Deutsch-Ostafrika
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Besitzergreifung | 1885 | ||
Verwaltungssitz | 1885–90 Bagamayo 1890-18 Dar-es-Salaam | ||
Fläche | 995.000 km² | ||
Einwohnerzahl | 7.700.000 (Stand 1913) | ||
Deutsche Bewohner | 4100 | ||
Währung | 1 Rupie= 64 Pesa, ab 1905 1 Rupie = 100 Heller | ||
heutige Staaten | Tansania | ||
Deutsch-Ostafrika ist die Bezeichnung einer ehemaligen deutschen Kolonie in der Zeit von 1885 bis 1918. Das Gebiet umfasste die heutigen Länder Tansania, Burundi und Ruanda. Sie war die größte und bevölkerungsreichste Kolonie des Deutschen Reiches.
Inbesitznahme des Landes und Entwicklung bis 1904
In den 1880er Jahren wurden in Deutschland Stimmen laut, die eine verstärkte Kolonialpolitik forderten. Reichskanzler Otto von Bismarck lehnte dies am Anfang ab, da er sich außenpolitisch zum größten Teil auf Europa konzentrierte. Doch die zunehmenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme zwangen das Deutsche Reich zum Handeln. So fehlten der Wirtschaft angeblich neue Absatzmärkte, die den anderen europäischen Kolonialmächten bereits großen Reichtum einbrächten. Herrschende Wirtschaftskreise erhofften sich eine Schwächung der erstarkenden Arbeiterbewegung durch eine Auswanderungskampagne mit Ziel der Besiedlung eines „deutschen Indiens“ in Übersee, wo es angeblich glänzende Entwicklungsmöglichkeiten gäbe. Diese Idee fiel auf fruchtbaren Boden in nationalistisch gesinnten Kreisen des Bürgertums und des Adels.
Die treibende Kraft bei der Kolonialisierung Afrikas war der Pastorensohn Carl Peters, welcher in der von ihm gegründeten Gesellschaft für deutsche Kolonisation die Aufgabe erhielt, Gebiete in Afrika in Besitz zu nehmen. Am 10. November 1884 kam Peters in Sansibar an. Er reiste getarnt, da sein Vorhaben gegenüber den Briten unentdeckt bleiben sollte.
Wenig später wurden die ersten „Schutzverträge“ auf dem Festland abgeschlossen, die den Anspruch der Kolonisationsgesellschaft auf das Land bekräftigten, deren eigentlicher Sinn von den unterzeichnenden Häuptlingen jedoch zumeist nicht verstanden wurde. Am 27. Februar 1885 gab Kaiser Wilhelm I. einen Schutzbrief heraus, der die Besetzung ostafrikanischer Gebiete legitimierte. Die inzwischen umbenannte Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft unter der Leitung von Carl Peters hatte nun auch den Rückhalt des Deutschen Reiches sicher und konnte die Annexionen weiter vorantreiben. Im gleichen Jahr geriet das Sultanat Witu in deutschen Besitz. Peters gelang es in der Folgezeit, große Territorien für Deutschland zu erwerben. So konnte er 1887 das Küstengebiet von Umba bis zum Rovuma für sich gewinnen.
1888 kam es zum Aufstand eines Großteils der arabisch geprägten Küstenbevölkerung unter dem Sklavenhändler Buschiri bin Salim von Tanga im Norden bis Lindi im Süden gegen die deutsche Inbesitznahme und das von diesen verhängte Verbot des Sklavenhandels (der sogenannte Araberaufstand). Die schwarzafrikanische Bevölkerung stand in diesem Konflikt mehrheitlich auf Seite der Deutschen, da sie bis zum Erscheinen der Europäer sehr unter dem arabischen Sklavenhandel zu leiden hatte. Dem am 3. Februar 1889 zum Reichskommissar ernannten und an Spitze einer neu formierten „Schutztruppe“ stehenden Hermann von Wissmann gelang es, die Revolte niederzuschlagen. Die unter Führung deutscher Offiziere stehende Truppe bestand zunächst hauptsächlich aus landfremden afrikanischen Söldnern (Askari), meist Sudanesen. Der Aufstandsführer Buschiri bin Salim wurde am 15. Dezember 1889 hingerichtet. Der arabische Sklavenhandel, dessen Zentrum in Ostafrika das Sultanat Sansibar war, hörte auf.
