Libysche Küstenwache
Libysche Küstenwache | |
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Aufstellung | 1970 |
Staat | ![]() |
Streitkräfte | Libysche Streitkräfte |
Teilstreitkraft | Libysche Marine |
Typ | Teilstreitkraft (Küstenwache) |
Stärke | rund 1000 (bis 2011) |
Leitung | |
Kommandeur | Kommodore Abdalh Toumia |
Die libysche Küstenwache sind mehrere die militärischen und polizeilichen Hoheitsrechte ausübende Marineeinheiten in Libyen. Unklar ist, welchem Defacto-Machthaber die Einheiten unterstehen. Seit ihrer Gründung 1970 bis zum Bürgerkrieg 2011 war die Küstenwache Libyens eine rund 1000 Mann starke Einheit unter dem Oberkommando der Libyschen Marine.
Die Rolle der libyschen Küstenwache bei der Migration von Flüchtlingen über das Mittelmeer in die EU ist seit dem Sturz al-Gaddafis nicht eindeutig. Formal versucht die Küstenwache mit europäischer Unterstützung Flüchtlinge abzufangen, ehe sie internationale Gewässer erreichen und Schlepperboote noch in ihren Hoheitsgewässern aufhalten. Mehrmals kam es jedoch auch zu Aggressionen und bedrohlichen Situationen gegen Rettungs-Organisationen, Flüchtlings-Booten und Militärschiffe der EU-Operation Sophia. Gleichzeitig wird sie von dieser EU-Mission logistisch und finanziell unterstützt.
Organisation
Formal ist die Küstenwache Teil der libyschen Marine. Welche Stärke und Organisationsform die Teilstreitkraft der libyschen Streitkräfte heute hat, ist unklar. Ihre Aufgabe ist die Ausübung von Zoll- und Polizeiaufgaben in den Libyschen Hoheitsgewässern entlang der rund 1000 km langen libyschen Mittelmeerküste. Dazu operiert sie mittlerweile von zwölf Stützpunkten ausschließlich entlang des westlichen Küstenabschnitts aus (Stand 2017).[1] Die libysche Küstenwache dehnte einseitig und rechtswidrig 2017 ihre Rettungszone auf 74 Seemeilen vor ihrer Küste aus. Wiederholt kam es so zu Auseinandersetzungen mit Rettungsschiffen im internationalen Seegebiet außerhalb der Libyschen Hoheitsgewässer.[2]
Masoud Abdel Samad, ist Chef des "International Cooperation Centre" der Küstenwache[3]. Laut Medienberichten ist Kommodore Abdalh Toumia Leiter der Küstenwache. Die Stärke der Küstenwache wurde bis zum Bürgerkrieg mit rund 1000 Mann angegeben.[4] Nach dem Bürgerkrieg 2011 und dem ihm folgenden andauernden zweiten Bürgerkrieg ab 2014 beanspruchen Fayiz as-Sarradsch (Tripolitanien) und Chalifa Haftar, der legitimen Regierung Libyens vorzusitzen.[5] Damit wären sie jeweils auch Oberbefehlshaber der Küstenwache Libyens.
