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Sprengstoff-Fund im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt

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Beim Sprengstoff-Fund im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt im März 2018 wurde bei Angehörigen der linken Szene in Thüringen der Sprengstoff Erythritoltetranitrat sowie Hilfsmittel und große Mengen an Substanzen zum Bombenbau gefunden. Einer der beiden Tatverdächtigen war zuvor Sprecher eines Anti-Rechts-Bündnis. Die Opposition im thüringischen Landtag kritisierte, dass die rot-rot-grüne Landesregierung auf den Fall zu zögerlich reagiert habe und das Landeskriminalamt sich als nicht zuständig erklärte.[1][2][3]

Tatverdächtige und Ermittlungen

Am 13. März 2018 wurden zwei Tatverdächtige im Alter von 25 und 31 Jahren festgenommen, mehrere Wohnungen in Rudolstadt und Uhlstädt-Kirchhasel untersucht und 12 Kilogramm Chemikalien gefunden, die zur Herstellung von Sprengstoff dienen können, Magnesium- und Schwefelpulver, Aceton, Wasserstoffperoxid, Kaliumnitrat, Calciumcarbid und außerdem 75 kg Stickstoffdünger.[4] Auch 2,3 Kilogramm Sprengstoff (Erythritoltetranitrat)[5], ein Trolley, der die Komponenten zur Herstellung von TATP enthielt, eine Schreckschusswaffe und eine Cannabis-Aufzuchtanlage wurden entdeckt.[6] Neben den genannten Chemikalien wurden mehrere Flaschen Buttersäure gefunden. Diese wird auch von linken und rechten Aktivisten bei politisch motivierten Übergriffen eingesetzt.[3]

Den Verdächtigen wird die Vorbereitung eines Explosionsverbrechen vorgeworfen. Sie bestritten mögliche Anschlagspläne, räumten aber die Herstellung von Bombenmaterial und die Lagerung von Chemikalien ein.[4] Sie wurden wieder auf freiem Fuß gesetzt. Die Zeugin, die den Hinweis auf die Verdächtigen lieferte, steht mittlerweile unter Polizeischutz.[3] Die Zeugin lebt in Angst weil die Beschuldigten noch frei herumlaufen und sich der Polizeischutz darauf beschränkt, dass ein Polizeiwagen ein Paar mal vorbeifährt.[7]

Einer der Tatverdächtigen trat wiederholt wegen Gewalt-, Eigentums- und Drogendelikten in Erscheinung.[3][8] Der zweite ist Lagerist und sitzt seit einem Unfall im Rollstuhl.[9] Der zweite Tatverdächtige war Sprecher des Bündnis für Zivilcourage und Menschenrechte, für die er stellvertretend von der rot-rot-grünen Landesregierung den „Thüringer Demokratiepreis“ 2016 entgegengenommen hatte.[3][6][10] Die Gruppe distanzierte sich von dem Verdächtigen.[11] Die Erwähnung des Verdächtigen als Pressesprecher auf der Internetseite der Gruppe wurde am Abend des 14. März entfernt.[12]

Das Landeskriminalamt Thüringen, das in der Regel in solchen Fällen ermittelt,[1] erklärte am 16. März, in diesem Fall keine Ermittlungen aufnehmen zu wollen, da „keine Anzeichen für einen politischen Hintergrund“ zu sehen seien und es zunächst der Spur einer kleinkriminellen Karriere des Verdächtigen nachging. Der Landesvorsitzende der Thüringer CDU, Mike Mohring, kritisierte diese Entscheidung: „Dass bei einem politisch äußerst umtriebigen lokalen Akteur kein politischer Hintergrund erkennbar sein soll, ist abenteuerlich“. Er behauptete, dass politischer Druck ausgeübt werde. Am 17. März übernahm das Landeskriminalamt die Ermittlungen. Der Thüringer Innenminister Georg Maier wies die Vorwürfe zurück und sagte, das Landeskriminalamt sei von Beginn in die Ermittlungen und die Wohnungsdurchsuchungen eingebunden gewesen.[13] Die Opposition im Landtag befasste sich auch mit der Linkspartei-Abgeordneten Katharina König-Preuss, die einen der Verdächtigen persönlich kennt. König-Preuss kommentierte, der Fall habe sie entsetzt, die Anwendung von Gewalt „widerspricht völlig meinen Vorstellungen vom Zusammenleben“.[14][15]

