Informetrie
Informetrie ist die Lehre von der Anwendung mathematischer (insb. statistischer) Methoden auf die Sachverhalte des Informationswesens zur Messung (insb. Quantifizierung) zumeist wissenschaftlicher Leistung. Die Informetrie ist somit die Metrik der Informatik bzw. Informationswissenschaft und wird häufig auch als übergreifender Begriff für Bibliometrie und Scientometrie verwendet.
Die Begriffe Informetrie, Bibliometrie und Scientometrie werden in der Literatur nicht eindeutig, oft synonym verwendet. Heute wird die Informetrie (auch Infometrie, Informetrik oder Infometrik) meist als Sammelbegriff für alle drei Teilbereiche gesehen, die jeweils als Messdisziplin ihrem Wissenschaftsgebiet zugeordnet sind, so wird die Informetrie der Informationswissenschaft zugeordnet, wie die Bibliometrie der Bibliothekswissenschaft und die Scientometrie der Wissenschaftswissenschaft. Jede Messdisziplin beinhaltet die für die entsprechende Wissenschaftsdisziplin notwendigen mathematischen Methoden und Verfahren.
Geschichte
Kurze Geschichte der Informetrie
- 1917 veröffentlichen Cole & Eales mit "The history of comparative anatomy" die erste informetrische (im speziellen bibliometrische) Publikation.
- 1926 veröffentlicht Alfred James Lotka seine Arbeit zur Produktivität von Autoren
- 1948 wertet Samuel C. Bradford durch Zeitschriften veröffentlichte Arbeiten aus
- 1963 gründet Eugene Garfield das ISI (Institute for Scientific Information), um informetrische Studien mit den entsprechenden Quellinformationen versorgen zu können
- 1973 entwickeln Small & Marshakova die Kozitation
- Seit 1979 kursiert der aus der DDR kommende Begriff der Informetrie
Begriff
Die Informetrie als die Metrik der Informationswissenschaft umfasst die mathematischen Methoden zur Erforschung quantitativer Gesetzmäßigkeiten der Sachverhalte des Informationswesens.
Seit 1979 kursiert der aus der DDR kommende Begriff der "Informetrie". (O.Nacke: "ein neuer Name für eine neue Disziplin"). Entstanden ist er aus dem Problem, dass der ältere Begriff "Bibliometrie" mit der Zeit sehr grob verwendet wurde und in die Bibliometrie eingeordneten Arbeiten oft nicht mehr der Bibliothekswissenschaft zuzuordnen waren, sondern eher der Informatik oder Informationswissenschaft (siehe Bibliometrie). Ursprünglich war "Informetrie" also nicht als Sammelbegriff für Informetrie, Bibliometrie und Scientometrie gedacht.
1984 führte die "All-Union Institute for Scientific and Technical Information (VINITI)" ein Komitee unter der Leitung Nackes ein, welches die Informetrie als Bezeichnung für sowohl Bibliometrie als auch Scientometrie nutzte. Vier Jahre später wurde auf der "1st International Conference on Bibliometrics and Theoretical Aspects of Information Retrieval" wiederum Informetrie als übergreifender Begriff für Bibliometrie und Scientometrie verwendet, für herkömmlich und elektronisch verfasste Informationen.
Die Informetrie überlagert sich nicht nur mit den Feldern der Bibliometrie und Scientometrie, sondern und auch mit klassischen wissenschaftlichen Kommunikationsstudien, die sich keiner informetrischer Verfahren bedienen.
Konferenzen
Die erste International Conference on Bibliometrics and Theoretical Aspects of Information Retrieval wurde von Leo Egghe organisiert im August 1987 in Belgien abgehalten.[1] Es folgte 1989 die International Conference on Bibliometrics, Scientometrics and Informetrics in Ontario und 1991 die International Conference on Informetrics in Bangalore. Auf der International Conference on Bibliometrics, Informetrics and Scientometrics vom 11.-15. September 1993 in Berlin wurde die International Society for Informetrics and Scientometrics (ISSI) gegründet. Die ISSI veranstaltet seitdem zweijährig die International Conference of the International Society for Scientometrics and Informetrics in River Forest, Illinois (1995), Jerusalem (1997), Colima, Mexiko (1999), Sydney (2001), Peking (2003) und Stockholm (2005). Die nächste ISSI-Konferenz findet 2007 in Madrid statt.
Informetrische Analyse
Untersuchungsgegenstände der Informetrie sind klassischerweise einzelne Werke, die eines Autors, einer (Forscher-) Gruppe, einer Institution, eines Fachgebietes, Landes, oder Bereiches. Je nach Art der Werke, nach Informationsmedium, Verfahren und Fachgebiet wird ein anderer Teilbereich der Informetrie angesprochen.
Anwendungen
Die Informetrie weist einzelnen Werken eine bestimmte Relevanz zu und ermöglicht damit eine ganze Reihe unterschiedlicher Anwendungen, die auf verschiedene Verfahren zurückgreifen. Die Informetrie wird eingesetzt, um Literatur-Rankinglisten zu erstellen, um Schlüsselliteratur zu ermitteln, um Magazine, Forscher, Institute oder Regionen anhand ihrer Publikationen zu bewerten. Die historische Entwicklung von wissenschaftlichen Fachbereichen kann mit Hilfe der Informetrie aufgezeigt und die Alterung von Literatur festgestellt werden. Die Informetrie wird zur Planung in Büchereien (in Bezug auf die Anschaffungen) und zur Verteilung von öffentlichen Forschungsmitteln eingesetzt. Zur Untersuchung von Netzen wissenschaftlicher Zusammenarbeit bedient man sich ebenfalls der Informetrie.
