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Glas

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Datei:Spiegelung in der Reichstagskuppel.jpg
Spiegelungen in der Kuppel des Reichstages

Unter Glas (von germanisch glasa „das Glänzende, Schimmernde“, auch für „Bernstein“) versteht man einen amorphen nicht kristallinen Feststoff. Materialien, die man im Alltagsleben als Glas bezeichnet (zum Beispiel Trink- und Fenstergläser, Fernsehscheiben und Glühlampen) sind nur ein Ausschnitt aus der Vielfalt der Gläser.

Glas ist eine amorphe, das heißt im Wesentlichen nicht kristalline Substanz. Gewöhnlich wird Glas durch Schmelzen erzeugt, die Bildung von Glas ist aber auch durch die Erwärmung von Sol-Gel möglich und durch Schockwellen. Thermodynamisch wird Glas als gefrorene, unterkühlte Flüssigkeit bezeichnet. Diese Definition gilt für alle Substanzen, die geschmolzen und entsprechend schnell abgekühlt werden. Das bedeutet, dass sich bei der Erstarrung der Schmelze zum Glas zwar Kristallkeime bilden, für den Kristallisationsprozess jedoch nicht genügend Zeit verbleibt. Das erstarrende Glas ist schnell zu fest, um noch eine Kristallbildung zu erlauben. Der Transformationsbereich, das ist der Übergangsbereich zwischen Schmelze und Feststoff, liegt bei vielen Glasarten um 600 °C.

Trotz des nicht definierten Schmelzpunkts ist Glas ein Festkörper. Auch wenn es sich unter langzeitiger Krafteinwirkung verformte, dürfte man es nicht als flüssig bezeichnen. Die langsame Verformung unter einer konstanten Kraft tritt auch in kristallinen Festkörpern auf und wird als Kriechen bezeichnet. Berichte von fließenden Kirchenfenstern lassen sich nicht bestätigen und die Idee des flüssigen Glases scheint auf eine Falschübersetzung zurückzugehen.

SiO₂ als Kristall: Quarz-Kristall
SiO₂ als Glas: Quarzglas

Kohlenwasserstoffverbindungen wie Plexiglas sind kein Glas, sondern ein Kunststoff. Kunststoffe besitzen organische Verbindungen, selbst Silikone sind mit organischen Resten abgesättigt und als mehr oder weniger ausdifferenzierte Ketten strukturiert.

Die im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutungstragende Eigenschaft von Glas ist die Durchsichtigkeit. Die optischen Eigenschaften sind so vielfältig, wie die Anzahl der Gläser. Neben klaren Gläsern, die in einem breiten Band für Licht durchlässig sind, kann man durch Zugabe von speziellen Materialien zur Schmelze die Durchlässigkeit blockieren. Zum Beispiel kann man optisch klare Gläser für infrarotes Licht undurchdringbar machen, die Wärmestrahlung ist blockiert. Die bekannteste Steuerung der Durchlässigkeit ist die Färbung. Es können die verschiedensten Farben erzielt werden. Andererseits gibt es undurchsichtiges Glas, das schon aufgrund seiner Hauptkomponenten oder der Zugabe von Trübungsmitteln opak ist.

Gebrauchsglas hat eine Dichte von ca. 2,5 g/cm³. Die mechanischen Eigenschaften variieren sehr stark. Die Zerbrechlichkeit von Glas ist sprichwörtlich. Die Bruchfestigkeit wird stark von der Qualität der Oberfläche bestimmt. Glas ist weitgehend resistent gegen Chemikalien. Eine Ausnahme ist Flusssäure, sie löst das Siliziumdioxid und wandelt es zu Hexafluorokieselsäure. Im Allgemeinen hat Glas einen hohen elektrischen Widerstand.

Eigenschaften

Struktur

Kalk-Natron-Glas

Obwohl Glas zu den ältesten Werkstoffen der Menschheit gehört, besteht noch Unklarheit in vielen Fragen des atomaren Aufbaus und seiner Struktur. Die mittlerweile allgemein anerkannte Deutung der Struktur ist die Netzwerkhypothese, die von Zachariasen 1932 aufgestellt wurde. Diese besagt, dass im Glas grundsätzlich die selben Bindungszustände wie im Kristall vorliegen. Bei silikatischen Gläsern also in Form von SiO4-Tetraedern.

Wie die zweidimensionalen Abbildungen des Quarzes und des Quarzglases zeigen, liegt der Unterschied in der Regelmäßigkeit des Gefüges – hier Gitter und dort ein Netzwerk. Die vierte Oxidbindung, die in die dritte Dimension zeigt, ist zur besseren Anschaulichkeit nicht dargestellt. Die Bindungswinkel und Abstände im Glas sind nicht regelmäßig und die Tetraeder sind verzerrt. Der Vergleich zeigt, dass Glas ausschließlich über eine Nahordnung in Form der Tetraeder verfügt, jedoch keine kristalline Fernordnung aufweist. Diese fehlende Fernordnung ist auch verantwortlich für die sehr schwere Analyse der Glasstruktur. Insbesondere die Analyse mittleren Reichweite, also die Verbindungen mehrerer Grundformen (hier den Tetraeder) ist Gegenstand der aktuellen Forschung und wird zu den heutigen größten Problemen der Physik gezählt.

Das Material, das diese Grundstruktur des Glases bestimmt, nennt man Netzwerkbildner. Neben dem erwähnten Siliciumoxid können auch andere Stoffe wie Boroxid und nichtoxidische wie Arsensufid Netzwerkbildner sein. Einkomponentige Gläser sind allerdings die Ausnahme und Quarzglas ist das einzige wirtschaftlich bedeutende. Weitere Stoffe binden sich anders in das Netzwerkgefüge ein. Hier werden Netzwerkwandler und Stabilisatoren unterschieden.

Netzwerkwandler werden in das vom Netzwerkbildner gebildete Gerüst eingebaut. Für gewöhnliches Gebrauchsglas – Kalk-Alkali-Glas (gebäuchlicher ist allerdings der engere Terminus Kalk-Natron-Glas) – sind dies Natrium- bzw Kaliumoxid und Kalziumoxid. Diese Netzwerkwandler reißen die Netzwerkstruktur auf. Der Brückensauerstoff der Siliziumoxid-Tetraeder wird gesprengt. Anstelle der festen Atombindung tritt eine schwächere Ionenbindung des Natrons mit dem Sauerstoff.

Zwischenoxide wie Aluminiumoxid und Bleioxid können als Netzwerkbildner und -wandler fungieren. Allerdings sind sie nicht alleine zur Glasbildung fähig.

