Pir Sultan Abdal

Pir Sultan Abdal (* um 1480 im Dorf Banaz, Provinz Sivas; † 1550) war ein türkischer Dichter alevitischen Glaubens, der heute als Freiheitsvorbild vieler Aleviten gilt. Es existieren bislang keine zuverlässigen historischen Quellen über sein Leben. Aus einem seiner Gedichte schließt man, dass er mit wirklichem Namen Haydar hieß.[1] Seine Lieder bzw. Gedichte führten angeblich zu mehreren Aufständen im damaligen Osmanischen Reich, weshalb er von Hızır Paşa, dem damaligen Statthalter von Sivas, hingerichtet wurde.
Hunderte Gedichte (bei Aleviten Deyişler) von ihm beinhalten die Liebe und Verbundenheit zu Gott, über den alevitisch Islamischen Glauben, den Propheten Muhammed, Imam Ali, das Massaker von Kerbela, insbesondere über Imam Hüseyin, den 12 Imamen, Haci Bektas Veli, die Natur und die Liebe zu den Mitmenschen. Bis heute werden seine Gedichte (Deyişler) die sich mit den alevitischen Glauben befassen in Cem Gebeten von alevitischen Geistlichen (Dedeler, die vom Familienstaumbaum des Propheten Muhammeds stammen) vorgelesen.
Seine Lyrik ist reich an Fantasie und sufistisch inspirierten Metaphern über Gott, die Natur und die Liebe zu den Mitmenschen. Seine Gedichte machten ihn sowohl unter Aleviten als auch Sunniten sehr beliebt. Pir Sultan Abdal drückte in seinen Gedichten die sozialen, kulturellen und religiösen Empfindungen seiner Mitmenschen aus. Er gilt ebenso als Rebell gegen das osmanische Establishment.
Leben
Pir Sultan Abdal wurde im Dorf Banaz, Bezirk Yildizeli in der Provinz Sivas geboren. Sein eigentlicher Name soll Haydar gewesen sein, das Pseudonym setzt sich aus Pir (persisch پير „der (weise) Alte“, was der Titel des Vorstehers eines Derwisch-Ordens (Tariqa) ist und dem Begriff Scheich, arabisch شيخ, entspricht), Sultan (arabisch سلطان für „Herrscher“), was in diesem Fall eine ehrende Anrede darstellt, und Abdāl (أبدال), was auch einen Rang in manchen Derwisch-Orden bezeichnet, zusammen. Er gehörte zu den Aşık genannten Barden und begleitete seine gesungenen Verse auf der türkischen Langhalslaute Saz.
Der historische Pir Sultan Abdal
Da Pir Sultan ein Ehrentitel der alevitischen Orden war, konnte man mehrere Dichter mit diesem Titel identifizieren. Aus diesem Grund war einige Zeit die Eindeutigkeit des Autors unzähliger Gedichte und des Haupthelden vieler Legenden umstritten. Ende des 18. Jahrhunderts gab es einen aus Çorum stammenden und in Ankara im Hasan Dede Kloster wirkenden Dichter Pir Sultan. Dieser wurde jedoch nicht Pir Sultan Abdal genannt, jedoch hatte auch dieser den „bürgerlichen“ Namen Haydar.
In Divriği lebte im 18. Jahrhundert ebenfalls ein Pir Sultan, der allerdings eigentlich Halil Ibrahim hieß. Jedoch konnte nur ein Pir Sultan Abdal mit der Hinrichtung aus den Legenden und der Amtszeit des Beylerbeys von Sivas Hizir Paschas in Verbindung gebracht werden. So geht die aktuelle Literaturwissenschaft davon aus, dass dieser Pir Sultan Abdal aus den vielen Legenden und Autor vieler Gedichte mit jenem aus Banaz stammenden Haydar identisch ist.