Wie alle statistischen Studien müssen aber auch die informetrischen stets mit Vorsicht betrachtet werden. Nach einer informetrischen Studie kann ein Wissenschaftler zwar einen hohen Stellenwert haben, dies muss jedoch nicht zwingend heißen, dass er der Beste auf seinem Gebiet ist. Folgende Gründe können hierfür Ursache sein:
- Ein Wissenschaftler liefert mittelmäßige Beiträge, publiziert aber in renommierten Zeitschriften, dadurch gewinnt er an Reichweite.
- Ein Wissenschaftler ist zwar unbekannt, kennt aber einen bekannten Wissenschaftler, der mit ihm ko-publizieren möchte oder einfach seinen Namen zur Verfügung stellt. Somit suchen Wissenschaftler nach dem etablierteren Namen und stoßen zugleich auf die Texte des Unbekannten. Auch diese werden dann zitiert.
- Bestimmte Wissenschaftlerkreise bleiben im Zitationsverhalten unter sich.
- Ein Wissenschaftler hat einen gewissen Ruhm erlangt, also wird er häufig zitiert, obwohl seine Beiträge zur aktuellen Wissenschaft nicht hervorragend sind.
- Ein Wissenschaftler zitiert sich selbst. Dadurch können informetrische Analysen manipuliert werden.
Methoden
Eine der einfachsten Methoden, um die Leistung von Wissenschaftlern zu ermitteln, wäre schlicht die Anzahl ihrer Veröffentlichungen zu erfassen und sie so zu bewerten. Bei Universitäten könnte man auch die Anzahl der Gastprofessoren oder der Studienabgänger verwenden. Dies sagt aber noch nicht allzu viel über die Qualität aus.
Vor allem, wenn es darum geht welche Artikel in einer Fachzeitschrift veröffentlicht werden sollen, greift man auf das Verfahren des Peer Review zurück, bei dem die wissenschaftlichen Arbeiten durch Fachkollegen überprüft und beurteilt werden. Die Bewertung hängt dabei allerdings stark von den jeweiligen Experten ab.
Weitere Methoden, siehe Zitation, Kozitation, Impact Factor, Bibliographische Kopplung.
Beispiel
Wenn die wissenschaftliche Leistung einer Forschergruppe anhand ihrer Publikationen gemessen und bewertet werden soll, bedient man sich informetrischer Verfahren, indem man zum Beispiel die Zitate anderer Publikationen zählt, die auf die Werke der Forschergruppe verweisen.
Fachzeitschriften
Wichtige Fachzeitschriften für das Gebiet der Informetrie sind die 1978 in Ungarn gegründete Scientometrics (ISSN 0138-9130, [1]) aus dem Gebiet der Szientometrie, das Online-Journal Cybermetrics - International Journal of Scientometrics, Informetrics and Bibliometrics (ISSN 1137-5019, [2]) aus dem Gebiet der Webometrie sowie das Journal of the American Society for Information Science and Technology (JASIST, ISSN 1532-2882) aus dem Gebiet der Informationswissenschaft. Für 2007 ist ein Journal of Informetrics geplant, das vierteljährlich erscheinen und sich ganz schwerpunktmäßig der Informetrie widmen soll.
Siehe auch
- Eugene Garfield
- Gerard Salton
- Ronald Rousseau
- Bibliometrie
- Cybermetrie
- Impact-Faktor
- Kowort-Analyse
- Kozitation
- Librametrie
- Netometrie
- Scientometrie
- Technometrie
- Webometrie
- Wissenschaftsmetrie
- Wissenschaftswissenschaft
- Zitationsanalyse
Weblinks
- Mailingliste issi@listserv.rediris.es (Anmeldung erforderlich)
Quellen
- http://www.enforum.net/ ; Beiträge von Oliver Bayer
Literatur
- FJ Cole, N.B. Eales: The history of comparative anatomy, Science Progress, 11 (1917) 578-596
- Henry Smale (1973): Cocitation in scientific literature - new measure of relationship between 2 documents. JOURNAL OF THE AMERICAN SOCIETY FOR INFORMATION SCIENCE 24(4):265-269
- I. V. Marshakova (1973): Bibliographic coupling system based on cited references. Nauc hno- Tekhnicheskaya Inf ormatsiya Senna 2(6):3-8
- Otto Nacke (1979): Informetrie. Ein neuer Name für eine neue Disziplin. In: Nachrichten für Dokumentation 30, Nummer 6, S. 219-226
- W.A. Turner (1994): What is an R: Informetrics or Infometrics. In: Scientometrics 30, Nummer 2-3 S. 471ff.
- Irene Wormell (1998): Informetrics: an emerging subdiscipline in information science. In: Asian Libraries 7, Nummer 10, S. 257-268
- Judit Bar-Ilan, Bluma C. Peritz (2004): Evolution, continuity, and disappearance of documents on a specific topic on the Web: A longitudinal study of "informetrics". In: JASIST 55, Nummer 11, S. 980-990