Glasübergang

Gewöhnlich kristallisiert eine Schmelze beim Unterschreiten des Schmelzpunkts. So wird aus Wasser bei Unterschreitung von 0 °C Eis und Siliziumdioxid kritallisiert bei 1727 °C zu Cristobalit. Der Schmelzpunkt ist genau definiert und mit seiner Unter- oder Überschreitung ändern sich zahlreiche Eigenschaften wie Viskosität und Dichte abrupt.

Im Unterschied zum Übergang von Schmelze zu Kristall ist der von Schmelze zu amorphem Feststoff (also Glas) ein allmählicher. Hier spricht man nicht von einem Schmelzpunkt sondern von einem Transformationsbereich

Einstellung der Glaseigenschaften

weitere Zuschlagstoffe sind unter anderem:

Nachstehend eine Tabelle mit den ungefähren Zusammensetzungen wichtiger Gläser. Die Prozentangaben sind in Gewichtsprozent.

Glasart SiO2 Al2O3 Na2O K2O MgO CaO B2O3 PbO TiO2 F As Se Ge Te
Quarzglas 100 %
Behälterglas 72 % 2 % 14 % - - 10 % - - - -
Floatglas 72 % 1,5 % 13,5 % - 3,5 % 8,5 % - - - -
Bleikristallglas 60 % 8 % 2,5 % 12 % - - - 17,5 % - -
Laborglas 80 % 3 % 4 % 0,5 - - 12,5 % - - -
E-Glas 54 % 14 % - - 4,5 % 17,5 % 10 % - - -
Emaille 40 % 1,5 % 9 % 6 % 1 % - 10 % 4 % 15 % 13 %
Chalkognidglas 1 12 % 55 % 33 %
Chalkognidglas 2 13 % 32 % 30 % 25 %

Glasfärbung und Entfärbung

Die meisten Glassorten werden mit weiteren Zusatzstoffen produziert, um bestimmte Eigenschaften, wie ihre Färbung zu beeinflussen. Für die Glasfärbung, beziehungsweise für die Entfärbung von Gläsern, die durch Verunreinigungen ihrer Rohstoffe verursacht sind, werden vor allem Metalloxide verwendet. Grundsätzlich verwendet man zur Beseitigung von Farbstichen die komplementäre Farbe. Entfärbemittel werden Glasmacherseifen genannt.

  • Eisenoxide: Färben je nach Wertigkeit des Eisenions grün-blaugrün oder gelb und in Verbindung mit Braunstein gelb sowie braun-schwarz.
  • Kupferoxide: zweiwertiges Kupfer färbt blau, einwertiges färbt rot, daraus ergibt sich das so genannte Kupferrubinglas.
  • Chromoxid: Wird in Verbindung mit Eisenoxid oder allein für die Grünfärbung verwendet.
Datei:Empty bottle.jpg
  • Uranoxid: Ergibt eine sehr feine Gelb- oder Grünfärbung (so genanntes "Annagelb" oder "Annagrün"-Glas) mit grüner Fluoreszenz unter dem UV-Licht. Solche Gläser wurden vor allem in der Zeit des Jugendstils hergestellt. In England und Amerika ist diese Glassorte auch als "uranium glass" oder "vaseline glass" bekannt.
  • Kobaltoxid: färbt intensiv blau und wird auch für die Entfärbung verwendet.
  • Nickeloxid: violett, rötlich auch für die Graufärbung und zur Entfärbung
  • Manganoxid (Braunstein) als Glasmacherseife zur Entfernung des Grünstichs
  • Selenoxid: färbt rosa und rot, die rosa Färbung wird als "Rosalin" bezeichnet, während die rote als Selenrubin bezeichnet wird.
  • Silber: ergibt feines Silbergelb
  • Gold: Wird erst in Königswasser aufgelöst und färbt rubinrot, eine der teuersten Glasfärbungen.

Einteilung der Gläser

Natürliches Glas: ein Tektit. Die grüne Farbe rührt wahrscheinlich vom Eisenoxid im erschmolzenen Sand

Nach Art der Genese: Neben künstlichen finden sich auch natürliche Gläser: Obsidian ist vulkanischen Ursprungs, Impaktgläser und Tektite entstehen durch Meteoriteneinschlag, und Fulgurite bei Blitzeinschlag. Diese Gläser entstehen aus dem Schmelzen von Sanden. Ein Kristallgitter kann auch durch Einwirkung einer Schockwelle seine Struktur verlieren und ein amorpher Körper werden. Zu diesem diaplektischen Glas zählt Maskelynit, das aus Feldspat entstanden ist. Auch ist es möglich mit Hilfe des Sol-Gel-Prozesses Glas ohne Schmelzen herzustellen. Ein Beispiel hierzu sind Silikat-Aerogele.

Nach Art des Chemismus: Neben Kalk-Natron-Glas, das dem gewöhnlichen Gebrauchsglas entspricht, gibt es Quarzglas aus reinem Siliciumdioxid, Bleiglas für z. B. Kristalltrinkgläsern, Fernsehtrichter und optische Linsen. Das Blei im Glas schirmt die elektromagnetische Strahlung ab, hat einen hohen Brechungsindex und eine gleichmäßige Dispersion. Wasserglas ist wasserlöslich. Borosilikatglas ist insbesondere chemisch resistent und wird bei Laborgeräten, Kochgeschirr aber auch optischen Gläser verwendet. Borphosphatglas (Bortrioxid, Phosphorpentoxid) und Alumosilikatgläser sind weitere Spezialgläser. Zu der Gruppe der nichtoxidischen Gläser gehören unter anderem Fluoridgläser und Chalkogenidgläser in der Infrarotoptik. Als Sonderfall in dieser Einordnung muss man Glaskeramik begreifen. Es wird als Glas produziert, durch die Wärmenachbehandlung wird teilweise Rekristallisierung erzielt. So ist es strenggenommen kein Glas mehr, sondern ein Glas-Kristall Mischkörper.

Nach der Grundform des Produkts und dem Produktionsverfahren: Die Glasindustrie wird gewöhnlich in Hohlglas-, Flachglas-, und Spezialglasherstellung gegliedert. Hohlglas bezeichnet Flaschen und Konservengläser. Diese Massenprodukte werden maschinell geblasen. Höherwertige Produkte werden gepresst. Hierzu gehören Glasbausteine und Trinkgläser. Für Glühlampen ist ein besonderes Produktionsverfahren notwendig, ebenso für Rohrglas. Flachglas wird je nach Produktionsverfahren Floatglas oder Walzglas genannt. Das Grundprodukt ist eine Glasscheibe. Endprodukte sind z. B. Automobilglas, Spiegel, Temperglas, Verbundglas. Faserglas umfasst Glasfaserkabel, Glaswolle und findet auch Anwendung bei glasfaserverstärkter Kunststoffen. Optische Gläser sind Linsen für Mikroskope und Ferngläser. Mundgeblasene Gläser existieren praktisch nur noch im Kunstgewerbe, sowie bei kostspieligen Vasen und Weingläsern.