Am 1. Juli 1890 wurde der Helgoland-Sansibar-Vertrag zwischen Deutschland und Großbritannien abgeschlossen. Der Vertrag regelte die Übergabe der Nordseeinsel Helgoland und des Caprivi-Zipfels (heute Namibia) an das Deutsche Reich, während Witu-Land (heute Teil Kenias) und die Ansprüche auf Sansibar an Großbritannien abgetreten wurden. 1891 wurde Deutsch-Ostafrika als „Schutzgebiet“ offiziell der Verwaltung durch das Deutsche Reich unterstellt, und die Soldaten von Wissmann erhielten die offizielle Bezeichnung Schutztruppe. Erster Zivilgouverneur war 1891-93 Julius Freiherr von Soden. Ihm folgte 1893-95 Friedrich von Schele, der nach Auseinandersetzungen mit den Massai 1894 eine Strafexpedition gegen die Wahehe anführte und die Festung Kuironga von Häuptling Mkwawa erobern konnte. Carl Peters war 1891 zum Reichskommissar ernannt, aber auf Grund von Grausamkeits-Vorwürfen 1897 wieder entlassen worden. Es kam zu weiteren Erhebungen gegen die Kolonialverwaltung, der von 1897 bis 1901 Eduard von Liebert als Gouverneur vorstand. Der Aufstand des mächtigen Wahehe-Volkes im Süden des Schutzgebiets wurde bis 1898 niedergeschlagen.
Im 20. Jahrhundert verstärkte man die landwirtschaftliche Entwicklung, indem man den Kautschuk- und Baumwolleanbau einführte. Viele einheimische Arbeitskräfte wurden dafür zur Zwangsarbeit eingezogen und zusätzlich noch durch hohe Steuerabgaben belastet.
Der Maji-Maji-Aufstand
Wegen zunehmender repressiver Maßnahmen, der Erhöhung der Steuern und besonders der Einführung der so genannten Dorfschamben (Baumwollfelder, auf denen die Einwohner eines Dorfes zur Arbeit gezwungen wurden) brach 1905 der Maji-Maji-Aufstand aus. Die ersten Unruhen ereigneten sich in der zweiten Julihälfte in den Matumbi-Bergen, westlich der Küstenstadt Kilwa. Die deutsche Kolonialverwaltung in Daressalam hoffte zu diesem Zeitpunkt noch, dass es sich dabei um ein lokal begrenztes Ereignis handelte. Diese Einschätzung des Gouverneurs Gustav Adolf Graf von Götzen sollte sich jedoch spätestens am 15. August als völlig verfehlt erweisen, als Aufständische den Militärposten von Liwale erstürmten. Der Widerstand gegen die Kolonialherrschaft nahm damit für die Deutschen endgültig bedrohliche Ausmaße an.
Die besondere Gefahr für die Kolonialverwaltung lag in der Struktur des Widerstandes, der sich schnell über ethnische und politische Grenzen hinweg ausbreitete. Binnen weniger Wochen und Monate schlossen sich unterschiedliche Volksgruppen der Aufstandsbewegung an. Dies wurde vor allem durch den Maji-Kult ermöglicht, der traditionelle Mythen aufgreifend in verschiedenen Gebieten auf Resonanz stieß. Der Prophet Kinjikitile Ngwale predigte den Widerstand gegen die Deutschen und verbreitete seine Botschaft mit Hilfe von „heiligem Wassers“ (Wasser = Maji) als eine Art Medizin. Das Maji sollte die Aufständischen im Kampf schützen, indem es die feindlichen Gewehrkugeln zu Wassertropfen verwandeln sollte. Die integrative Kraft des Maji-Kultes fand ihren Höhepunkt im Sturm auf die Boma (befestigte Station) von Mahenge am 30. August 1905, als knapp 4000 Afrikaner den deutschen Posten angriffen, der von etwa 80 Mann Schutztruppe und 200 Mann loyalen Einheimischen verteidigt wurde. Im Maschinengewehrfeuer versagte das Maji allerdings seine Wirkung, und die Angreifer erlitten verheerende Verluste.
Der Rückschlag von Mahenge bedeutete aber noch nicht das Ende der Aufstandsausweitung. Weitere Gruppen schlossen sich der Bewegung an, und so kontrollierten die Aufständischen im Oktober etwa die Hälfte der Kolonie. In der Folge der verlustreichen offenen Feldschlachten verlegten sich die Aufständischen dennoch bald auf die Führung eines Kleinkrieges gegen die Deutschen, der sich, wenn auch ohne die bisherige übergreifende Kooperation, bis 1907 fortsetzte.
