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Magyaren

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Die Magyaren oder Madjaren oder (ethnischen) Ungarn (Singular im Ungarischen magyar, Plural magyarok) sind ein Volk in Europa.

In wissenschaftlichen Texten werden sie als „Magyaren“ bezeichnet. Die Bezeichnung „Ungar“ kann sich, insbesondere in Geschichtstexten, auch allgemein auf die Bewohner des historischen Königreichs Ungarn und die des heutigen Staats Ungarn beziehen, also nicht nur auf die Magyaren.

Die Magyaren gehören wegen ihrer Sprache zu den finno-ugrischen Völkern.

Verbreitung

Die Ungarn leben im Ungarischen Tiefland und zählen um die 15 Millionen Menschen, von denen nur 10 Millionen in Ungarn, die restlichen als große Minderheiten seit 1918 außerhalb Ungarns, vor allem in der Vojvodina (Serbien), der Slowakei, Rumänien und Kroatien leben. Auch in der zur Ukraine gehörenden Karpatoukraine leben offiziell 151.000 Ungarn. Sie bewohnen dort etwa 130 Gemeinden und stellen in 80 davon die Bevölkerungsmehrheit.

Die Székler (ungar. Székely, Plural Székelyek) sind eine besondere ungarisch-sprachige Gruppe, die in Siebenbürgen (Rumänien) leben. Nach der vorherrschenden Meinung handelt es sich nur um einen „Zweig“ der restlichen Ungarn, nach einer sehr umstrittenen These soll es sich um Nachfahren der Hunnen handeln.

Geschichte

Die Vorfahren der Magyaren, uralische Völker, siedelten noch im 6. bis zum 4. Jahrtausend v. Chr. in der Umgebung des namensgebenden Uralgebirges, wohl hauptsächlich an dessen Ostseite. Archäologische Funde in dieser Gegend lassen vermuten, dass den uralischen Völkern im 4. Jahrtausend noch größtenteils die Ostabhänge des mittleren und südlichen Abschnitts dieses Gebirgsmassivs als Lebensraum dienten. Einzelne Gruppen brachen zwischen 4000 und 3000 v. Chr. in östliche und westliche Richtung auf. Andere blieben höchstwahrscheinlich in den Gebieten östlich des Ural – aus diesem Grund gehören die dort verbliebenen Chanten und Mansen zu den nächsten sprachlichen Verwandten der Ungarn.

Später zogen sie in die Steppen der südlichen Ukraine (magyar. Etelköz, „das Land zwischen den Flüssen“), wo sie unter chasarischer Oberherrschaft standen.

Nach jahrzehntelangen Plünderungszügen gegen das Ostfrankenreich und Großmähren überquerten schließlich 896 die Vorfahren der Magyaren als Reitervolk mit großen Viehherden (siehe Ungarisches Steppenrind) die Ostkarpaten, wo sie sich vorläufig im oberen Theiß-Gebiet niederließen und auf eine slawische Vorbevölkerung trafen. Von hier aus brachen die altmagyarischen Reiter wieder zu langen Plünderungszügen durch ganz Europa auf, so überfielen sie Gebiete unter anderem in Bayern, Italien, Frankreich und Spanien. 901 kehrten sie dann nicht mehr an die obere Theiß zurück, sondern siedelten sich am Plattensee an und eroberten in den nachfolgenden Jahrzehnten auch Gebiete der marchia orientalis bis zur Enns (Ostösterreich) und des Neutraer Fürstentums (südwestliche Slowakei).

Nachdem die Magyaren 955 in der Schlacht auf dem Lechfeld von den ostfränkischen und böhmischen Truppen geschlagen wurden, zogen sie sich aus Österreich (außer aus dem Burgenland) zurück, ließen sich endgültig im heutigen West-Ungarn nieder und passten sich langsam an die Lebensweise der sie umgebenden slawischen Vorbevölkerung an. Allmählich wurde das ehemalige Nomadenvolk der Magyaren sesshaft. Zudem assimilierten die Magyaren die unmittelbar im heutigen Ungarn lebende slawische Vorbevölkerung (siehe zum Beispiel Plattensee-Fürstentum) allmählich.

Ab dem letzten Viertel des 10. Jahrhunderts wurden die Ungarn unter Fürst Géza und unter Stephan I. christianisiert.

Im Hochmittelalter war Ungarn bereits vergleichsweise dicht besiedelt, entvölkerte sich jedoch bedingt durch den Mongolensturm sehr stark (Folgen der Schlacht bei Muhi).