Nach ihren hergebrachten Handelsnamen: Antikglas, Diatretglas, Flintglas (Bleiglas als optisches Glas), Hyalithglas (opakes Glas, im 19 Jahrhundert benutzt für Tafel- und Pharmaglas), Kronglas (optisches Glas), Kryolithglas (opakes, weißes Fluoridglas)

Nach ihren Markennamen als Gattungsbegriff: Ceran (Glaskeramik für z. B. Kochfelder), Jenaer Glas (hitzefestes Borosilikatglas) beide von Schott und Pyrex (Borosilikatglas) von Corning im angelsächsischem Sprachraum ein Synonym zu Jenaer Glas.

siehe auch Liste_der_Gläser

Produktionsprozess

Gemenge

Quarzsand als Rohstoff

Für die Herstellung von Kalk-Natron-Glas, das ca. 90 % der produzierten Glasmenge ausmacht, werden folgende Rohstoffe eingesetzt:

Quarzsand als fast reiner SiO2-Träger zur Netzwerkbildung. Wichtig ist, dass der Sand einen geringen (<0,05 %) Anteil an Fe2O3 besitzt, da sonst bei Weißglas störende Grünfärbungen auftreten.

Einlegemaschiene einer Floatglasanlage

Soda (Na2CO3) dient als Natriumoxidträger, das als Netzwerkwandler und als Flussmittel dient und den Schmelzpunkt des SiO2 senkt. In der Schmelze wird Kohlensäure frei und löst sich als Gas aus dem Glas. Natrium kann auch als Nitrat oder Sulfat der Schmelze zugeführt werden.

Pottasche (K2CO3) liefert Kaliumoxid für die Schmelze, das wie Natriumoxid als Netzwerkwandler und Flussmittel dient.

Feldspat (NaAlSi2O8) trägt neben SiO2 und Na2O Tonerde (Al2O3) in das Gemenge ein. Diese führt zu einer Erhöhung der Glashärte.

Kalk dient als Netzwerkwandler und erhöht die Festigkeit der Gläser. Reines CaO hat einen zu hohen Schmelzpunkt, so dass CaCO3 eingesetzt wird. Bei der Schmelze wandelt es sich zu Kohlendioxid und Kalziumoxid. CaO erhöht in mäßiger Zugabe (10-15%) die Härte.

Dolomit ist ein Träger für CaO und MgO. Magnesiumoxid hat ähnliche Eigenschaften wie Kalziumoxid auf die Schmelze.

Altglas oder Eigenscherben aus dem Produktionsbruch werden ebenfalls dem Gemenge wiederaufgegeben. Altglas aus dem Glasrecycling allerdings nur in der Behälterglasindustrie, wo ihr Anteil bis über 90 % betragen kann. Neben eingespartem Rohstoff macht sich dies im geringeren Energieverbrauch bemerkbar, da Scherben leichter schmelzen als das Gemenge. Probleme beim Altglasrecycling sind eine schlechte Farbtrennung, Fremdbestandteile wie Metalle, Keramik oder Spezialgläser. Die Fremdstoffe verursachen Glasfehler durch nicht vollständiges Aufschmelzen und Schäden in der Glasschmelzwanne, da sich Metalle in den feuerfesten Boden einfressen.

Für Spezialgläser kommen auch Mennige, Borax, Bariumkarbonat und andere seltene Erden zum Einsatz.

Datei:IMG 1231.jpg
Doghouse der Schmelzwanne mit Einlegemaschiene

Schmelze

Die Glasschmelze besteht aus verschiedenen Phasen: Den Beginn macht die Rauhschmelze mit dem Erschmelzen des Gemenges. Dies umfasst die Rauschmelze und die Homogenisierung. Nach dem Erschmelzen der festen Bestandteile kommt die Läuterung, in der die Gase in der Schmelze ausgetrieben werden. Daran schließt sich das Abstehen des Glases an, in der das Material zur weiteren Formgebung abgekühlt wird.

Bei chargenweise arbeitenden Tageswannen und Hafenöfen geschehen alle diese Schritte nacheinander in demselben Becken. Dieses historische Produktionsverfahren findet heute nur noch bei kunsthandwerklicher Produktion und speziellen, optischen Gläsern in geringen Mengen statt. Im industriellen Maßstab finden ausschließlich kontinuierlich arbeitende Öfen Verwendung. Hier ist die Abfolge obiger Schritte nicht zeitlich, sondern räumlich getrennt. Die Menge der Glasentnahme entspricht der des zugeführten Gemenges.

Das Gemenge wird mit einer Einlegemaschine der Schmelzwanne aufgegeben. Bei Temperaturen von ca. 1480 °C schmelzen die verschiedenen Bestandteile langsam. Die Bewegung der Konvektion im Glasbad erzeugt Homogenität. Diese kann durch ein Bubbling, der Eindüsung von Luft oder Gasen in die Schmelze, unterstützt werden.

Im Läuterbereich, der dem Schmelzbereich unmittelbar folgt und häufiger auch durch einen Wall in der Schmelze von diesem getrennt ist, werden in der Schmelze verbliebende Blasen ausgetrieben. Durch die hohe Zähigkeit der Schmelze geschieht dies nur sehr allmählich und es sind ebenso hohe Temperaturen erforderlich wie im Schmelzbereich. Da die Läuterung bestimmend für die Glasqualität ist, gibt es vielfältige Maßnahmen um diese zu unterstützen.

Der Läuterbereich schließt sich der baulich klar getrennte Arbeitswanne an. Da für die Formgebung niedrigere Temperaturen als zur Schmelze und Läuterung nötig sind, muss das Glas vorher abstehen. Daher spricht man auch von Abstehwanne. Der Kanal, der Schmelzwanne und Arbeitswanne verbindet, heißt Durchfluss und arbeitet nach dem Siphonprinzip. Bei Flachglaswannen sind Schmelz- und Arbeitswanne nur durch eine Einschnürung getrennt, da ein Durchfluss eine optische Unruhe im Fertigprodukt entstehen ließe.

Von der Arbeitswanne fließt das Glas weiter zum Punkt der Entnahme. Bei der Produktion von Hohlglas sind dies die Speiser oder Feeder. Hier werden Tropfen in darunter stehende Glasmaschinen geleitet. Bei Flachglas fließt das Glas über die Lippe in das Floatbad.

Formgebung

Je nach Produkt wird Glas unterschiedlich geformt. Dabei unterscheidet man vor allem Gläser, die gepresst, geblasen, gedüst, gesponnen oder gewalzt werden.