Gedicht
Ein bekanntes Gedicht, das Pir Sultan Abdal zugeschrieben wird, ist Ötme Bülbül Ötme (dt: Zwitschere nicht Nachtigall, zwitschere nicht). Als Lied ist es in der Türkei sehr bekannt:

Türkischer Originaltext[2]
Ötme Bülbül Ötme, Şen Değil Bağım
Dost Senin Derdinden Ben Yana Yana
Tükendi Fitilim Eridi Yağım
Dost Senin Derdinden Ben Yana Yana
Deryadan Bölünmüş Sellere Döndüm
Vakitsiz Açılan Güllere Döndüm
Ateşi Kararmış Küllere Döndüm
Dost Senin Derdinden Ben Yana Yana
Haberin Duyarsın Peyikler İle
Yaramı Sarsınlar Şehitler İle
Kırk Yıl Dağda Gezdim Geyikler İle
Dost Senin Derdinden Ben Yana Yana
Abdal Pir Sultan'ım, Doldum Eksildim
Yemeden İçmeden Sudan Kesildim
Halkımı Sevdiğim Için Asıldım
Dost Senin Derdinden Ben Yana Yana
Mögliche Übersetzung:
Schweig Nachtigall, im Garten herrscht Trauer
Da du, mein Freund, dort bist und ich fern von dir
Mein Docht ist verbrannt, mein Wachs ist zerschmolzen
Freund, dein Leid entflammt in mir.
Ich bin der Fluss, der sich ins Meer ergießt.
Ich bin die Rose, die vorzeitig erblühte und verwelkte.
Ich bin die kalte Asche, das Feuer ist lang erloschen.
Freund, dein Leid entflammt in mir.
Was sie mir angetan haben, du wirst es erfahren,
Mit Märtyrern sollen sie meine Wunden schließen
Leidvolle vierzig Jahre der Einsamkeit
Bei Hirschen in der Einöde der Berge
Freund, dein Leid entflammt in mir.
Einmal bin ich ganz Pir Sultan Abdal
Ein andernmal nur noch ein Schatten
Abgeschnitten vom Wasser, ohne zu trinken und zu essen
Erhängt wurde ich, da ich mein Volk sehr liebte
Freund, dein Leid entflammt in mir.
Weitere mögliche Übersetzung:
Singe nicht Nachtigall, singe nicht,
Heiter ist nicht mehr mein Garten
Freund, deine Sorgen rauben mir die Sinne,
und nimmt mir mein Lebenshauch
Freund, dein Leid brennt in mir
Ich bin wie ein, von der Welt abhanden gekommener Sturm
bin wie eine zu früh verwelkte Rose
verbrannt mein Innerstes zur Asche
Freund, dein Leid brennt in mir
Wirst meine Nachricht hören mit den Hirschen
Sollen sie meine Wunden heilen mit Märtyrern
Allein mit den Hirschen in den Bergen fand ich mich nach vierzig Jahren
Freund, dein Leid brennt in mir
Abdal Pir Sultan, ich, mal voll Kummer
Mal nur Leere
Ohne Hunger ohne Durst
Gehe ich in den Tod für die Liebe zu meinem Volk
Freund, dein Leid brennt in mir
Literatur
- Gisela Kraft: Yunus Emre, Pir Sultan Abdal. Mit Bergen mit Steinen – Nachdichtung und Randtexte, Harran Verlag, Berlin 1981
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ Vgl. arabisch حيدر, DMG Ḥaidar ‚Löwe‘, Ehrenname des ʿAlī ibn Abī Tālib, nach dem die Aleviten (= „Anhänger ‘Alīs“) benannt sind.
- ↑ Informationen über das Gedicht auf der Seite des staatlichen türkischen Fernsehens (TRT)
Weblinks
- Literatur von und über Pir Sultan Abdal im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Pir Sultan Abdal
Personendaten | |
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NAME | Pir Sultan Abdal |
KURZBESCHREIBUNG | türkisch-alevitischer Dichter |
GEBURTSDATUM | um 1480 |
STERBEDATUM | 1550 |