Inzwischen ist auch der Staatsschutz an den Ermittlungen beteiligt.[16]

Debatte im Landtag

Die CDU verlangte Aufklärung über den Gang der Ermittlungen und darüber in welchem Umfang der Staatsschutz in die Ermittlungen eingebunden wurde.[2] Am 20. März wurde der Sachverhalt in der Aktuellen Stunde im Thüringer Landtag debattiert, nachdem die Oppositionsfraktionen CDU und AfD dazu einen Dringlichkeitsantrag gestellt hatten.[17] Mike Mohring erklärte, hätte man bei Neonazis Sprengstoff gefunden, wäre der Aufschrei ungleich größer gewesen. Man dürfe weder auf dem rechten noch auf dem linken Auge blind sein. Die AfD forderte die Einführung einer Extremismusklausel, nach der Initiativen gegen Rechtsextremismus sich per Unterschrift zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen müssten, um finanzielle Förderung erhalten zu können.

Nach Aussage des Landesinnenminister Maier soll der Fall im Innenausschuss behandelt werden. Maier gab auch bekannt, dass die Auswertung der Handydaten der Beschuldigten Hinweise auf weitere Straftaten, allerdings keine Anschlagspläne ergeben hätten. Maier warnte außerdem davor, das Bündnis und andere Vereine pauschal als Gewalttäter zu verurteilen, und stellte heraus dass deren ehrenamtliche Mitarbeiter einen wichtigen Beitrag zu Integration, politischer Bildung sowie gegen Fremdenfeindlichkeit leisten.[13] Die Oppositionsparteien im Landtag warfen der rot-rot-grünen Landesregierung vor, dass nicht ausreichend in alle Richtungen ermittelt werde. Der Ministerpräsident Thüringens Bodo Ramelow hielt der AfD vor, eine „ideologisch-politische Schlacht“ zu inszenieren und dabei die Fakten zu missachten.[18]

Einzelnachweise

  1. a b Neue Zürcher Zeitung, Polizei findet Sprengstoff in linker Szene – Landesregierung Thüringen unter Druck, 18. März 2018
  2. a b Hannoversche Allgemeine, Thüringer LKA ermittelt nach Sprengstoff-Fund, 17. März 2018
  3. a b c d e Helmar Büchel, Claus Christian Malzahn: Sprengstoffaffäre in Thüringen: Der Beschuldigte ist „kein unbeschriebenes Blatt“, WeltN24, 25. März 2018.
  4. a b Fabian Klaus: Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Sprengstoff-Fund in Rudolstadt. In: Thüringer Allgemeine. 20. März 2018, abgerufen am 3. April 2018.
  5. Berliner Morgenpost, Sprengstofffund in Thüringen: LKA und Staatsschutz ermitteln, 20.03.2018
  6. a b MDR, LKA zieht Ermittlungen zu Sprengstoff-Fund an sich, 17.03.2018
  7. Die Welt, „Fühle mich durch Aussagen des Innenministers gefährdet“, 28.04.2018
  8. Thüringer Allgemeine, Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Sprengstoff-Fund in Rudolstadt, 20.03.2018
  9. Matthias Meisner, Tagesspiegel, 19. März 2018
  10. FAZ, Thüringer LKA übernimmt Ermittlungen, 17. März 2018
  11. Spiegel-Online, LKA ermittelt nach Sprengstofffund, 17. März 2018
  12. Thüringer Allgemeine, CDU: Sprengstoff-Fund in Rudolstadt wirft Fragen auf, 16. März 2018
  13. a b Ulrike Nimz: Diskussion um Sprengstoff-Fund. In: sueddeutsche.de. 20. März 2018, abgerufen am 3. April 2018.
  14. Die Welt, Sprengstofffunde in der Antifa-Szene – Landesregierung unter Druck, 17. März 2018
  15. Süddeutsche Zeitung, Sprengstoff-Fund im Kreis Saalfeld-Rudolstadt ist für LKA, 17. März 2018
  16. WAZ, Sprengstofffund in Thüringen: LKA und Staatsschutz ermitteln, 20.03.2018
  17. TAZ, Sprengstoff-Fund wird zum Thema, 20.03.2018
  18. ZDF, Thüringen: Wie politisch ist der Sprengstoff?, 20.03.2018