Datei:IMG 1223.jpg
IS-Maschine bei der Flaschenproduktion
  • Hohlglas wird in mehreren Verfahren durch Pressen, Blasen, Saugen und Kombinationen dieser Techniken hergestellt. Hier dominiert die IS-Maschine, die im Blas-Blas-,oder Press-Blas-Verfahren arbeitet. Für höherwertige Tafelware kommen Press-Blas-Verfahren zum Einsatz, die karusellförmig arbeiten.
  • Glasfasern werden durch Spinnen im so genannten TEL-Verfahren produziert.
  • Flachglas wird im Floatverfahren hergestellt, gezogen, gewalzt oder gegossen
  • Rohrglas

Kühlung

Entspannungskühlen

In jedem Glasgegenstand entstehen bei der Formgebung mechanische Spannungen als Folge von Dehnungsunterschieden im Material. Diese Spannungen lassen sich mit optischen Spannungsprüfern messen (Spannungsdoppelbrechung). Die Spannungsanfäligkeit hängt vom Ausdehnungskoeffizienten des jeweiligen Glases ab und muss thermisch ausgeglichen werden.

Für jedes Glas lässt sich zwischen der oberen Kühltemperatur (Viskosität von 1013 mPa·s) und einer unteren Kühltemperatur (1018 mPa·s), in der Regel zwischen 550 °C und 350 °C, ein Kühlbereich festlegen. Die Spannungen verringert man durch definiertes langsames Abkühlen im Kühlbereich, dem Tempern.

Die Zeit, in der ein Glasgegenstand den Kühlbereich durchlaufen kann, ist maßgeblich von der je nach Glasart zu überbückenden Temperatur, der Stärke (Dicke) des Gegenstands abhängig. Im Hohlglasbereich sind dies zwischen 30 min und 100 min, bei großen optischen Linsen mit 1 m Durchmesser und mehr, kann eine langsame Abkühlung von einem Jahr notwendig sein, um sichtbare Spannungen und somit Bildverzeichnungen der Linse zu vermeiden.

Die kontrollierte Temperatursenkung kann mit unterschiedlichen Öfen vorgenommen werden. Man unterscheidet periodische Kühlöfen und kontinuierliche Kühlbahnen. Kühlöfen eignen sich nur für Sonderfertigungen und Kleinstchargen, da nach jeder Entnahme der Werkstücke der Ofen wieder auf Temperatur gebracht werden muss. Industriell werden Kühlbahnen genutzt. Hier wird die Produktion auf Stahlmatten (Hohlglas) bzw. Rollen (Flachglas) langsam durch abgestuft geheizte Ofensegmente transportiert.

Hohlglasproduktion: Konservengläser nach dem Verlassen der Kühlbahn.

Veredelung

  • durch chemische und physikalische Gasphasenabscheidung können feinste Metallbeschichtungen aufgebracht werden. Die meisten Fenster- und Autogläser werden mit für Infrarotlicht undurchlässigen Beschichtungen versehen. Die Wärmestrahlung wird hierdurch reflektiert und Aufheizungen der Innenräume durch Sonneneinstrahlung gemindert. Gleichzeitig werden die Wärmeverluste im Winter reduziert, ohne dabei die Durchsichtigkeit wesentlich zu beeinträchtigen.
  • Eine andere Beschichtungstechnik verhindert die Verschmutzung und unterstützt die Selbstreinigung von Fensterglas. Eine äußere, hydrophile Beschichtung mit Titandioxid verhindert die Tröpfchenbildung des Regenwassers, da es deren Oberflächenspannung herabsetzt. Regenwasser kann gleichmäßig an der Scheibe ablaufen und Schmutzpartikel mitziehen. Zusätzlich kann durch eine UV-Licht absorbierende Beschichtung die Entstehung aktiven Sauerstoffs ermöglicht werden, der organische Verbindungen zersetzt. Herstellerinformation (pdf)
Unterschied zwischen einer normalen und einer hydrophoben Glasoberfläche
  • Eine spezielle Veredelungstechnik verzögert die Verschmutzung und unterstützt die Selbstreinigung von Glasoberflächen nach dem Vorbild der Lotusblume, dem sogenannten Lotus-Effekt. Mit einem einzigartigen Verfahren werden die hydrophoben (wasser- und schmutzabweisenden) Eigenschaften der Lotusblume auf eine Glasoberfläche übertragen. Dabei verbindet sich glastypisches Material chemisch mit der Glasoberfläche. Das macht die Veredelung belastbar und unempfindlich gegen UV-Licht (Tageslicht). Ein nachhaltiges Verfahren das den Reinigungsaufwand reduziert und gleichzeitig ein Schutz vor Alterung, aggressiven Umwelteinflüssen, Kalkablagerungen (Kalkfrass) und Auswaschen ist. Produkt
  • Bei optischen Geräten werden reflektionsmindernde Schichten eingesetzt. Glas lässt sich auch schleifen, so dass optische Linsen für Brillen und verschiedene optische Geräte damit hergestellt werden können.
  • Durch nachträgliches Sandstrahlen ein Milchglaseffekt zu erzielen, so dass das Glas nur noch durchscheinend aber nicht mehr durchsichtig ist
  • Durch exaktes Tempern eines aus Lithium-, Aluminium- und Siliziumoxid gefertigten Glases kann gezielt eine Rekristallisation herbeigeführt werden. Der Werkstoff ist nun kein Glas mehr, sondern eine Glaskeramik mit äußerst geringer Wärmedehnung. Diese findet Anwendung z. B. bei Kochfeldern und Spiegelteleskopen.

Geschichte der Glasherstellung

Frühzeit und Antike

Römisches Tropffläschchen in Form eines Gladiatorhelms, 1. Jh. n. Chr., Römisch-Germanisches Museum, Köln

Natürliches Glas wie Obsidian wurde wegen seiner großen Härte und des scharfen Bruchs seit frühester Zeit für Werkzeuge wie Keile benutzt. So wurde es im metallosen Südamerika bis zur Ankunft der Spanier für Waffen und Werkzeuge verwendet.

Ob die Glasherstellung in Mesopotamien, in Ägypten oder an der Levanteküste erfunden wurde, läßt sich nicht mit letzter Gewissheit sagen. Die älteste textliche Erwähnung stammt aus Ugarit und wird auf etwa 1600 v.u.Z. datiert. Als älteste Funde gelten die Nuzi-Perlen und das erste Hohlglas stammt aus den Gräbern der 18. Dynastie im 15. Jh. v.u.Z.

