Zum Inhalt springen

Indizierung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 6. Juli 2004 um 09:10 Uhr durch Nocturne (Diskussion | Beiträge) (Weblinks: erg). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Dieser Artikel behandelt das Indizierungsverfahren bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Zu weiteren Bedeutungen des Begriffs "Indizierung" siehe Indizierung (Begriffsklärung)


Mit dem Begriff Indizierung (= amtlicher Sprachgebrauch, daneben auch: Aufnahme in die Liste jugendgefährdender Schriften) ist in Deutschland die Einschränkung von Abgabe und Verbreitung bestimmter als jugendgefährdend eingestufter Medien gemeint.

Die in Artikel 5 des deutschen Grundgesetzes geschützte Freiheit der Meinungsäußerung und der Kunst sind nicht schrankenlos gewährleistet. Neben den allgemeinen Gesetzen und einigen Tatbeständen des Strafgesetzbuches bilden eine Schranke auch die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend (Artikel 5 Absatz 2 GG). Die verwaltungsrechtliche Indizierung von Literatur und anderen Medien wird durch eine europaweit einzigartige Institution, der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM; früher "Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften", BPjS) durchgeführt.

Das Indizierungsverfahren

Im Indizierungsverfahren prüft die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien auf Antrag eines Jugendamts oder auf Anregung eines anerkannten Trägers der freien Jugendhilfe, ob eine Schrift, ein Film, ein Computerspiel oder sonstiges Medium die in § 18 oder § 15 JSchG bezeichneten jugendgefährdenden Inhalte hat. Anträge führen stets zu Prüfungsverfahren durch die BPjM, bei Anregungen liegt es im Ermessen der Prüfstelle, ob sie tätig wird. Es dürfen nur vom Gesetz ermächtigte Stellen Anträge stellen (in der Praxis sind dies hauptsächlich Jugendämter).

Nach § 18 Absatz 1 JSchG sind jugendgefährdend Medien, "die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden." Beispielhaft hierzu nennt das Gesetz solche, die "unsittlich sind, verrohend wirken, oder zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizen".

Besonders bei Filmen und Computerspielen ist die Basis für die Indizierung meist ein hoher Grad an direkter (visueller) Gewalt. Die Vermeidung der Indizierung führt insbesondere bei Computerspielen zu "zensierten" lokalisierten Versionen für den deutschen Markt und "unzensierten" Versionen für den internationalen Markt. Die Hersteller bzw. Lizenznehmer unterstützen so aus freien Stücken den Jugendschutz in Deutschland und haben daher eigene Instanzen errichtet, denen Medien vorgelegt werden (Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft FSK, Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle USK). Als gewaltverherrlichend geltende Sequenzen und Elemente werden kritisch beleuchtet und gegebenenfalls entfert. In Computerspielen werden manchmal Menschliche Charaktere gegen "Roboter" ausgetauscht.

Nach § 15 Absatz 2 JSchG unterliegen bestimmte Medieninhalte wegen ihrer offensichtlichen Jugendgefährdung schon kraft Gesetzes einer beschränkten Verbreitung, ohne das es einer Aufnahme in die Liste der jugendgefährdenden Schriften bedürfte. Dazu zählen z.B.

  • die nach Strafgesetzbuch verbotenen Inhalte wie Volksverhetzung, Anleitung zu Straftaten, Gewaltverherrlichung und -verharmlosung, Aufstachelung zum Rassenhass, Pornographie,
  • Medien, die den Krieg verherrlichen oder
  • Kinder oder Jugendliche in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen.

Da indessen einem Medium nicht immer gleich angesehen werden kann, dass es einen nach § 15 Absatz 2 JSchG beschriebenen Inhalt hat, kann die Bundesprüfstelle zur Klarstellung auch solche Medien indizieren. Demzufolge hat die Bundesprüfstelle auch holocaustleugnende Medien, die eigentlich den Straftatbestand der Volksverhetzung oder den der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener erfüllen, zu denen die Staatsanwaltschaften aber keinen Täter zur Verantwortung ziehen konnten, in die Liste der jugendgefährdenden Schriften eingetragen.