Die Küstenwache wird an unterschiedlichen Hafenstandorten de facto von Warlords betrieben und gilt als korrupt. Der deutsche Auslandsreporter Michael Obert berichtete 2017, dass die Einheiten in Zawiya, 50 Kilometer westlich von Tripolis, seit 2015 vom Warlord-Commander Al Bija (= Abdurahman Salem Ibrahim Milad) kontrolliert werden. Al Bija kontrolliert nach eigenen Angaben mit seiner Flotte den libyschen Küstenstreifen von der tunesischen Grenze bis kurz vor die ehemaligen Hauptstadt Tripolis.[6] Al Bija soll selbst einer der größten Akteure im Schleppergeschäft von Libyen sein. „Die libysche Küstenwache ist von dubiosen Akteuren durchsetzt. Die Internierungslager – derzeit werden mehr als 20 von der Einheitsregierung betrieben – sind momentan nichts weiter als von Milizen verwaltete Lagerhallen“, fasste Michael Obert gegenüber dem Standard zusammen.[6]
Angehörige der Küstenwache wurden dabei beobachtet, wie sie warteten, bis Migranten von Hilfsorganisationen geborgen werden konnten, um dann die Boote und deren Außenbordmotore zu beschlagnahmen. Dies Motore werden dann potentiell an Schlepper weiterverkauft. Auch wird von Kollaborationen der Küstenwache mit Schlepperbanden in einigen Küstenabschnitten berichtet.[7]
Geschichte
1970 wurde die zuvor getrennte libysche Zoll- und Hafenpolizei mit der Libyschen Marine unter dem Kommando des Verteidigungsministeriums zusammengelegt. Ihr Aufgabengebiet erweiterte sich somit auf die die Bekämpfung des Schmuggels und die Durchsetzung der Zollgesetze. Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben wurde die Küstenwache als Gliederung unter dem Oberkommando der Libyschen Marine gegründet.[4]
Libyens neu gegründete Küstenwache bestellte daraufhin zehn 32-Meter-Patrouillenboote vom Typ PV30-LS[8] in Kroatien. Im Mai 2006 lieferte die Werft Adria-Mar die ersten beiden Boote mit einer Verdrängung von 130 Tonnen an die libysche Küstenwache. weitere Boote mit einer geringeren Verdrängung von 116 Tonnen folgten.[4]
Al-Gaddafi und der damalige italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi unterzeichneten 2008 einen Freundschaftsvertrag beider Länder, der u.a vorsah, italienische Patrouillenboote an die libysche Küstenwache zu liefern. Der damalige Innenminister Roberto Maroni übergab vier Boote an Tripoli. während der Kämpfe 2011 wurden die Boote beschädigt und befanden sich seit 2012 in Italien zur Reparatur. Marco Minniti stellte in Aussicht, dass die Boote an die Sarraj Administration zurück gegeben werden.[3]
Italien schenkte der Küstenwache vier Patrouillenboote und unterstützt die Einheit mit mehreren Millionen Euro finanziell. Zudem entsandte Italien ein Reparaturschiff, um die Flotte der libyschen Marine in Stand zu setzen.[9] Ob es sich dabei um die Boote hanelt, die 2008 übernommen wurden, ist unklar.
Unterstützung durch die EU
Die Europäische Union möchte die libysche Küstenwache heute als wirksames Mittel gegen Migration in die EU einsetzen. Im Februar 2017 sagte Libyens durch die UN-anerkannte Regierung in Tripoli zu, die Migration nach Europa von Libyens Küste aus zu unterbinden[7]. Im Sommer 2017 beschloss die EU-Kommission, 46 Millionen Euro für eine Stärkung der libyschen Küstenwache und den Schutz der Südgrenze des Landes zu transferieren.[6]
Die EU-Anti-Schlepper-Mission EUNAVFOR Med Operation Sophia unterstützt die Ausbildung von Angehörigen der libyschen Küstenwache. Der Befehlshaber der Mission Enrico Credendino erklärte im März 2018, seine Mission wolle im laufenden Jahr 300 bis 500 neue Rekruten für die libysche Küstenwache ausbilden.[10] Die Streitkräfte Maltas bildeten 2017 bereits Angehörige der libyschen Küstenwache aus.[11]
Flotte
Die Flotte der Libyschen Küstenwache besteht teilweise aus Booten der Marine. Ab 2006 wurden mehrere 32-Meter-Patrouillenboote vom Typ PV30-LS in Dienst gestellt (siehe Geschichte). Laut einem John Pike von globalsecurity bestand die Flotte der Küstenwache 2015 aus zwei altersschwachen 25-Meter-Schlepper und einigen weiteren, kleinen Schnellbooten[4].