Im Nil-Delta wurde die älteste bekannte Glashütte gefunden und Untersuchungen gaben Aufschluss über das Schmelzverfahren. So wurde Quarzgestein zerkleinert, mit sodahaltiger Pflanzenasche vermengt, in einen Tiegel gefüllt und in einem geschlossenen Ofen bei 500-600 °C zu einer Fritte geschmolzen. Diese Fritte wurde nach dem Abkühlen aus dem Tiegel gebrochen, erneut zerkleinert, gesiebt und in einer zweiten Schmelze mit 900-1100 °C zu einem 10 cm tiefen und 5 - 8 cm hohen Glasrohling geschmolzen. Bei einer dritten Schmelze konnte das Glas durch Beimischen von Metall-Oxiden schwarz, violett, blau, grün, rot, gelb oder weiß gefärbt werden. Ein Vergleich der maximal erzielten Glasschmelztemperatur von 1100 °C und dem Schmelzpunkt vom Kupfer bei 1085 °C liegt der Schluss nahe, dass beide Schmelzvorgänge in Öfen der gleichen Bauart stattgefunden haben. Das Rohglas wurde an die weiterverarbeitenden Werkstätten geliefert. Solche Rohlinge wurden im Schiffswrack von Uluburun nahe dem türkischen Bodrum gefunden, das auf das 14. Jh. v.u.Z. datiert ist. Die erste bekannte Rezeptur ist aus der Bibliothek des assyrischen Königs Assurbanipal überliefert, die auf ca. 650 v.u.Z. datiert wird: Nimm 60 Teile Sand, 180 Teile Asche aus Meerespflanzen und 5 Teile Kreide und du erhältst Glas. Zu dieser Zeit wurde schon wesentlich mehr Glas verarbeitet und es entwickelte sich eine neue Glasschmelztechnik.

Plinius der Ältere beschreibt in der Historia naturalis die Herstellung des Glases. Chemische Analysen und Erkenntnisse der experimentellen Archäologie haben Plinus in vielen Fragen bestätigt. Zur Römerzeit wurde Glas mit Flusssand und Natron aus Ägypten geschmolzen. Dieses ägyptische Natron wurde am Wadi Natrun, einem natürlichen Natronsee in Nord-Ägypten, abgebaut und über Alexandria von den Phöniziern ins Mittelmeer exportiert. Sie enthielt mehr als 40 % Natriumoxid und bis zu 4 % Kalk, war also ein ideales Schmelzmittel. Plinius schreibt weiter von Glassandlagern in Italien, Hispanien und Gallien, aber an keinen dieser Stätten entwickelte sich eine so bedeutende Glasherstellung wie an der palästinischen Küste zwischen Akkon und Tyros und die ägyptischen Glashütten rund um den Wadi Natrun bei Alexandria.

Kaiser Diocletian legte 301 u.Z. die Preise für eine ganze Reihe von Produkten fest, unter anderem für Rohglas. Unterschieden wurde judaicum und alexandrium, wobei letzteres teurer und wahrscheinlich entfärbtes Glas ist. Zu dieser Zeit war die Glasproduktion im Wesentlichen noch immer in Primär- und Sekundärwerkstätten gegliedert. In den Primärwerkstätten wurde in großen Schmelzwannen Rohglas geschmolzen, das dann an die Sekundärwerkstätten geliefert wurde, wo es in Tiegeln eingeschmolzen und verarbeitet wurde. In Bet Eli’ezer im heutigen Israel wurden 17 Glasschmelzwannen freigelegt, die jeweils 2 x 4 m groß sind. Nachdem das Gemenge in die Wanne eingelegt worden war, wurde der Ofen zugemauert und 10 bis 15 Tage lange befeuert. Acht bis neun Tonnen blaues bzw grünes Rohglas wurden so in nur einem Arbeitsgang erschmolzen. Nach der Feuerungsstop und dem Abkühlen wurde das Gewölbe des Ofens abgetragen, der Glasblock herausgestemmt und das Rohglas zur weiteren Verarbeitung versandt. Ein Schiffswrack aus dem 3. Jh., das an der südfranzösischen Küste gefunden wurde, hatte mehr als 3 Tonnen Rohglas geladen. In Ägypten wurden Rohglashütten gefunden, die bis ins 10 Jh. reichten. Die Ägypter benutzten Antimon zur Entfärbung, konnten also farbloses, durchsichtiges Glas herstellen.

Die Sekundärglashütten waren im ganzen Römischen Reich verbreitet und stellten Hohlglas, Flachglas und Mosaiksteine her. Das Rohglas wurde in einem Tiegel eingeschmolzen und mit der Pfeife im zähflüssigen Zustand aus dem Ofen genommen und verarbeitet. An der Pfeife konnte das Glas aufgeblasen werden, was die Herstellung von größeren Gefäßen und neuen Formen ermöglichte. Wurde bis dahin Glas für Perlen, Parfümfläschchen und für Trinkschalen verwendet, verbreitete sich im Römischen Reich vor allem Behälterglas – im Gegensatz zu den üblichen Ton-, Holz-, Metal- oder Lederbehältnissen ist Glas geschmacksneutral – sowie Karaffen zum Kredenzen und in der Spätantike auch Trinkgläser. Erste Fenstergläser fanden sich in Aix en Provence und Herculaneum. Die Funde haben Größen von 45 × 44 cm bzw. 80 × 80 cm. Allerdings ist über das Herstellungsverfahren nichts bekannt. Das Zylinderblasverfahren und die Gusstechnik werden hier in Betracht gezogen.

Mittelalter und Neuzeit

Im frühen Mittelalter stellten die Germanen überall dort, wo die Römer sich zurückgezogen hatten, Glas her, das nahtlos an die schon germanisierte Spätantike Formensprache anschließt. Man geht heute davon aus, dass für das Fränkische Glas noch vorhandene Römische Gläser recycelt wurden.

Waldglas

Mit „de diversi artibus“ des Benediktinermönches Theophilus Presbyter steht uns erstmals eine längere schriftliche Quelle zur Verfügung, die die Glasherstellung, das Blasen von Flachglas und Hohlglas sowie die Ofentechnologie beschreibt. Theophilus, der wahrscheinlich in Konstantinopel war, vermischte Asche von getrocknetem Buchenholz mit gesiebtem Flusssand im Verhältnis 2:1 und trocknete dieses Gemenge im Ofen unter ständigem Rühren, so dass es nicht schmelzen oder verkleben konnte, einen Tag und eine Nacht. Danach wurde diese Fritte in einen Tiegel gefüllt und in einer Nacht unter starker Hitze zu Glas geschmolzen. Dieser am Anfang des 12 Jh. wohl in Köln entstandene Text bildet vielleicht die Grundlage für die Kirchenfenster der Gotik und auch für das Waldglas. Die Pflanzenasche mit allen Verunreinigungen lieferte auch einen Teil des Kalks, der für die Herstellung guten Glases nötig war. Um die enorme Menge an Holz, die für die Befeuerung der Öfen und mehr noch für die Aschegewinnung nötig war, nicht über lange Wege befördern zu müssen, wurden die Glashütten in abgelegenen Waldgebieten angelegt. Diese Waldglashütten stellten überwiegend Glas für die städtische Bevölkerung her, das durch den mit Eisenoxyd verunreinigten Sand grünlich verfärbt war.

