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Ricinus communis

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Wunderbaum
Früchte
Früchte

Wunderbaum (Rizinus communis)

Systematik
Ordnung: Euphorbiales
Familie: Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae)
Unterfamilie: Acalyphoideae
Tribus: Acalypheae
Gattung: Rizinus (Ricinus)
Art: Wunderbaum (R. communis)

Der Wunderbaum, (Ricinus communis), auch Christuspalme, Hundsbaum, Läusebaum, Palma Christi oder, den Gattungsnamen verallgemeinernd, Rizinus genannt, ist ein Baum aus der Familie der Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae).

Beschreibung

Der Baum wird bis zu 13 Meter hoch und blüht von August bis Oktober, mit unscheinbaren Blüten in endständigen Rispen. Die Blätter sind groß, handförmig, wechselständig und fünf- bis siebenlappig. Die Pflanze hat dreifächerige Früchte und eine stachelige Fruchtkapsel mit gefleckten bohnenförmigen Samen.

Der Samen enthält einen Fruchtknoten, seine Schale ist rötlichbraun marmoriert.

Verbreitung

Datei:RICINUS.jpg
Botanische Zeichnung

Die Pflanze stammt wahrscheinlich aus Indien oder dem tropischen Afrika. Die Pflanze liebt einen sonnigen und warmen Platz. Der Boden sollte humus- und nährstoffreich und gut durchlässig, eine gute Wasserversorgung sollte sichergestellt sein.

Wirkstoffe

Rizinusöl

Das viskose Rizinusöl (Oleum Ricini s. Castoris) wird aus den Samen der Pflanze (Ölanteil von etwa 40-50 %) kalt gepresst, es besteht zu 70-77 % aus Triglyceriden der Rizinolsäure.

Rizin

Die Samen des Wunderbaums sind sehr giftig, da sie das toxische Protein (Eiweiß) Rizin (Lectin) enthalten. Das höchst wirksame Gift muss eingenommen, injiziert oder in größeren Mengen eingeatmet werden, um zu wirken. Bei der Einnahme kann schon eine Menge von 0,25 Milligramm tödlich enden. Die parenteral letale Dosis beträgt bei Mäusen je nach Reinheitsgrad der Substanz etwa ein Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht. Rizin löst sich zwar in Wasser, ist aber fettunlöslich und daher nicht im Rizinusöl enthalten. Beim Pressen der Samen bleibt das Gift somit in den Pressrückständen übrig.

Symptome einer Rizin-Vergiftung sind:

Der Tod tritt üblicherweise durch Kreislaufversagen etwa zwei Tage nach der Vergiftung ein. Ein agglutiniertes Protein führt zum Verklumpen der roten Blutkörperchen.

Verwendung

Rizinus-Pflanzen
Rizinus-Blätter

Verwendung als Garten-Zierpflanze

Im Alten Testament wird ein schattenspendes Staudengewächs erwähnt, bei dem es sich vermutlich um den Wunderbaum handelt (Jonah 4,610). Auch heutzutage ist sie beliebt, in unseren Breiten überlebt die frostempfindliche Pflanze den Winter jedoch nicht, und wird daher nur als einjährige Zierpflanze kultiviert. Idealer Standort im Garten ist ein Mistbeet.

Verwendung als Heilpflanze

Die Verwendung des Wunderbaumes als Medizinal- und Ölpflanze ist bereits um 1552 v. Chr. im ältesten erhaltenen medizinischen Text, dem altägyptischen Papyrus Eber, bezeugt, auch wurden Samen der Pflanze in ägyptischen Gräbern gefunden. Unter anderem kann das Öl als Abführmittel sowie für die Haarpflege und als Schmiermittel benutzt werden.

Am bekanntesten ist die Verwendung als unverdauliches Abführmittel bei Verstopfung oder zur beschleunigten Darmentleerung. Die Wirkung tritt nach der Einnahme von rund 10 bis 30 Millilitern Rizinusöl etwa zwei bis vier Stunden später durch die eigentlich wirksame Rizinolsäure ein, eine C18-Fettsäure, die erst im Dünndarm durch körpereigene Lipasen (=fettspaltende Enzyme) freigesetzt wird. Durch die Sammlung von Wasser im Darm entsteht eine vergrößerte und erweichte Stuhlmenge und damit die abführende Wirkung. Zusätzlich führt die freigesetzte Rizinolsäure zu einer Reizung der Darmschleimhaut, wodurch ebenfalls eine abführende Wirkung entsteht.

Als Nebenwirkung wird die Aufnahme von Natrium und Wasser und von fettlöslichen Vitaminen aus dem Darm gehemmt, ein erhöhter Kalium- und Elektrolytverlust kann die Wirkung von Herzglykosiden verstärken. In höheren Dosen können Übelkeit, Erbrechen, Koliken und heftiger Durchfall auftreten.

