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Diskussion:Schnurkeramische Kultur

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Die Theorie der Verschmelzung von Bandkeramikern und Schnurkeramikern/Streitaxtleuten zum Volk der Germanen war fast das ganze 20. Jahrhundert hindurch anerkannte Lehrmeinung und wird auch heute noch in manchen Veröffentlichungen so dargestellt. Der einzige Schönheitsfehler daran ist, dass sie in ihrer Simplizität nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Die Schnurkeramiker waren Leute, die so um 3000 v. Chr. Schnurkeramik hergestellt haben. Ob sie eine einzige Sprache oder ein Dutzend verschiedene Sprachen gesprochen haben und ob eine, mehrere oder alle davon indoeuropäisch waren (was immerhin möglich wäre), ist nicht nachweisbar.

Kaum irgendwelche Sprachwissenschaftler und Archäologen sind heute (noch) der Meinung, dass die Streitaxtkultur indoeuropäischen Ursprungs ist.

Ernst Probst, Deutschland in der Steinzeit ... (genaue Literaturangaben im Artikel):

"Die Herkunft der Schnurkeramiker in Mitteleuropa war lange umstritten. Früher hielt man sie für aus dem Osten eingewanderte Steppennomaden ... Nach dem neuesten Forschungsstand geht man jedoch davon aus, dass sich die Schurkeramischen Kulturen unter Aufnahme neuerer Strömungen aus der Trichterbecherkultur entwickelten ... Zeitweise hatte man in ihnen wegen ihrer weit nach Osten reichenden Verbreitung sogar die ersten bekannten Indogermanen gesehen. In Wirklichkeit waren sie jedoch keine einheitliche Erscheinung, weshalb von einem Volk mit gleicher Sprache keine Rede sein kann." (398)

J. P. Mallory, In Search of the Indo-Europeans:

"It should be emphasized that there is no widely accepted solution to the problem of Corded Ware [=Schnurkeramik] origins." (247) "... it is impossible to consider Corded Ware origins without taking into account the preceding TRB [=Trichterbecher] culture." (249) "Nevertheless, the archaeological evidence advanced for the origins of the Corded Ware horizon has, ..., failed to make a thoroughly convincing case for population movements or intrusions, the minimum requirements of our search for the trajectory of the earliest Indo-Europeans. [...] the case for intrusions is simply not strong enough." (254)

Johannes Müller, Zeiten ändern sich:

"In seiner Entstehung und europaweiten Verbreitung verknüpfte man diesen Einheitshorizont, wie er in der Regel vereinfacht genannt wird, zu Beginn ausschließlich mit einer Migrationstheorie. Diese Hypothese besagt, dass die schnurkeramische Kultur durch Wanderung einzelner kleiner Gruppen und Landnahme ihrer Träger verbreitet wurde. [...] Trotz intensiver Bemühungen ist es bis heute nicht gelungen, dieses schnurkeramische Ursprungsgebiet zu lokalisieren. Zudem kommen die einzelnen Komponenten des Einheitshorizonts in den jeweiligen Regionen nur als typologische Komponenten und nicht in geschlossenen Fundensembles vor und sind mit regionalen Stilelementen gekoppelt. Folglich hat die Idee des Einheitshorizontes und vor allem die Migrationstheorie zunehmend Kritik erfahren." (27f.)

"Alle diese Gründe führten dazu, dass inzwischen eine ganze Reihe von Prähistorikern von einer eher autochtonen Entwicklung der schnurkeramischen Kultur ausgehen. Ihre These besagt, dass die einzelnen Regionalgruppen im jeweiligen Verbreitungsgebiet durch Kulturtransformation aus den verschiedenen einheimischen Vorgängerkulturen hervorgegangen sind." (30)

[...] die oben angesprochenen Veränderungen [...] wären dann als Beginn einer Hierarchisierung der Gesellschaft aufzufassen, die einige Jahrhunderte später in den frühbronzezeitlichen Fürstengräbern ihren vorläufigen Höhepunkt fand. Mit der spezifischen Form und Ausstattung ihrer Gräber setzte sich diese Klasse ganz bewusst von der übrigen Bevölkerung ab. [...] Die Hypothese einer schnurkeramischen Ideologie erscheint mir ... erheblich logischer als die Annahme einer Invasion Streitaxt schwingender Reiterkrieger, die in kürzester Zeit halb Europa unter ihre Kontrolle bringen konnten. (32)

M. Furholt, Absolutchronologie und die Entstehung der Schurkeramik:

"Eine Einwanderung [...] erscheint [...] eher unwahrscheinlich. Die Daten deuten doch eher auf gesellschaftliche Veränderungen hin, die zur Entstehung der schnurkeramischen Gruppen führten, Veränderungen, die [...] über Kommunikationsnetze vermittelt wurden [...] und zunächst zu einer Veränderung in der Totenniederlegung und erst darauf [...] der Beigabennormen führten ... Damit ist auch zu erklären, dass der Einheitshorizont keinen Horizont einheitlicher materieller Kultur darstellt, sondern ... eher einen Horizont überregional einheitlicher Formen in regional unterschiedlichen Kontexten darstellt." (26)