In Georgius Agricolas „de re metalica“ gibt es eine kurze Beschreibung der Glaskunst. Er hatte von 1524 bis 1527 in Venedig gelebt und wohl die Insel Murano besuchen dürfen, was die detaillierten Beschreibungen der Öfen vermuten lassen. Als Rohstoff sind durchsichtige Steine, also Bergkristall und Weiße Steine, also Marmor die im Feuer gebrannt und im Pochwerk zerstoßen und in Form von grobem Griss gebracht werden und danach gesiebt wird. Weiter führt er Kochsalz, Magnetstein und Soda an. Kochsalz und Magnetstein werden von späteren Autoren als unnütz verworfen, Marmor und Soda gab es in Altare und in Mailand sind aber in Deutschland nicht zu erhalten, einzig eine Andeutung: „salz das aus laugen dargestellt wird“, weist auf ein Venezianisches Geheimnis hin.

Die Glasschmelzöfen der Waldglashütten und in Venedig waren Hafenöfen, sie waren aus mit gebrannter Schamotte versetzten Lehmziegeln gemauerte, eiförmige Konstruktionen mit 3 m Durchmesser und bis zu 3 m Höhe. Im unteren Stock lag der Befeuerungsraum mit ein oder zwei halbrunden Öffnungen für den Holzeinwurf. In der Mitte schlugen die Flammen durch eine große runde Öffnung in den zweiten Stock, in dem die Häfen standen. Dieser etwa 1,20 m hohe Raum war rundum mit 20x20cm großen Ofentoren versehen, durch die das Gemenge eingelegt und das Glas entnommen werden konnte. Im Obergeschoss, das durch eine kleine Öffnung mit dem Schmelzraum verbunden war, lag der Kühlofen, der nur 400°C heiß war. Der Kühlofen war mit einer kleinen Öffnung versehen, durch die fertige Werkstücke eingetragen wurden. Am Abend wurde das Loch zwischen Schmelzraum und Kühlraum mit einem Stein verschlossen, sodass das Glas über Nacht abkühlen konnte.

Venedig

Am Anfang der Venedischen Glastradition steht wohl der Handel mit Byzantinischen Glaserzeugnissen die schon im 10 Jh. Importiert und nach ganz Europa exportiert wurden. Erste Glasmacher finden sich in den Registern des 11Jh. Sie werden „phiolarius“, Flaschenmacher genannt. Ein an der Südküste der Türkei havariertes Handelsschiff, das um 1025 gesunken ist, transportierte nicht weniger als 3 Tonnen Rohglas das aus Caesarea in Palästina stammte. Ob es für Venedig bestimmt war, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, aber es ist naheliegend. Bis 1295 werden alle Glasmacher auf der Insel Murano angesiedelt und ihre Reisefreiheit per Gesetz eingeschränkt. Auf dieser von der Welt abgeschnittenen Insel konnte Angelo Barovier, der Mitte des 15 Jh. lebte, das Geheimnis der Glasentfärbung lüften und erstmals ungetrübtes klar durchsichtiges Glas in Europa herstellen. Das „crystallo“, ein Soda-Kalkglas, das mit Manganoxid entfärbt war und dem Weltruhm des Venedichen Glases zugrunde liegen sollte. Die Soda wurde aus der Levante oder Alexandria importiert, ausgelaugt und versiedet, bis ein reines Salz entstand. Als Sand wurde ein reiner Glassand aus dem Fluss „Ticino“ oder gebrannter Marmor verwendet. Eine weitere venezianische Wiederentdeckung ist das „lattimo“ (Milchglas), ein opaques weißes Glas, das mit Zinnoxid und Knochenasche getrübt war und das chinesische Porzellan nachahmte.

Böhmisches Glas

für dieses Kapitel: Glasherstellung 1550-1700, pdf, 1,1 Mb

Fensterglas

Obwohl schon Funde die Verwendung von Fensterglas im Römischen Reich belegen und schon im 9. Jahrhundert St. Peter und Santa Maria in Rom eine Fensterverglasung aufwiesen, ist eine breitere Verwendung erst mit der aufkommenden Gotik im 12. Jahrhundert nachgewiesen.

Zylinderstreckverfahren I…

Mondglasproduktion im 18. Jhd. Die Tafel stammt aus der Encyclopédie. Der Arbeiter links trägt Holz zu Befeuerung; mittig wird ein Glastropfen entnommen oder das Werkstück aufgeheizt; rechts im Vordergrund wird ein Glastropfen durch marbeln vorgeformt; im Hintergrund wird eine Scheibe ausgeschleudert

Bei dem Mondglasverfahren, das 1330 in Rouen belegt ist, wird ein Glastropfen mit der Glasmacherpfeife zu einer Kugel vorgeblasen. Diese wurde von der Pfeife gesprengt und mit einem Tropfen flüssigen Glases an der gegenüberliegenden Seite an einem Metallstab befestigt. Zur weiteren Verarbeitung wurde die Kugel wieder auf Temperatur gebracht. Bei ca. 1000 °C war das Glas weich genug, um mittels Zentrifugalkraft in Tellerform geschleudert zu werden: Die Kugel öffnete sich um das Loch, an dem vorher die Pfeife befestigt war. Durch diese Technik wurden Glasplatten von ca. 1,20 m Durchmesser erzeugt. Anschließend wurde der äußere Rand zu Rechtecken geschnitten. Diese fanden Verwendung als z.B. Kirchenglas mit Bleieinfassungen. Das Mittelstück mit der Anschlussstelle des Schleuderstabs heißt Butze und wurde für Butzenscheiben von 10-15 cm Durchmesser verwendet.

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Walzglasproduktion 1908: derselbe Prozess wie 1688.

Das Walzglasverfahren wurde zum ersten Mal 1688 in Saint Gobain, der Keimzelle des heutigen gleichnamigen Weltkonzerns dokumentiert. Geschmolzenes Glas wird auf den Walztisch gegossen, verteilt und schließlich gewalzt. Im Gegensatz zu den vorher genannten Verfahren wurde hier eine gleichmäßige Dicke erreicht. Auch waren erstmals Scheibengrößen von 40 × 60 Zoll möglich, was für die Produktion von Spiegeln genutzt wurde. Probleme bereitet jedoch die ungleichmäßige Oberfläche. Fensterglas dieses Herstellungsverfahrens ist oft blind und Spiegelglas nur durch aufwändiges kaltes Polieren zu erzielen.

Zylinderstreckverfahren II…

Industrialisierung und Automatisierung

Wichtige Ereignisse in der Entwicklung der Glasindustrie

Allgemein

Flachglas

Zylinderglas Anfang des 20. Jahrhunderts.

Um 1900 entwickelte der Amerikaner John H. Lubbers ein Verfahren zur Zylinderfertigung. Diese konnten einen Durchmesser von 80 cm erreichen und waren bis zu 8 m (!) hoch. Der Zylinder wurde aufgeschnitten und geplättet. Das Verfahren war jedoch sehr umständlich, insbesondere das Umlegen der Zylinder in die Horizontale bereitete Schwierigkeiten.

Eine weitreichendes Patent sollte 1904 von Emile Fourcault folgen. Das nach ihm benannte Fourcault-Verfahren zur Ziehglasherstellung. Das Glas wird im kontinuierlich entnommen. Eine Schamottedüse liegt in der flüssigen Schmelze. Mit dem Hochziehen durch einen Kühlkanal auf ca. 8 m Höhe kann es oben zugeschnitten werden. Die Glasdicke ist durch die Ziehgeschwindigkeit einstellbar. Es kam ab 1913 zum Einsatz und bedeutete eine große Verbesserung.

Ein darauf aufbauendes Verfahren ließ der Amerikaner Irving Wightman Colburn 1905 patentieren. Das Glasband wurde zur besseren Handhabe in einen horizontalen Kühlkanal umgeleitet. Mit einer eigenen Fabrik wurde bis 1912 versucht das Verfahren zu beherrschen, blieb aber letztlich erfolglos, so dass Insolvenz angemeldet wurde. Das Patent ging an die Toledo Glass Company. 1917 kam das nunmehr so genannte Libbeys-Owens-Verfahren zur industriellen Anwendung. Die Vorteile gegenüber dem Fourcault-Verfahren lagen in der einfacheren Kühlung. Hingegen konnte bei jenem mehrere Ziehmaschienen an einer Glasschmelzwanne arbeiten. Da der Kühlofen in der Länge beliebig lang sein konnte, erreichte dieses Verfahren etwa die doppelte Produktionsgeschwindigkeit. In der Folgezeit existierten beide Verfahren parallel. 1928 verbesserte die Plate Glass Company die Vorteile der Verfahren von Fourcault und Colburn; sie erzielte mit dem Pittsburg-Verfahren dadurch eine deutliche Steigerung der Produktionsgeschwindigkeit.

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Walzglasproduktion wohl in den 20er Jahren: Der Bicheroux-Prozess.

1919 gelang Max Bicheroux der entscheidende Schritt bei der Gussglasherstellung. Die flüssige Glasmasse wurde dabei zwischen gekühlten Walzen zu einem Glasband geformt, im noch erwärmten Zustand zu Tafeln geschnitten und in Öfen abgekühlt. Mit diesem Verfahren erreichte man die heute noch üblichen Scheibengrössen von 3 x 6 m 1923 Pilkington und Ford: kontinuierliches Walzglas für Automobilglas.

1902 Patent von William E. Heal auf das Floatverfahren, das auf eine Idee von Henry Bessemer zurückgeht 1959 Die Firma Pilkington bewältigt als erste die technischen Problem der Floatglasfertigung. Dieses Prinzip revolutionierte die Flachglasfertigung und wurde in den 1970er Jahren allgemeiner Standard.

Hohlglas

Im frühen 19. Jahrhundert wurden neue mechanische Hilfsmittel zum Blasen der Gläser benutzt. Es wurden Formen benutzt, die ein Relief als Negativ schon aufwiesen. Durch den Blasdruck wird das Glas in die Hohlräume gedrückt und das Werkstück bekommt seine Form. Allerdings ist die Lungenkraft des Glasmachers nicht ausreichend hoch für tiefere Reliefs, so dass mechanische Hilfsmittel eingeführt wurden: Durch Luftpumpen wird genügend Druck erzielt pdf.

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Hohlglasproduktion um 1910: der Tropfen wird in einer Form zur Flasche geblasen.

Eine weitere Neuerungen in der Mitte des 19. Jahrhunderts war die Einführung von Metallformen. Erstmals 1847 ersetzten die von Joseph Magoun entwickelten Formen die alten aus Holz, was deren Haltbarkeit beträchtlich erhöhte.

Die ersten halbautomatische Flaschenblasmaschine wurde 1859 vom Briten Alexander Mein und Howard M. Ashley in Pittsburg entwickelt. Doch noch immer waren manuelle Arbeitsschritte von Nöten. (en)

Ein Meilenstein war die 1903 von Michael Josef Owens eingeführte Owens-Maschine als erste vollautomatische Glasmaschine überhaupt. In einem in der Schmelze eingetauchten Rohr wird ein Vakuum erzeugt und so die problematische Tropfengröße exakt dosiert. Der Arm schwenkt zurück und drückt den Tropfen in die Form. Mit der Umkehrung des Vakuums in Pressluft wird der Tropfen in die Metallform geblasen und das Werkstück erhält seine endgültige Gestalt. Mit dieser Technik war es möglich, die zu dieser Zeit enorme Menge von vier Flaschen pro Minute zu produzieren. Diese Technik nennt man Saug-Blas-Verfahren pdf (en).

Trotz dieser Errungenschaft blieben maschinell geblasene Flaschen noch viele Jahre schwerer als mundgeblasene. Um die Glasmacher zu übertreffen, mussten die Maschinen noch sehr viel genauer arbeiten. So ist auch zu erklären, dass die verschiedenen Produktionsverfahren noch lange parallel betrieben wurden.

Die Owens AR Maschine von 1912 in Karussellform.

Auch wurden wesentliche Verbesserungen der Tropfenentnahme realisiert. Der Tropfenspeiser von Karl E. Pfeiffer im Jahre 1911 ließ den Glastropfen nicht mehr von oben aus der Schmelze entnehmen, sondern die Schmelze tropfte durch eine Öffnung im Feeder (Speiser). Durch die mögliche genauere Dosierung der Glasmenge konnten gleichmäßigere Flaschen gefertigt werden.

1924 wird die IS-Maschine von den Namensgebern Ingle und Smith patentiert, die erste industrielle Anwendung folgt wenige Jahre später. Diese Maschine, die die Vorteile des Tropfen-Verfahrens erst richtig nutzt, arbeitet nach dem Blas-Blas-Verfahren. Ein Tropfen wird in eine Metallform geleitet und vorgeblasen. Der vorgeformte Tropfen wird in eine zweite Form geschwenkt, in welcher das Werkstück fertiggeblasen wird.

Erste Anwendungen des neuen Verfahrens folgten wenige Jahre später. Die erste Maschine von 1927 hatte vier Stationen: Ein Feeder beschickte eine Maschine und diese konnte parallel vier Flaschen fertigen (en). Das Prinzip des Blas-Blas-Verfahrens ist auch heute noch in der Massenfabrikation gültig.

Für diese Kapitel: pdf (en).

Glaskunst und Kunsthandwerk

Glasfusing

In vielen Glasereien wird das Glas mit einer bestimmten Technik, dem Glasfusing, verarbeitet. Diese Technik ist ein ca. 2200 Jahre altes Glasverarbeitungsverfahren. In den letzten Jahrzehnten wurde das Verfahren weiterentwickelt und um neue Möglichkeiten bereichert so ist Glasfusing heute eine der modernsten Glasverarbeitungstechniken. Glasfusing bedeutet das Zusammenschmelzen verschiedener Glasstücke.

In Glasereien gibt es meist ein Lager, wo verschieden bunte, kleine oder große Glasplatten gelagert und geordnet sind. Von diesen Glasplatten werden gerechte Teile mit speziellen Zangen abgezwickt. Der Glaskünstler entwirft dann z. B. ein Muster für den Rahmen eines Spiegels, oder eine Schüssel. Die oft unregelmäßig geschnittenen Glasteile werden dann dem Entwurf entsprechend nebeneinander aufgelegt. Die Zwischenräume werden oft noch mit Glaspulver, das ist aus zerstampften Glasplatten, ausgefüllt. Danach wird das Glaselement in einem Brennofen bei 780-850 C° verschmolzen. Diese Temperaturen reichen nicht aus, um das Glas zu verflüssigen, sondern erweichen es nur soweit, dass es zu einer innigen Verbindung innerhalb des Materials kommt. Dieser Brennvorgang dauert, abhängig von der Dicke und dem Durchmesser des Glases, ca. 18 bis 22 Stunden.

Die so entstandene Platte wird in einem zweiten Arbeitsgang wieder in einem Glasschmelzofen geformt. Dazu benötigt man verschiedene Trägerformen, die oft aus Ton oder unglasierten Keramik sind, in die man die Glasplatte absenken oder auf der man sie formen kann. Die Form sollte etwas größer als die Glasplatte sein, da Glas sich bei Erwärmung ausdehnt, doch beim Abkühlen wieder zusammenzieht. Die ausgekühlten Objekte können geschliffen, sandgestrahlt oder graviert werden.

Glasperlen

Die Glasperlen wurden zu einer begehrten Handelsware. Und breiteten sich schnell über ganz Europa aus. Über Jahrhunderte waren Glasperlen ein beliebtes Zahlungsmittel im Tauschhandel mit Gold, Elfenbein, Seide und Gewürzen. Seit einigen Jahren sind die bunten Kunstwerke begehrte Objekte für Sammler.

Glasperlen aus Venedig sind die bekanntesten und begehrtesten Perlen der Welt. Venezianische Glaskünstler haben während mehrerer Jahrhunderte Perlenhersteller auf der ganzen Welt beeinflusst. Dort werden die Glasperlen über offener Flamme hergestellt. Es ist ein sehr zeitaufwendiges Verfahren, da jede Perle einzeln gefertigt wird. Ein Glasstab wird unter der Verwendung einer Lötlampe bis zum Schmelzen erhitzt und um einen Metallstab gewickelt, bis die gewünschte Perlenform erreicht wird. Auf diese Grundperle können nach und nach weitere Glasfarben aufgeschmolzen werden und unterschiedliche Dekorationselemente aufgebracht werden. Wie dünne Glasfäden oder hauchdünne Glasplättchen (die Confettis). Dann wird die Perle sehr langsam abgekühlt und von der Stange entfernt, wodurch ein Loch entsteht, durch das die Perle später aufgefädelt werden kann. Diese Perlen nennt man Wickelperlen.

Ägypten

In der Ersten ägyptische Glaskunstblüte (18 bis 21 Dynastie) finden sich stabgeformte Gefäße, die auf Vorbilder in Ton, Stein oder Metall zurückgehen. Man kennt Lotoskelchbecher, Granatapfelgefäße, Krateriskoi, Kohltöpfe und Kohlpalmsäulchen, die als rein ägyptische Form angesehen werden. Besonders seit Thutmosis III. kommen Importgefäßformen aus dem Mittelmeergebiet (Amphoriskoi, Linsenflasche, Hänkelflasche, Bilbils und Sonderformen) hinzu. Die Gefäße sind meist dunkelblau-schwarz oder weiß-grau. Als Dekor sieht man Fadenverzierungen in Zickzack- oder Girlandenform in gelb, weiß, und hellblau sowie tordierte Fäden im helldunkel Kontrast. All diese Gefäße dienen der Aufbewahrung von Ölen, Parfümen und anderen Schminkutensilien.

In der Zweiten ägyptischen Glaskunstblüte (dritte Zwischenzeit bis Perserherrschaft) sind die Formen kanonisiert und beschränken sich auf Arybaloi, Alabastra, Amphoriskoi und Oinuchoi. Sonderformen sind sehr selten, alle Gefäße sind mit einem Fadendekor verziert.

In der Dritten ägyptischen Glaskunstblüte (Hellenismus) treten zusammen mit neuen Herstellungstechniken eine völlig neue Formenwelt auf. Neben Intarsien und Perlen finden wir vielfarbige Mosaikschalen und die Gefäße der "Canossa Gruppe".

Römisches Reich

Die Römer stellten Diatretgläser her, meist glockenförmige, prunkvolle Trinkgefäße die bis heute wegen ihrer künstlerischen Qualität bewundert werden. Eines der berühmtesten römischen Gläser ist der im Besitz des Britischen Museums befindliche Lykurgosbecher[1] aus dem 4. Jahrhundert an dem eine dreidimensionale figurative Darstellung angebracht ist, die im Gegenlicht rot und im Auflicht opak-gelbgrün erscheint.

Siehe auch: Glasmalerei, Tiffany-Glaskunst, Glas auf Mallorca, Glasreich, Glasschleiferei, Glasmacher, Glasbläser, Glasauge, Waldglas

Siehe auch

Literatur

Glaschemie

Glasherstellung

  • Lange, Joachim: Rohstoffe der Glasindustrie, 3. überarb. Aufl., Leipzig 1993, ISBN 3-342-00663-3
  • Scholze, Horst: Glas-natur; Struktur und Eigenschaften, Springer-Verlag, Berlin

Geschichte der Glasherstellung

  • Nolte, Birgit: Die Gefässe im alten Ägypten, berlin 1968
  • Foy, Daniele, Nenna, Marie-Dominique: Tout feu tout sable, Aix-en-Provence, 2001 ISBN 2-7449-0264-0
  • Kisa, A.: Das Glas im Altertum, 3 Bde. Leipzig 1908