Ab 1906 wehrten sich die Deutschen gegen die Guerilla-Taktik der Aufständischen mit einer „Strategie der verbrannten Erde“. Dörfer wurden zerstört, Ernten und Vorräte verbrannt, Brunnen zugeschüttet und Angehörige der Rädelsführer in „Sippenhaft“ genommen, um den Aufständischen die Grundlage zur Kriegführung zu entziehen. Die Folge war aber auch eine verheerende Hungerkatastrophe, die ganze Landstriche entvölkerte und die die sozialen Strukturen der afrikanischen Gesellschaft nachhaltig veränderte. Die Verluste auf Seiten der Aufständischen werden heute auf 100.000 bis 300.000 Personen geschätzt. Auf der Gegenseite kamen 15 Europäer und 389 afrikanische Soldaten ums Leben. Die Anzahl deutscher Soldaten in der Kolonie (ohne afrikanische Askari) lag während des gesamten Aufstandes niemals über 1000 Mann (neben der Schutztruppe kamen noch Besatzungsmitglieder deutscher Kriegsschiffe als „Landsoldaten“ zum Einsatz sowie kriegfreiwillige Zivilisten, darunter eine Anzahl nichtdeutscher Weißer, zumeist Briten und Südafrikaner). Der Reichstag in Berlin wollte keine zusätzlichen Mittel zur Niederwerfung des Aufstandes bewilligen, da die Kolonie sich im Unterschied zum als „Siedlungskolonie“ vorgesehenen Deutsch-Südwestafrika „selbst tragen“ müsse.
Die Vorgänge in Ostafrika wurden aus verschiedenen Gründen im Deutschen Reich kaum wahrgenommen und standen bzw. stehen bis heute im Schatten des Krieges in Deutsch-Südwestafrika. Um die Stabilität der Kolonie zu sichern, wurde das Herrschaftssystem nach dem Ende des Krieges unter dem neuen Gouverneur Rechenberg entschärft. Die Reformmaßnahmen scheiterten jedoch weitgehend am Widerstand der weißen Siedler. Dennoch gab es bis zum Ende der deutschen Herrschaft in Ostafrika keinen nennenswerten Widerstand mehr.
Der Erste Weltkrieg
siehe auch: Erster Weltkrieg an Kolonialschauplätzen.
In Deutsch-Ostafrika waren zu Beginn des Ersten Weltkriegs knapp 300 deutsche Soldaten sowie über 4.500 einheimische Askaris stationiert. Im Gegensatz zu den anderen Einheimischen waren die Askaris der deutschen Schutztruppe treu ergeben und stellten somit für jeden Feind einen ernsthaften Gegner dar. Im Laufe des Krieges wurde das Heer auf 3.500 deutsche Soldaten und 13.000 Askaris aufgestockt. Die Schutztruppe stand unter dem Befehl von Oberstleutnant (später General) Paul von Lettow-Vorbeck.
Am 2. August 1914 erhielt der Gouverneur Dr. Heinrich Albert Schnee die Nachricht von der deutschen Mobilmachung in Europa. Den Kriegszustand erklärte er erst am 5. August, als die Kriegserklärung Großbritanniens an das Deutsche Reich erfolgte. Die Kolonie war fast ausschließlich von übermächtigen Gegnern umschlossen; allein die Briten hatten über 130.000 Soldaten aufgeboten. Die ersten Angriffe erfolgten vom britischen Kreuzer Pegasus, der am 8. August die Funkstation der Stadt Daressalam unter Beschuss nahm. Am 23. August gelang ihm die Zerstörung der Station. Kurze Zeit später wurde das britische Schiff von dem Kreuzer Königsberg versenkt. Daraufhin kappten am 15. August 1914 die deutschen Truppen die Telegraphenleitungen, die den Tanganyika-See entlangführten, und bombardierten die angrenzenden Städte. Am 22. August öffnete ein deutsches Schiff das Feuer auf den Hafen Lukugas (Belgisch-Kongo).
Am 2. November begann die Schlacht bei Tanga mit der Landung eines 8.000 Mann starken britischen Korps unter dem Befehl von General Arthur Aitken. Paul von Lettow-Vorbeck hatte seine Hauptstreitmacht am Kilimandscharo konzentriert und brach sofort in Richtung Tanga auf. In den frühen Morgenstunden des 4. November begann Lettow-Vorbecks Streitmacht mit dem Entsatzangriff auf die Hafenstadt, wobei die Briten eine empfindliche Niederlage hinnehmen mussten und sich am Tag darauf zurückzogen. Sie hinterließen eine beträchtliche Menge an Kriegsmaterial und Kommunikationsausrüstung, mit der nun die Schutztruppe ausgestattet werden konnte. Weitere Angriffe der Briten und Belgier, unter anderem am Kilimandscharo, wurden erfolgreich abgewehrt.
