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Placide Tempels

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Placide Frans Tempels (* 18. Februar 1906 in Berlaar, Belgien, † 9. Oktober 1977) war ein belgischer Missionar. Berühmt wurde er für seine Schrift La philosophie bantoue im Jahr 1945.

Leben

Geboren als Frans Tempels, übernahm er mit 18 Jahren den Namen Placide bei seinem Eintritt in das Priesterseminar der Franziskaner. Nach seiner Ordination zum Priestertum im Jahre 1930 lehrte er für 3 Jahre in Belgien, bevor er 1933 nach Belgisch-Kongo (heute Demokratische Republik Kongo) berufen wurde. Er blieb dort für 29 Jahre. Unterbrochen wurde sein Aufenthalt nur durch zwei kurzfristige Reisen nach Belgien. Im April 1962 kehrte er schließlich zurück, um in einem Franziskanerkloster in Berlaar zu leben, wo er 1977 verstarb.

Bantu-Philosophie

Obwohl er weder Afrikaner noch ein Philosoph war, hatte Tempels großen Einfluss auf die Afrikanische Philosophie, und zwar durch die Veröffentlichung seines Werks La philosophie bantoue im Jahre 1945 (dt. 1956: Bantu-Philosophie. Ontologie und Ethik). Dieses Werk der Ethnophilosophie wurde kritisiert, u.a. von Paulin Hountondji, Aimé Césaire, Kwame Anthony Appiah, Kwasi Wiredu und Peter Bodunrin. Viele stimmten aber auch (teilweise oder völlig, implizit oder explizit) den von ihm transportierten Ideen bzw. Ideologien zu, so zB. Alexis Kagamé. Tempels selbst beanspruchte durch diese Arbeit, einen Schlüssel für das Verstehen des „primitiven“ Denkens gefunden zu haben.


Seine Bantu-Philosophie besagt im Großen und Ganzen folgendes:

  1. Es existiert eine kollektive Bantu-Philosophie, die "ein für allemal der ewigen unwandelbaren Seele des Afrikaners" inhärent ist.
  2. (Lebens-)Kraft und Sein sind ein und dasselbe.
  3. Es wird zwischen statischer europäischer Philosophie und dynamischer Bantu-Philosophie unterschieden.
  4. Die Interaktion zwischen Gott und Mensch erfolgt nach unwandelbaren Gesetzen.
  5. Die Hierarchie des Seins ist eine Hierarchie der herrschenden Kräfte: Gott - Schöper des Clans - Urahnen - Ahnen der Stämme (als Vermittler der Kräfte der Gründungsväter) - Tiere - Pflanzen - Minerale

Kritik

Tempels bediente, so Hountondji, sowohl die Rehabilitation der afrikanischen Kultur als auch die These Lévy-Bruhls. Er erfüllte mannigfaltige Erwartungen:

  1. Eine definitive Philosophie dient dem afrikanischen Nationalisten als Ideologie, der er sich leidenschaftlich hingeben kann.
  2. Eine handfeste Doktrin dient kolonialapologetischen Afrikanisten und Ethnologen (zB Bachelard) offen als Geschichte der eigenen intellektuellen Kindheit
  3. Eine vereinfachte Weltanschauung dient konventionellen Ethnographen und katholischen Missionaren zur Bestätigung der Inferiorität der „exotischen“ Kulturen


Außerdem gilt es festzuhalten:

  • Der Thomismus im Werk zeigt: Es ist nicht die Philosophie der Bantu, sondern Tempels eigene Philosophie.
  • Populärer, ideologischer Gebrauch von „Philosophie“ im Gegensatz zu eigentlicher Philosophie im strengen, theoretischen Gebrauch des Wortes.
  • Das Objekt imperialen Herrschaftsdiskurses wird durch diese Pseudophilosophie der Weltanschauungen der Mitsprache enthoben.


Alexis Kagamé (Priester in Ruanda) behauptete ebenfalls die Existenz einer kollektiven Bantu-Philosophie. Er schränkte jedoch - im Gegensatz zu Placide Tempels - den Anspruch auf die Region Rwandas und der Nachbarländer ein. Um der Idee eines unveränderlichen, ewigen Denksystems Plausibilität zu verleihen, leitete er die Ontologie von der grammatischen Struktur des Kinyarwanda ab. Theoretisches Denken sei, so Kagamé, in der Muttersprache bedingt; eine andere Muttersprache bedinge demnach ein völlig anderes Denken. Kagamé präsentierte seine Arbeit explizit als „Monographie“, aber dennoch sagte er, „die formale Logik sei in allen Kulturen gleich“. Kagamé sagt, Sein in Ruhe und Sein in Bewegung seien zwei Aspekte desselben Seins.


Literatur

Placide Tempels (1956): Bantu-Philosophie. Ontologie und Ethik.

Siehe auch

Ethnophilosophie