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Gezeiten

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Die Tide ist der durch die Gravitation des Mondes und der Sonne verursachte Zyklus von Ebbe und Flut, zusammen Gezeiten genannt.

Die maximale Wasserstandsdifferenz zwischen Hoch- und Tiefstand nennt man den Tidenhub. Dieser variiert je nach Stellung von Sonne und Mond: Stehen Sonne, Mond und Erde auf einer Geraden (Voll- und Neumond), addieren sich die Anziehungswirkungen und es kommt zu einer (höheren) Springtide. Stehen Sonne, Mond und Erde in einem rechten Winkel zueinander (Halbmond) wird die Anziehungskraft des Mondes von der Sonne abgeschwächt, es kommt zur (niedrigeren) Nipptide. Den Zeitpunkt der Strömungsumkehr zwischen auflaufend und ablaufend Wasser und umgekehrt nennt man Kenterpunkt der Tide.

Die folgenden Erklärungen zum Entstehen der Gezeiten beziehen sich ausschließlich auf die vom Mond verursachten Gezeiten. Die Wirkung der Sonne kann analog verstanden werden, und die Gezeiten der Erde sind dann eine Überlagerung der Gezeiten von Mond und Sonne.

Physikalische Erklärung

Die physikalische Ursache der Gezeiten ist die Gezeitenkraft. Sie beruht darauf, dass die Gravitationskraft mit der Entfernung abnimmt. Die Anziehungskraft des Mondes ist auf der dem Mond zugewandten Seite der Erde aufgrund der geringeren Entfernung zum Mond größer als auf der dem Mond abgewandten Seite.

Die Berechnung der an verschiedenen Orten der Erde wirkenden Kräfte direkt mittels der Gezeitenkraft ist nicht einfach. Daher wird oft die folgende, rechnerisch korrekte, allerdings irreführende Erklärung gegeben:

Auf die Erde wirkt nicht nur die anziehende Gravitation des Mondes, sondern aufgrund der Rotation von Erde und Mond um ihren gemeinsamen Schwerpunkt auch eine entgegengesetzte Zentrifugalkraft (Fliehkraft). Die Zentrifugalkraft hängt von der Winkelgeschwindigkeit der Rotation ab, und ist daher an jedem Ort der Erde gleich groß. Die Gravitationskraft dagegen ist abstandsabhängig, und daher auf der dem Mond zugewandten Seite größer als auf der abgewandten Seite. Gravitationsanziehung und Zentrifugalabstoßung summiert ergeben nun auf der mondzugewandten Seite eine zum Mond hin-, auf der abgewandten Seite eine vom Mond weggerichtete Kraft, welche für zwei Flutberge verantwortlich ist.

Diese Erklärung ist irreführend, da die Zentrifugalkraft eine so genannte Scheinkraft ist, die nur in einem bewegten (in diesem Falle rotierenden) Bezugssystem auftritt. Damit verschleiert diese Erklärung die tiefere, zugrundeliegende Ursache, die alleine in der entfernungsbedingten Abnahme der Gravitation liegt; auch wenn Erde und Mond nicht einander umkreisten, würde auf einer im gleichen Abstand befindlichen Erde die mit der Entfernung abnehmende Gravitation Gezeiten verursachen. Anders ausgedrückt: Wenn auf einen Körper (in diesem Falle die Erde) an zwei entgegengesetzten Enden unterschiedliche Kräfte (hier die Gravitation) wirken, reagiert der Körper durch Verformung. Die Erde wird leicht in die Länge gezogen, oder die bewegliche Materie, sprich das Wasser, folgt der Kraftwirkung.

In einer idealisierten Welt ohne Kontinente, die vollständig von Wasser bedeckt wäre, gäbe es zwei einander gegenüberliegende Bereiche, in denen Tidehochwasser herrscht, und zwei Bereiche, in denen Tideniedrigwasser herrscht. Die Erde dreht sich unter diesen Wasserbergen durch.

Aufgrund der Kontinente reicht dieses einfache Modell nicht aus, die Gezeiten zu beschreiben. Durch die Eigenrotation der Erde werden die Kontinente gegen die Hochwasserberge geschoben, und lenken diese ab. Dadurch kommt es in den Ozeanen der Erde zu kreisförmig laufenden Gezeitenwellen, die an den Küsten entlangstreichen; in Nebenmeeren, Buchten oder Flussmündungen treten zusätzliche Phänomene auf.

Da die Erde sich innerhalb 24 Stunden einmal um sich selbst dreht, gibt es zweimal täglich Flut und Ebbe - eine Flut auf der dem Mond zugewandten Seite und eine auf der abgewandten Seite. Der Abstand zwischen zwei Tidehochwässern beträgt jedoch nicht 12, sondern rund 12 Stunden 25 Minuten, da der Mond zusätzlich die Erde umkreist. Die Zeiten von Hoch- und Niedrigwasser hängen von Lage des betreffenden Punktes in Bezug auf den Mond ab. Aufgrund der elliptischen Bahn des Mondes um die Erde treten zusätzlich kleine Abweichungen in den Abständen der Hoch- und Tiefwasserstände auf.

Küstenphänomene

Neben der Gezeitenkraft beeinflussen insbesondere Schwingungsphänomene den Zeitpunkt und die Höhe der Flut. Angestoßen durch die ozeanweite Tide bilden sich mehrere Schwingungsknoten, von denen Tidenwellen kreisförmig ausgehen. Dieses Phänomen findet man vor allem in Nebenmeeren, wie der Nordsee. Herausragend ist hierbei vor allem die Tideresonanz der Fundy-Bay.

Außerdem hat die Küstenform beträchtlichen Einfluss. So beträgt der Tidenhub in der westlichen Ostsee nur ca. 30 cm, an der deutschen Nordseeküste um 1-2 Meter. In den Ästuaren der tidebeeinflussten Flüsse, z.B. Elbe und Weser beträgt der Tidenhub aufgrund der Trichterwirkung bis über 4 Meter. Noch höher ist der Tidenhub beispielsweise bei St. Malo in Frankreich oder in der Severn-Mündung zwischen Wales und England, er kann dort über 8 Meter erreichen. Wiederum in der Fundy-Bay treten auch die weltweit höchsten Gezeiten mit bis zu 15 m auf.

Derart hohe Tidenhübe werden auch in Gezeitenkraftwerken zur Stromerzeugung genutzt.

siehe auch: Zenitflut