ND – Christsein.heute
Der Bund Neudeutschland (ND) ist ein nach dem Ersten Weltkrieg gegründeter Verband der katholischen Jugendbewegung. Er gab sich 1923 auf Schloss Hirschberg im Altmühltal das sogenannte Hirschberg-Programm.
Geschichte des Bundes
Der Bund wurde auf Anregung des Kölner Erzbischofs, Kardinal Felix von Hartmann, 1919 durch Jesuiten als Schülerverband gegründet. Er fand „eine intensive Seelsorge für die Schüler höherer Lehranstalten dringend erforderlich, wenn es gelingen soll, die Gebildeten der Kirche zu erhalten“. Im Namen „Neudeutschland“ sollte zum Ausdruck kommen, dass man an einem neuen, besseren, christlichen Deutschland, das sich stark am mittelalterlichen Ordensrittertum orientierte, mitwirken wolle. In den Themen der Bündischen Jugend „Natürlichkeit, Einfachheit, Wahrhaftigkeit, Selbstverantwortung, Gemeinschaft“ wurde ein Weg zu diesem Ziel gesehen. Das Hirschberg-Programm fasste dann das Wollen und Streben in dem Leitsatz zusammen: „Neue Lebensgestaltung in Christus“. Neben Kardinal Hartmann war vor allem der Jesuitenpater Ludwig Esch SJ Gründervater und jahrzehntelang zentrale Figur des Bundes.
Die Mitglieder waren nur Jungen aus Oberschulen und Gymnasien, während Mädchen nicht zugelassen waren. Für sie war der Heliand-Bund vorgesehen.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme schien zunächst das Reichskonkordat den katholischen Organisationen Schutz zu garantieren, der aber nur kurze Dauer hatte. Schon 1933 kam es zu Auseinandersetzungen mit der Hitlerjugend (HJ), die alle Jugendlichen erfassen wollte. Moralischer Druck auf die Eltern über die höheren Lehranstalten, Verbot von Kluft, Fahrtenmessern, Zeltlagern und Fahrten taten ein Übriges, das Interesse an dieser und verwandten Organisationen zu Gunsten der HJ zu verschieben. Die Zahl der Mitglieder nahm so von 21.000 im Jahr 1933 stetig ab. Eine ganze Anzahl von Gruppen operierten am Rande der Legalität bis zur Auflösung durch die Gestapo 1939.
Im ND-Älterenbund (Äbu) waren vor allem Studenten organisiert. Er geriet gleich 1933 in Turbulenzen, weil sein Bundesführer, Regierungs-Assessor Hans Hien, wegen einer Initiative zu selbstbewusster politischer Aktivität im Rahmen des neuen Regimes nach Vernehmungen durch Heinrich Himmler und Reinhard Heydrich in Schutzhaft genommen wurde. Seine Initiative wurde als Versuch der Unterwanderung gesehen und Anklage wegen Hochverrats beantragt. Das Reichsgericht lehnte jedoch die Anklageerhebung ab. Hien wurde unter Auflagen freigelassen, der Äbu überstand diese Krise. Er wurde in den Folgejahren weniger verfolgt als der Jüngerenbund (Jübu), weil seine 2000 Mann für die NS-Studentenschaft weniger interessant waren als die mitgliederstarken und reichen Korporationen.
Von 1932 bis 1934 entwickelten sich die Werkblätter des Äbu unter der Redaktion des Philosophen Max Müller zu einer lebendigen und breit orientierten Zeitschrift. Jedoch schrumpfte der Kreis der zugelassenen Themen von Jahr zu Jahr. Ab 1936 (unter Josef Gülden) trat das Thema einer volksnahen Liturgie (unter Ablösung der lateinischen Sprache) in den Vordergrund. 1937 wurde die Zeitschrift vom Bund gelöst und dieser gleichzeitig tot gelegt, d. h. die überregionale Organisation wurde eingestellt – bis auf einen Koordinator.
Nach 1945 bildete sich an den westdeutschen Hochschulen auch ein Neudeutscher Hochschulring (ND-HSR), der sich in Abgrenzung zu den traditionellen katholischen Studentenverbindungen um eine zeitgemäße Form des akademischen Gemeinschaftslebens bemühte.
Der Bund ist heute die Wurzel der Katholischen Studierenden Jugend – Schülergemeinschaft im Bund Neudeutschland (KSJ, seit 30. Dezember 2011 ein eigenständiger Jugendverband) und des ND, der bis April 2016 auch den Namen Gemeinschaft Katholischer Männer und Frauen (ND-KMF) führte. Sein Zeichen ist das Chi-Rho. Im Mai 1997 wurde die Organisation Mitglied bei TransFair. Die KSJ ist Mitglied der Internationalen KSJ. [1]
Einrichtungen des Bundes
Der Bund hat u. a. in München das Studentenwohnheim „Willi Graf“ unter Beteiligung der Christophorus Gemeinschaft katholischer Studierender und Akademiker errichtet.
Er unterhält in der Burg Neuerburg in der Eifel sowie in der Marienburg Niederalfingen im Ostalbkreis zwei Jugendgästehäuser sowie in einem Turm der Nürnberger Stadtmauer, dem sogenannten ND-Turm, eine Jugendbegegnungsstätte.
Mitglieder
(Auswahl)
- Rainer Barzel (1924–2006), ehem. Bundesminister und Präsident des Deutschen Bundestages
- Hans Baumann (1914–1988), deutscher Lyriker, Komponist, Kinder- und Jugendbuchautor und Übersetzer
- Heinz Bello (1920–1944), katholischer Märtyrer
- Johannes Beutler (* 1933), SJ, em. Theologieprofessor
- Rudolf Bock (1924–2008), deutscher Politiker (SPD)
- Johann Böhm (* 1937), CSU-Politiker, ehem. bayerischer Landtagspräsident
- Michael Brink (1914–1947), Publizist und Widerstandskämpfer
- Viktor Josef Dammertz (* 1929), OSB, Altbischof von Augsburg
- Johannes Joachim Degenhardt (1926–2002), Kardinal und Erzbischof von Paderborn
- Alfred Delp (1907–1945), SJ, Widerstandskämpfer
- Richard Egenter (1902–1981), kath. Priester und Theologieprofessor
- Hermann Eising (1908–1981), deutscher Alttestamentler in Münster, einst dort Bischofskaplan von Graf Galen
- Ernst Feil (1932–2013), Theologieprofessor in München
- Hans Filbinger (1913–2007), ehem. Ministerpräsident von Baden-Württemberg
- Robert Frohn (1913–1991), Pädagoge, Historiker und Kommunalpolitiker in Köln
- Ottmar Fuchs (* 1945), kath. Priester und Theologieprofessor
- Otto Hartmut Fuchs (1919–1987), CDU-Funktionär (DDR), Präsident der Berliner Konferenz europäischer Katholiken (BK)
- Rudolf Graber (1903–1992), Theologe, Bischof von Regensburg
- Willi Graf (1918–1943), Widerstandskämpfer der Weißen Rose
- Paul Groh (1929–1987), Pfarrer von St. Hildegard in München, Dekan, Geistlicher Rat
- Johannes Gründel (1929–2015), kath. Priester und em. Theologieprofessor
- Josef Gülden (1907–1993), Oratorianer, Schriftleiter der Werkblätter 1936–1939, Mitgründer des St. Benno-Verlages
- Franz Hamburger (* 1946), 1978–2011 Professor für Erziehungswissenschaft (Schwerpunkt Sozialpädagogik), Bundesleiter in den 1960er-Jahren
- Hans Heigert (1925–2007), Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, Chefredakteur beim Bayerischen Fernsehen, Präsident des Goethe-Instituts
- Franz-Wilhelm Heimer (* 1930), em. Professor für Soziologie
- Hans Hien (1905–1984), Rechtsanwalt, Bundesleiter 1932–1933, wurde unter Hochverrats-Verdacht verhaftet
- Franz Hitzel (1912–1994), Architekt, Regierungsbaudirektor, Leiter des Staatlichen Hochbauamts Konstanz, ehrenamtlicher Denkmalpfleger, Professor an der Fachhochschule Konstanz, Kommunalpolitiker der CDU
- Karl Holzamer (1906–2007), Philosoph und Intendant des ZDF
- Karl-Heinz Hornhues (* 1939), MdB 1972–2002, Vors. des Auswärtigen Ausschusses 1994–1998, Ehrenpräsident der Deutschen Afrika-Stiftung
- Helmut Ibach (1912–1996), Historiker, Journalist und Publizist
- Erwin Iserloh (1915–1996), Kirchen-Historiker
- Ernst-Alfred Jauch (1920–1991), katholischer Journalist
- Hans Katzer (1919–1996), ehem. Bundesminister
- Wilhelm Kempf (1906–1982), Bischof von Limburg
- Lothar G. Kopp (* 1955), Pädagoge, Autor und Wissenschaftlicher Referent, Bundeszentrale für politische Bildung
- Sieger Köder (1925–2015) katholischer Priester und Künstler, "Malerpfarrer"
- Oskar Köhler (1909–1996) Historiker im Verlag Herder, Schriftleiter der Werkblätter 1935
- Bernhard Krol (1920–2013) deutscher Hornist und Komponist
- Karl Kunkel (1913–2012), römisch-katholischer Priester, Geistlicher Rat
- Hermann Lange (1912–1943), Priester und einer der vier Lübecker Märtyrer
- Hans Langendörfer (* 1951), SJ, Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
- Jürgen von der Lippe (* 1948), deutscher Entertainer, Sänger und Komödiant
- Klaus Mainzer (* 1947), Philosoph und Wissenschaftstheoretiker
- Armin Maiwald (* 1940), Fernsehredakteur der Sendung mit der Maus
- Reinhard Marx (* 1953), Kardinal, Erzbischof von München und Freising
- Klaus Mertes (* 1954), SJ, Schulleiter, Autor und Chefredakteur
- Franz Meyers (1908–2002), ehem. Ministerpräsident Nordrhein-Westfalen
- Werner Mölders (1913–1941), Jagdflieger und Ritterkreuzträger
- Max Müller (1906–1994) Philosoph, Professor, Schriftleiter der Werkblätter 1932–1934
- Heinrich Oberreuter (* 1942) Politikwissenschaftler an der Universität Passau, Direktor der Akademie für Politische Bildung in Tutzing
- Klaus Prömpers (* 1949), deutscher Fernsehjournalist (ZDF, Studioleiter in New York)
- Karl Rawer (* 1913) Physiker, Koordinator Älterenbund 1937–1939
- Heinrich Riethmüller (1921–2006), Musiker, Komponist und Synchronregisseur
- Otto B. Roegele (1920–2005), deutscher Publizist
- Emil Rohrer (1913–1940) aus Stuttgart, Schneider (Anstaltsunterbringung in Rottenmünster und Weissenau), getötet in Grafeneck
- Franz Sackmann (1920–2011), bayerischer Politiker, Wirtschaftsstaatssekretär
- Hermann Scheipers (1913–2016), ehemaliger geistlicher Insasse des KZ Dachau
- Hans Scherer (1904–1978), Mitbegründer des katholischen Männerfürsorgevereins
- Eberhard Schockenhoff (* 1953), kath. Priester und Theologieprofessor
- Michael Sievernich (* 1945), SJ, Professor für Pastoraltheologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen
- Josef Stangl (1907–1979), katholischer Bischof von Würzburg
- Konrad Stangl (1913–1993), deutscher Jurist und Offizier
- Horst Teltschik (* 1940), deutscher Politiker (CDU), Honorarprofessor der TU München
- Werner Thissen (* 1938), Erzbischof von Hamburg
- Manuel Thomas (* 1940), Schriftsteller, Maler, Journalist
- Klaus Töpfer (* 1938), ehem. Bundesminister, Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP)
- Michael Vesper (* 1952), Sportfunktionär, ehem. Bauminister und stellv. Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen (bis 2005), stellvertretender Bundesleiter der Schülergemeinschaft
- Stefan Vesper (* 1956), Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)
- Bernhard Vogel (* 1932), ehem. Ministerpräsident Rheinland-Pfalz und Thüringen
- Bernhard Wensch (1908–1942), Priester und NS-Opfer, im KZ Dachau umgekommen
- Paul Wilpert (1906–1967), Philosoph, stellv. Bundesleiter 1933/4, als Hans Hien verhaftet war
- Rainer Maria Woelki (* 1956), Erzbischof von Köln
Siehe auch
Literatur
- Ronald Warlowski: Neudeutschland German Catholic Students 1919–1939. Nijhoff, Den Haag 1970.
- Rolf Eilers (Hrsg.): Löscht den Geist nicht aus. Der Bund Neudeutschland im Dritten Reich. Grünewald-Verlag, Mainz 1985, ISBN 378671195X.
- Günter de Bruyn: Zwischenbilanz. Eine Jugend in Berlin. S. Fischer, Frankfurt/M 1992. (de Bruyns Bruder war beim ND)
- Stefanie Kühne: Lebensgestaltung in Christus, Katholische Jugendbewegung in der Zwischenkriegszeit (1919–1938) aufgezeigt am Beispiel des Bundes Neudeutschland. Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg 1999.
- Klaus Große Kracht: Konfessionelle Elitenbildung und kommunikative Netzwerke 1945–1965. In: Michel Grunewald, Uwe Puschner (Hrsg.): Katholisches Intellektuellenmilieu in Deutschland, seine Presse und seine Netzwerke (1871–1963). Peter Lang, 2006, ISBN 978-3-03910-857-2, S. 483–505 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Weblinks
- Homepage des ND
- Geschichte des ND (KSJ-Homepage)
- Das Hirschbergprogramm in der Fassung von 1994
- Jugend in Deutschland 1918 bis 1945: Bund Neudeutschland (NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln)
- Das Archiv des „Bund Neudeutschland“