zitate

„Du wirst niemals mehr beten, niemals mehr in endlosem Vertrauen ausruhen.“
„Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet.“
„Du versagst es dir, vor einer letzten Weisheit, Güte, letzten Macht stehen zu bleiben.“
„Du hast keinen fortwährenden Wächter und Freund für deine sieben Einsamkeiten. Mensch der Entsagung, in alledem willst du entsagen? Wer wird dir die Kraft dazu geben? Noch hatte niemand diese Kraft.“ (Friedrich Nietzsche, 1844–1900, deutscher Philosoph und klassischer Philologe)
  • "Alles erscheint lächerlich, wenn man an den Tod denkt." (Thomas Bernhard, österreicherischer Schriftsteller)

Siehe auch

Literatur

  • Ludger Lütkehaus: Nichts. Haffmans Verlag, Zürich 1999
  • Federico Vercellone: Einführung in den Nihilismus. Wilhelm Fink Verlag, München 1998
  • Winfried Schröder: Moralischer Nihilismus von den Sophisten bis Nietzsche. Reclam, Stuttgart 2005
Wiktionary: Nihilismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen