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Heinrich Nordhoff

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Heinrich Nordhoff, im Hintergrund die Südfassade des Volkswagenwerkes Wolfsburg (1948)

Heinrich Nordhoff (* 6. Januar 1899 in Hildesheim; † 12. April 1968 in Wolfsburg) war ab 1948 Generaldirektor (Geschäftsführer) der Volkswagenwerk GmbH und ab 1960 Vorstandsvorsitzender der Volkswagenwerk AG. Er war maßgebend für den Aufbau des Unternehmens.

Leben

Frühe Jahre

Heinrich Nordhoff war der zweite von drei Söhnen des Bank-Prokuristen und späteren Versicherungs-Managers Johannes Nordhoff. Die Familie zog 1911 nach Berlin, wo er von 1920 bis 1927 an der Technischen Hochschule Berlin Maschinenbau studierte. Hier wurde er aktives Mitglied der Katholischen Studentenverbindung Askania-Burgundia Berlin im Kartellverband katholischer deutscher Studentenvereine[1], der er bis zum Tod angehörte.

Karriere in der Automobilindustrie

Nach einer ersten Station beim BMW-Flugmotorenbau ging er 1929 zu General Motors (GM). Dort stellte er Opel-Kundendiensthandbücher zusammen und arbeitete zum besseren Verständnis der Materie in den Ferien auch in einer Fabrik am Fließband. Eine daraufhin von GM finanzierte Reise in die USA diente dem Studium der Produktions- und Vertriebsmethoden bei General Motors, von dem er später als VW-Chef profitierte. 1930 heiratete er Charlotte Fassunge. Im April 1942 wurde er Vorstandsmitglied bei der Adam Opel AG, ab Juli 1942 war er Leiter des 1935 gebauten Opel-Lkw-Werks in Brandenburg an der Havel und damit auch Wehrwirtschaftsführer.

Nach dem Krieg

Im Zuge eines Entnazifizierungsverfahrens musste Nordhoff im Oktober 1945 seinen Vorstandsposten niederlegen. Im Spruchkammerverfahren wurde er, obwohl anfangs als Hauptschuldiger eingruppiert, am 31. Januar 1947 als entlastet eingestuft. Nordhoff war nach 1945 Geschäftsführer der Opel-Generalvertretung Ernst Dello & Co. in Hamburg, da durch seine Position als Führungskraft der Wirtschaft im nationalsozialistischen Deutschen Reich eine Weiterbeschäftigung bei der Adam Opel AG für die US-amerikanische Politik nicht in Frage kam. Für die britische Besatzungsmacht stellte dies jedoch kein Hindernis dar. Im Herbst 1947 suchte Ivan Hirst, Offizier bei der britischen Kontrollkommission und nach 1945 kommissarischer Leiter der Volkswagenwerk GmbH, einen technischen Leiter für das Volkswagenwerk, den er in Nordhoff fand, den er schließlich der britischen Kontrollkommission sogar als neuen Generaldirektor vorschlug. Die Bestellung als Nachfolger von Hermann Münch erfolgte am 7. November 1947. Münch wurde über seine Absetzung erst am 25. November 1947 informiert. Er hatte Nordhoff in der Zeit in das Unternehmen eingeführt und mit ihm eine „freundschaftliche und harmonische Zusammenarbeit“ gepflegt.[2]

Ab dem 1. Januar 1948 war Nordhoff Generaldirektor der Volkswagenwerk GmbH.[3][4] Der erfahrene Techniker baute das Werk in den folgenden zwei Jahrzehnten zur umsatzstärksten Automobilfabrik Europas aus. In seiner Ära wurden das brasilianische VW-Werk in São Bernardo do Campo, das mexikanische VW-Werk in Puebla und das südafrikanische VW-Werk in Uitenhage errichtet. 1952 baute die Bauabteilung der Volkswagenwerk GmbH eine Villa im Wolfsburger Stadtteil Steimker Berg, die er bis zu seinem Tod bewohnte.

Kritisch wird an seiner Tätigkeit gesehen, dass er zu lange am Heckantriebskonzept des Käfers festhielt und keine marktfähigen Alternativen entwickeln ließ. Während andere Hersteller Fahrzeuge mit raumökonomisch und finanziell günstigeren quer eingebauten Reihenmotoren und Frontantrieb bauten, fußte noch Ende der 1960er Jahre das VW-Programm mit seinen luftgekühlten Boxermotoren im Heck (so z. B. die Baureihen VW Typ 3 und VW Typ 4) auf dem KdF-Wagen von Ferdinand Porsche aus den 1930er Jahren. Andererseits ließ Nordhoff die Volkswagenwerk AG Anfang 1965 die Auto Union GmbH in Ingolstadt kaufen, einzig zu dem Zweck, im dortigen Werk den damals noch gut verkauften Käfer zu produzieren. Freilich hatte er auch die Technologie miterworben, die sein zweiter Nachfolger Rudolf Leiding später nutzen konnte, um die Fahrzeugpalette des VW-Konzerns zu modernisieren.

Im Frühjahr 1967 präsentierte Nordhoff eine Palette von 36 verschiedenen Prototypen, die die Entwicklungsabteilung konstruiert hatte, um daraufhin zu erklären: „Der Stern des Käfers leuchtet unvermindert hell, und Sie können Tag für Tag selber beobachten, welche Lebenskraft in diesem Auto steckt, das man häufiger totgesagt hat als irgendeines jener Konkurrenzmodelle – Modelle, an die sich heute niemand mehr erinnert“. Und in einem anderen Gespräch sagte er: „Wir sind arm und Amerika ist reich. Deutschland sollte deshalb dorthin folgen, wohin VW es führt – und nicht umgekehrt“.[5]

Grabstätte

Heinrich Nordhoff starb im Alter von 69 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts und wurde zunächst in der damaligen Technischen Entwicklung des Wolfsburger Volkswagenwerkes aufgebahrt, damit sich seine Belegschaft von ihm verabschieden konnte. Das Requiem fand in der St.-Christophorus-Kirche statt, deren Kirchengemeinde er angehört hatte. Sein bis heute erhaltenes Grab auf dem Wolfsburger Waldfriedhof ziert eine kreuzbekrönte Weltkugel aus schwedischem Granit.

Bereits 1955 wurde er anlässlich der Produktion des 1.000.000-sten Volkswagens durch den Rat der Stadt Wolfsburg zu ihrem ersten Ehrenbürger ernannt. Die Straße am Mittellandkanal gegenüber dem VW-Werk – zuvor Fallersleber Straße – wurde nach ihm benannt, ebenso eine im Wolfsburger Stadtteil Westhagen gelegene Schule.

Erst Nordhoffs Nachfolger Kurt Lotz wandte sich von Luftkühlung und Heckmotor ab, indem er die NSU Motorenwerke und deren fertig entwickelten K 70 mit Wasserkühlung und Frontantrieb übernahm und den Wagen kaum verändert, aber als VW ab Sommer 1970 im dazu errichteten Volkswagenwerk Salzgitter fertigen ließ. Finanzieller Erfolg stellte sich allerdings erst mit der Adaption von Audi-Technik in den Modellen Scirocco und Golf sowie der Übernahme zweier vollständiger Audi-Wagen (Audi 80 als Passat und Audi 50 als Polo) ein.

Sonstiges

1957 wurde er von Kardinal-Großmeister Nicola Kardinal Canali zum Ritter des Päpstlichen Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem ernannt und am 7. Dezember 1957 in Köln durch Lorenz Jaeger, Großprior der deutschen Statthalterei, investiert.

1959 heiratete Ernst Piëch, Bruder von Ferdinand Piëch und ein Enkel von Ferdinand Porsche, Nordhoffs jüngste Tochter Elisabeth.

Ehrungen

Werke

  • Heinz Nordhoff: Die Führung grosser Unternehmen unter Berücksichtigung der menschlichen Probleme. In: Schweizer Bauzeitung. 73, Heft 22, 28. Mai 1955, ISSN 0251-0960
  • Heinrich Nordhoff: Reden und Aufsätze. Zeugnisse einer Ära. ECON Verlag, Düsseldorf / Wien / New York / Moskau 1992, ISBN 3-430-17156-3 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Literatur

Einzelnachweise

  1. Heinrich Nordhoff. In: Joseph Oppenhoff (Hrsg.): Geschichte des Katholischen Studenten-Vereins Burgundia in Berlin 1853–1928. s. n. Aachen, 1928.
  2. Markus Lupa: Spurwechsel auf britischen Befehl. Der Wandel des Volkswagenwerks zum Marktunternehmen 1945–1949. Hrsg.: Manfred Grieger, Ulrike Gutzmann, Dirk Schlinkert. 1. Auflage. Volkswagen AG, Wolfsburg 2010, ISBN 978-3-935112-41-3, S. 121 ff.
  3. Hans Mommsen, Manfred Grieger: Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich. Econ-Verlag, Düsseldorf 1996, S. 974.
  4. Käfer zwischen Konsum und Kult (Memento vom 10. Dezember 2005 im Internet Archive)
  5. Jerry Sloniger: Die VW-Story. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 1981, ISBN 3-87943-737-8, S. 170.