Bummelstudent
Bummelstudent ist die umgangssprachliche Bezeichnung für einen Studenten, der die Freiheiten des Studentenlebens nicht dazu verwendet, sein Studium selbstverantwortlich individuell zu optimieren, sondern den Verlockungen der Möglichkeiten einer intensiven Freizeitgestaltung nachgibt und seine Studien vernachlässigt. Bummelstudenten zeichnen sich durch eine lange Studiendauer und geringe Studienleistungen aus. Sie legen oftmals kein Examen ab (Studienabbrecher) oder tun dies erst nach langer Studienzeit.
Der heutige amtliche Ausdruck Langzeitstudierender umfasst im Gegensatz zum Begriff „Bummelstudent“ auch Studenten, deren Studienzeit sich aufgrund von geringen finanziellen Möglichkeiten, persönlichen Krisen oder Krankheit verlängert.
Bummelstudenten in der Geschichte
Im Mittelalter, zur Entstehungszeit der Universitäten, taucht der Bummelstudent nicht im gesellschaftlichen Diskurs auf. Die Universitäten hatten ein breites Spektrum an Bildung abzudecken, es wurden auch junge Menschen unterrichtet, die nur geringes Interesse und geringe Begabungen hatten. Diese verließen die Universität nach verhältnismäßig kurzer Zeit mit einem bescheidenen oder auch ohne Abschluss wieder. Im Mittelalter stand der Student auch durch die Wohngemeinschaften (Bursen, Kollegien) mit Lehrern und Mitschülern in so engem Kontakt, dass ein Ausbrechen aus der Studiendisziplin auch nicht so leicht möglich war.

Wie aus der Literatur zu ersehen ist, wurde der Bummelstudent zu Beginn der Frühen Neuzeit schon aus moralisch-erzieherischen Gründen ein gern behandeltes Thema. Durch die gesellschaftlichen Umwälzungen wurde ein Universitätsstudium mit einem anspruchsvollen Abschluss zur Voraussetzung für eine zivile Führungsposition bei den Landes- und Kirchenverwaltungen der neu entstehenden Territorialstaaten. Sie waren die wichtigsten Arbeitgeber für Söhne aus gesellschaftlich angesehenen Familien, ja im Laufe der Zeit selbst für Adlige. Wer außerhalb des Militärs in Staat oder Kirche Karriere machen wollte, musste einen Universitätsabschluss vorweisen.
Doch auch bei begüterten Familien waren die finanziellen Mittel nicht unbegrenzt und die Väter mussten dafür Sorge tragen, dass die Söhne mit den zur Verfügung stehenden Mitteln sorgsam umgingen. Wer Zeit und Geld vergeudete, konnte als Studienversager gebrandmarkt werden und musste sich mit wenig einträglichen Berufen durch den Rest seines Lebens schlagen.
Dazu kam, dass in der Frühen Neuzeit die Kontrollmöglichkeiten der Familien aufgrund der Entfernungen zu den Studienorten und den fehlenden Verkehrs- und Kommunikationsmitteln sehr gering waren. Auch wohnte der Student in dieser Zeit nur noch selten in universitären Wohngemeinschaften, so dass nur wenig Kontrolle seitens der Universitäten ausgeübt werden konnte. Der Student war in seiner Freizeit wahrhaftig frei. Viele konnten damit nicht umgehen und erlagen den Versuchungen des Wohllebens.
Die besondere Freiheit der Studenten in Deutschland ist auch dem amerikanischen Schriftsteller und Satiriker Mark Twain aufgefallen, als er im Sommer 1878 einige Monate in Heidelberg verweilte und darüber in seinem Werk „A Tramp Abroad“ (deutsch: „Bummel durch Europa“) schrieb. In den angelsächsischen Ländern ist es bis heute üblich, dass die Studenten im Doppelzimmer in speziellen Wohnheimen auf dem Universitätsgelände wohnen, was eine bessere Kontrolle der Lebens- und Studiengewohnheiten ermöglicht. Mark Twain wunderte sich, dass die Studenten sich an der Universität lediglich einschrieben und dann bei der weiteren Ausgestaltung des Studiums auf sich gestellt waren.
Seit den 1990er Jahren ist in ganz Europa, und damit auch im deutschen Sprachraum, ein verstärkter Trend zu bemerken, sich bei der Ausgestaltung des akademischen Studiums an angelsächsischen Lösungen zu orientieren. Die hat auch zu einem vermehrten Bestreben geführt, die Studienleistungen besser zu kontrollieren, damit die Studenten ihr Studium schneller abschließen und früher dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Einer der Gründe dürfte der zunehmende internationale Wettbewerb der einzelnen Länder und Wirtschaftsräume auf den globalisierten Märkten sein.
Das große Renommee einiger US-amerikanischer Hochschulen auf den Gebieten der Ingenieurwissenschaften und der Betriebswirtschaftslehre hat dazu geführt, dass sich die Hochschulen auf der ganzen Welt am amerikanischen Modell orientieren. Siehe dazu auch Bologna-Prozess und Studiengebühren.
In der Literatur und Illustration
Aus dem Mittelalter liegen nicht viele Berichte über Bummelstudenten vor. Am ehesten könnten noch die Hinweise in den Dichtungen von Archipoeta als solche gewertet werden. Aus den in Latein geschriebenen Liedern geht hervor, das der Dichter offensichtlich an der Schule von Salerno Medizin studiert hatte, sein Studium aber wohl aus gesundheitlichen Gründen hatte abbrechen müssen. In seinem zehnten Lied, der heute so genannten „Vagantenbeichte“ berichtet er von seinem lasterhaften Leben, das er vermutlich auch schon als Student geführt hat.
Besonders in der Frühen Neuzeit wurde der Bummelstudent ein Thema in der Literatur, im Theater und im Bild. Lebensgeschichten gescheiterter oder beinahe gescheiterter Studenten erlangten teilweise hohe Popularität. Diese Werke wurden auch zur Belehrung der jungen Akademiker eingesetzt, um sie vor den Folgen allzu großer Nachlässigkeit im Studium zu warnen. Manche dieser Werke beziehen auch das Leben eines gescheiterten Studenten nach der Universitätszeit mit ein und schildern bescheidene und/oder abenteuerliche Karrieren.
Mit oder ohne Bezug auf ein entsprechendes Literaturwerk entstanden in der Frühen Neuzeit zahlreiche Kupferstiche über das Leben der Studenten, die sich auch des Themas Bummelstudent annahmen.