Mit der Eroberung des Balkans durch die Osmanen (Türken) im 16. Jahrhundert wurde insbesondere das heutige Ungarn teilweise entvölkert. Nach der Niederschlagung der Osmanen wurden die entvölkerten Gebiete (vor allem im Rahmen der drei Hauptumsiedlungswellen 1690, 1711 und 1745) von Slowaken, Siedlern aus Österreich sowie zum Teil von Siedlern aus anderen Teilen Europas wiederbevölkert. Ein Großteil dieser Einwanderer ging später im ungarischen Volk auf.

So sind die heutigen Ungarn eines der vielen Völker, bei denen der genetische Befund nicht zum linguistischen passt: Während die Sprache keine indoeuropäische ist, sind genetische Spuren der Vorfahren kaum noch zu entdecken.

Name

Magyar

Das Wort magyar (früher megyeri) ist heute die Selbstbezeichnung der Magyaren. Es taucht schon im 9. und 10. Jahrhundert in muslimischen Quellen auf. Es ist wahrscheinlich ein Kompositum aus magy (< ugrisch *mańćε = Mensch, Mann, Geschlecht) und er(i) (ebenfalls Mensch, Mann, Geschlecht).

Die Magyaren waren ein asiatisches Reitervolk. Allerdings ist zu beachten, dass das Wort anfangs nur die Bezeichnung eines von sieben (unterschiedlichen) nomadischen Stämmen war, die im 9. Jahrhundert und Anfang des 10. Jahrhundert räuberische Einfälle in Europa, vor allem in Großmähren, unternahmen. Die Stämme hießen Meder (Megyer), Tarján, Jenő, Kér, Keszih, Kürt-Gyarmat und Nyék. Gegen Ende des 10. Jahrhunderts ist es dem Stamm der Magyaren – d. h. den Nachkommen Árpáds – gelungen, die restlichen Stämme unter seiner Oberherrschaft zu vereinigen. Von da an kann von Magyaren (wenn auch noch nicht im ethnischen Sinne) gesprochen werden.

Andere Namen

Die Eroberer von Großmähren wurden von den damaligen Quellen als Ungari oder Ougri (nicht als Magyaren) bezeichnet. Die fränkischen Chronikschreiber verwendeten fast von Anfang an auch den lateinischen Begriff (H)ungarus. Viele damalige Texte bezeichnen sie auch als Türken (vor allem Konstantin Porphyrogennetos um 950) bzw. irrtümlicherweise als Hunnen oder Awaren, da ihre Lebensweise jener dieser zwei Völker ähnelte.

Die von Nicht-Magyaren bis heute verwendeten Formen (H)ungarus, (H)ungarn, Uhri, Vengry, Hungarian, Hongrois usw. gelangte aus dem slawischen og(ъ)r- durch germanische Vermittlung in die europäischen Sprachen. Das slawische Wort lässt sich auf die bulgarotürkische Stammesbezeichnung onogur (on = zehn + ogur = Stamm) zurückführen, die dadurch entstand, dass die Vorfahren der Magyaren im 5. und 6. Jahrhundert in enger Verbindung mit dem Onogurenreich lebten, dessen führender Stammesverband Onoguren hieß. Das H- im lateinischen Hungarus (und dadurch auch in manchen anderen Sprachen) entstand dadurch, dass der Name irrtümlicherweise mit den Hunnen (Hunni) in Verbindung gebracht wurde. Kaiser Franz Joseph I. nannte sich noch König von Hungarn.

Siehe auch

Literatur

  • Mechthild Schulze-Dörrlamm, Die Ungarneinfälle des 10. Jahrhunderts im Spiegel archäologischer Funde. In: Joachim Henning (Hrsg.), Europa im 10. Jahrhundert. Archäologie einer Aufbruchszeit (Mainz 2002) 109–122. ISBN 3-8053-2872-9
  • László Révész, Archäologische Forschungen zur Landnahmezeit in Ungarn: Ergebnisse, methodologische Probleme, ungelöste Fragen. In: ebd. 123–130.
  • W. Jahn, C. Lankes, W. Petz und E. Brockhoff (Hrsg.), Bayern – Ungarn. Tausend Jahre. Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2001 (Augsburg 2001), ISBN 3-927233-78-1.
  • Ebd., Aufsätze zur Bayerischen Landesausstellung 2001 (Regensburg 2001), ISBN 3-9804433-6-1, ISBN 3-7917-1753-7
  • Alfried Wieczorek / Hans-Martin Hinz (Hrsg.), Europas Mitte um 1000 (Stuttgart 2000), ISBN 3-8062-1544-8, ISBN 3-8062-1545-6.