Das in den Samen enthaltene hochgiftige Toxin Rizin wird wegen seiner zytostatischen Wirkung (einer Wachstum hemmenden Wirkung auf Krebszellen) aber auch vermehrt in der Tumor-Therapie eingesetzt.

Verwendung des Gifts

Rizin ist eines der potentesten, natürlich vorkommenden Gifte überhaupt und außerdem sehr leicht herstellbar. Da es auch über die Atemwege wirkt, wurde es von der britischen Armee auf seine Verwendbarkeit als Kampfgift geprüft, sein Einsatz jedoch verworfen und die entsprechenden Vorräte vernichtet, insbesondere, da er sich nur schwer als Aerosol verteilen läßt und eher für Anschläge auf Einzelpersonen geeignet ist. Trotz seiner mangelnden Eignung für einen Angriff mit dem Ziel von Massentötungen ist Rizin gemäß internationalen Abmachungen über biologische und chemische Waffen verboten. Ob das Gift trotzdem von Saddam Hussein im Rahmen der im Irak zeitweise betriebenen Produktion von Massenvernichtungsmitteln hergestellt wurde, wie zeitweise verlautete, lässt sich wegen der durch die Regierungen der USA und Grossbritannien nachhaltig gestörten Quellenlage nicht eindeutig beurteilen.

Schon in der winzigen Menge von einem bis zehn Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht könne Ricin tödlich sein, heißt es im "New Scientist" online. Gelangt der Stoff über die Nahrung, eine Injektion oder durch Einatmen in den Körper, blockiert er die Proteinsynthese in der Zelle. Die Symptome sind ähnlich denen einer Grippe mit hohem Fieber und Kopfschmerzen. Der unter internationalen Abmachungen über biologische und chemische Waffen verbotene Stoff ist eher für Anschläge auf Einzelpersonen als für einen Terrorangriff mit dem Ziel von Massentötungen geeignet. So wurde der bulgarische Dissident und BBC-Mitarbeiter Georgi Markov 1978 auf offener Straße in London mit einer mit Ricin vergifteten Regenschirmspitze ermordet. Für Terroranschläge habe Ricin eher einen "symbolischen Wert", erläuterten britische Experten. Allerdings sei die Gewinnung aus den Samen ohne großes Fachwissen möglich.

Erstmals praktisch als Waffe eingesetzt wurde Rizin im Jahr 1978, als der bulgarische Journalist und Dissident Georgij Markow in London vermutlich von Geheimdienstagenten auf offener Straße mit einem Regenschirm angegriffen und in den Oberschenkel gestochen wurde, dessen Spitze mit wenigen hundert millionstel Gramm Rizin präpariert worden war. Markow starb einige Tage später im Krankenhaus an den Folgen des Giftes.

1991 wurden in Minnesota mehrere Mitglieder der rechtsextremistischen Gruppe Patriot's Council festgenommen, weil sie für einen Anschlag auf Bundespolizisten eine Menge an Rizin hergestellt hatten, die für über 100 Tote ausreichend gewesen wäre. Vier von ihnen wurden gemäß dem "Biological Weapons Anti‑Terrorism Act" von 1989 für schuldig befunden, sie waren die ersten nach diesem Gesetz Verurteilten überhaupt.

1995 wurde an der kanadisch-amerikanischen Grenze ein ebenfalls dem rechtsextremistischen Lager zugerechneter Mann beim versuchten Schmuggel von 130 Gramm pulverisiertem Rizin festgenommen.

Die Londoner Times berichtete am 16. November 2001, daß in verlassenen al-Qaida-Häusern in Kabul Herstellungsanleitungen für Rizin gefunden wurden, allerdings kein Rizin selbst.

Am 9. Januar 2003 meldete dpa, daß in London kleinere Mengen Rizin sowie Geräte zu seiner Herstellung gefunden wurden. In diesem Zusammenhang wurden sechs Algerier festgenommen.

Andere Verwendungen

Auch als Rohstoff für Linoleumböden, Lack- und Farbherstellung ist Rizinusöl im Einsatz. In der Kosmetikindustrie wird es als Grundstoff für Lippenstifte, Haarshampoo und andere Kosmetika verwendet.

Die Rückstände der Ölpressung (Ölkuchen, Schrot) werden (nach Entgiftung durch Hitzeinaktivierung) häufig in organischen Düngern verwendet.

Das Öl der Samen wurde früher in Europa als Brennöl eingesetzt.

Literatur

  • Guido Majno, "The Healing Hand, Man and the Wound in the Ancient World", Cambridge, Mass., 1975