Menschenrechtsverletzungen und Zwischenfälle
Seit 2014, verstärkt seit der Aufrüstung der Libyschen Küstenwache mit Mitteln der EU und weiterer Geldgeber wird regelmäßig über Rechtsbrüche und Menschenrechtsverletzungen durch die libysche Küstenwache berichtet. Beim Abfangen von Flüchtlingen wendet die Küstenwache immer wieder brutale Methoden an. Internationale Hilfsorganisationen beschwerten sich mehrfach, dass die Küstenwache sie in ihrer Arbeit behindere und die Rettung von Flüchtlingen in Seenot erschwere[12]. In mindestens einem Fall wurde auf ein Rettungsschiff geschossen. Rettungsschiffe wurden mehrfach abgedrängt und eine NGO-Crew festgesetzt und verhört.[13][14]
Der Spiegel berichtete 2017, die Libysche Küstenwache habe die deutschen Fregatte Mecklenburg-Vorpommern (F 218) 50 Kilometer vor der Küste des Landes am 1. November 2017 bedrängt. Die Fregatte war als Teil der EU-Operation Sophia unterwegs und wollte ein Schleuserboot untersuchen. Laut dem Bericht näherte sich ein Boot der Küstenwache in hoher Geschwindigkeit, die Fregatte navigierte sich daraufhin zwischen Schleuserboot und Küstenwache. Das Patrouillenboot der Küstenwache soll daraufhin abgedreht sein und mehrmals ins Wasser geschossen haben. Der Fregattenkapitän beschwerte sich laut Spiegel bei der Küstenwache woraufhin deren Kommodore Abdalh Toumia sich offiziell entschuldigt habe und von einem Versehen sprach.[13]
Quellen
- ↑ Martin Klingst: Flüchtlinge: Libyen nicht vergessen. In: Die Zeit. 23. Februar 2018, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 27. März 2018]).
- ↑ Martin Klingst: Flüchtlingsabkommen: In Libyen ist die Lage noch verzweifelter. In: Die Zeit. 23. März 2018, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 25. März 2018]).
- ↑ a b Stuck in Libya. Migrants and (Our) Political Responsibilities | ISPI. Abgerufen am 24. März 2018 (italienisch).
- ↑ a b c d John Pike: Coast Guard. (globalsecurity.org [abgerufen am 24. März 2018]).
- ↑ Bürgerkrieg in Nordafrika: Libysche Rivalen schließen Waffenruhe. In: Spiegel Online. 25. Juli 2017 (spiegel.de [abgerufen am 21. März 2018]).
- ↑ a b c STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H.: Flüchtlinge: Der Warlord hinter der libyschen Küstenwache. In: derStandard.at. (derstandard.at [abgerufen am 21. März 2018]).
- ↑ a b Libyan Coast Guard Faces Allegations of Corruption. In: The Maritime Executive. (maritime-executive.com [abgerufen am 21. März 2018]).
- ↑ Globaldizajn www.globaldizajn.hr: Patrol Vessel (Low Silhouette) Type PV30-LS - Agencija Alan. Abgerufen am 24. März 2018.
- ↑ EU support of Libyan coast guard 'inhuman': U.N. rights chief. In: Reuters. 14. November 2017 (reuters.com [abgerufen am 21. März 2018]).
- ↑ Commander in Operation Sofia says up to 500 new Libyan recruits to receive training | The Libya Observer. Abgerufen am 21. März 2018 (englisch).
- ↑ Allied Newspapers Ltd: AFM soldiers train Libyan coast guard officers. In: Times of Malta. (timesofmalta.com [abgerufen am 21. März 2018]).
- ↑ NGO and Libyan coast guard blame each other for botched migrant rescue. In: euronews. 7. November 2017 (euronews.com [abgerufen am 30. März 2018]).
- ↑ a b Libysche Küstenwache soll deutsche Fregatte bedroht haben. In: sueddeutsche.de. 26. November 2017, ISSN 0174-4917 (sueddeutsche.de [abgerufen am 21. März 2018]).
- ↑ Rescue ship says Libyan coast guard shot at and boarded it, seeking... In: Reuters. 27. September 2017 (reuters.com [abgerufen am 21. März 2018]).