Anfang des Jahres 1915 versuchten die Briten zum zweiten Mal, Tanga einzunehmen, was jedoch erneut am heftigen Widerstand der Verteidiger scheiterte. Am 10. April traf das deutsche Versorgungsschiff Rubens mit einer großen Anzahl von Material und Soldaten ein. Am 11. Juli wurde die Königsberg bei einem Seegefecht so stark beschädigt, dass man sich entschloss, sie zu sprengen.
Alle nachfolgenden Angriffe der Alliierten wurden von der Schutztruppe zurückgeschlagen. Das Kräftegleichgewicht bei den Kämpfen am Viktoriasee blieb das ganze Jahr über ausgeglichen.
1916 kippte die Situation in der Kolonie, als der britische General Smuts eine Großoffensive einleitete und die Deutschen sich aus der Gegend des Kilimandscharo zurückziehen mussten. Ebenfalls in diesem Kriegsjahr traf ein zweites Versorgungsschiff ein, das unbemerkt die alliierte Blockade durchbrechen konnte.
Bis zum 17. September konnte sich die Stadt Tabora halten, bis sie schließlich von den Briten überrannt wurde. Zwei Tage später marschierten portugiesische Truppen in Deutsch-Ostafrika ein. Die Portugiesen waren jedoch weniger erfolgreich und wurden zurückgeschlagen.
Am 21. November 1917 startete das deutsche Luftschiff LZ 104/L 59 von Bulgarien aus in Richtung Ostafrika. Der Kommandant des Luftschiffs, Kapitänleutnant Bockholdt, hatte Munition und Gewehre geladen. Durch einen gefälschten Funkspruch der Briten kehrte der Kommandant kurz vor dem Ziel wieder um. Die Schutztruppe musste sich also weiterhin mit erbeuteten Material begnügen. Die Übermacht des Feindes war inzwischen so stark, dass Lettow-Vorbeck in den portugiesischen Teil Ostafrikas ausweichen musste.
Im September 1918 marschierte die Schutztruppe wieder auf eigenes Gebiet. Sie hatte einen Weg von über 2500 km zurückgelegt, und konnte sich durch alliiertes Kriegsmaterial über Wasser halten. Im November kam es dann zu einigen letzten Gefechten.
Am 13. November erfuhr Lettow-Vorbeck von der Kapitulation des Deutschen Reiches, worauf er sich am 25. November ergab. Die verbliebenen deutschen Offiziere wurden daraufhin in Daressalam versammelt. 1919 durften sie nach Deutschland zurückkehren.
Der Versailler Vertrag
Der Versailler Vertrag bestimmte, dass Deutschland alle Kolonien abzugeben hatte. Deutsch-Ostafrika wurde am 20. Januar 1920 der Verwaltung des Völkerbundes unterstellt. Die Mandate über das Land wurden Belgien (Kontrolle über Burundi und Ruanda) und Großbritannien (Tanganjika) zugesprochen. Im Süden fiel das Kionga-Dreieck an Portugiesisch-Ostafrika (Mosambik).
Literatur
- Norbert Aas, Werena Rosenke (Hg.): Kolonialgeschichte im Familienalbum. Frühe Fotos aus der Kolonie Deutsch-Ostafrika. ISBN 392830013X
- Detlef Bald: Deutsch-Ostafrika 1900 - 1914 : eine Studie über Verwaltung, Interessengruppen und wirtschaftliche Erschließung. München, Weltforum-Verlag 1970
- Fritz Ferdinand Müller: Deutschland - Zanzibar - Ostafrika : Geschichte einer deutschen Kolonialeroberung 1884 - 1890; mit 14 Abbildungen und 6 Karten. 1. Aufl. - Berlin, Rütten & Loening 1959
- Rainer Tetzlaff: Koloniale Entwicklung und Ausbeutung: Wirtschafts- und Sozialgeschichte Dt.-Ostafrikas 1885 - 1914 Berlin, Duncker [u.] Humblot 1970
- Martin Baer, Olaf Schröter: Eine Kopfjagd. Deutsche in Ostafrika Berlin, Christoph Links Verlag 2001
- Felicitas Becker, Jigal Beez: Der Maji-Maji-Krieg in Deutsch-Ostafrika 1905 - 1907 Berlin, Ch. Links Verlag 2005
Weblinks
- Deutsch-Ostafrika 1885-1914
- Deutsch-Ostafrika 1914-1918
- Klaus Richter: Deutsch-Ostafrika 1885 bis 1890: Auf dem Weg vom Schutzbriefsystem zur Reichskolonialverwaltung. Ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte der deutschen Kolonien, in forum historiae iuris, Erste europäische Internetzeitschrift für Rechtsgeschichte 2000
- Die Kolonie Deutsch-Ostafrika
- jaduland.de