Verfahrensbeteiligte wie Urheber, Hersteller oder Inhaber von Nutzungsrechten an dem Medium werden von dem Indizierungsantrag bzw. der Anregung zur Indizierung in Kenntnis gesetzt. Ihnen wird rechtliches Gehör gewährt. Hat ein Objekt eine Alterskennzeichnung durch die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft oder die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle erhalten, stellt dies ein Verfahrenshindernis dar, die Bundesprüfstelle darf dann kein Indizierungsverfahren durchführen. Die eigentliche Prüfung von Indizierungsanträgen daraufhin, ob eine Jugendgefährdung vorliegt, erfolgt in den Entscheidungsgremien der Bundesprüfstelle.


Die Entscheidungsgremien

Die Entscheidung, ob ein Medium jugendgefährdend ist, wird durch das 12er-Gremium oder das 3er-Gremium gefällt. In diesen Gremien sind sowohl Beisitzer aus Einrichtungen des Jugenschutzes wie auch aus dem Kreis der Kunst bzw. dem Bereich der Wirtschaft beteiligt. Die Beisitzer sind ehrenamtlich tätig. Die Gremien sind in in ihrer Entscheidung frei und an Weisungen nicht gebunden.

Das 12er-Gremium setzt sich zusammen aus

  • Der Vorsitzenden (oder der stellvertretenden Vorsitzenden) und Beisitzern aus den Gruppen
  • Kunst
  • Literatur
  • Buchhandel und Verlegerschaft
  • Anbieter von Bildträgern und Telemedien
  • Träger der freien Jugendhilfe
  • Träger der öffentlichen Jugendhilfe
  • Lehrerschaft
  • Kirchen
  • sowie in jeder Sitzung jeweils 3 Vertreter aus den für den Jugendschutz zuständigen Landesministerien, die im Turnus wechseln.

Die Verhandlung, an der Verfahrensbeteiligte oder Personen, die sie mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt haben, teilnehmen können, ist mündlich. Sie ist nicht öffentlich, die Vorsitzende kann aber anderen Personen die Anwesenheit gestatten.

Die Indizierung bedarf einer Mehrheit von 2/3 der Stimmen. Wird diese Mehrheit nicht erreicht, ist der Indizierungsantrag abgelehnt. In Fällen, in welchen die Bundesprüfstelle nur in der nach Gesetz gestatteten äußersten Minimalbesetzung (9 Personen) tagt, muss eine qualifizierte Mehrheit von 7 Personen sich für die Indizierung aussprechen, sonst kommmt sie nicht zustande.

Das 3er-Gremium ist nur zuständig in Fällen, in denen die Jugendgefährdung offensichtlich ist. Mindestens ein Beisitzer in diesem Gremium muss aus entweder dem Bereich "Kunst" oder "Literatur" oder "Buchhandel und Verlegerschaft" oder "Anbieter von Bildträgern und Telemedien" angehören. Die Entscheidung für eine Indizierung muss einstimmig erfolgen, sonst ist der Indizierungsantrag abgelehnt.

Gegen die Indizierungsentscheidung kann der Verfahrensbeteiligte Klage im Verwaltungsgerichtsweg erheben.

Die Liste

Die Liste der jugendgefährdenden Schriften (umgangssprachlich: Index) wird nur bei sogenannten Trägermedien (also solchen, deren Inhalt nicht virtuell sondern gegenständlich gespeichert ist) veröffentlicht. Bei sogenannten Telemedien unterbleibt eine Veröffentlichung, um einen Werbeeffekt zu vermeiden. Die Veröffentlichung ist auch dritten Personen verboten.

Eine Indizierung hat nach dem JSchG für 25 Jahre Bestand, danach muss das Medium aus der Liste der jugendgefährdenden Schriften gestrichen werden, es sei denn, dass die Bundesprüfstelle zu der Auffassung gelangt, die Jugendgefährdung liege weiterhin vor. Sie muss dann ein neues Verfahren durchführen.

Verfahrensbeteiligte können, wenn sich die Sach- oder Rechtslage geändert hat, nach § 51 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens mit dem Ziel der Listenstreichung stellen.

Rechtsfolgen

Indizierte Medien dürfen Kindern und Jugendlichen weder verkauft, noch überlassen oder sonstwie zugänglich gemacht werden. Sie dürfen nicht mehr beworben werden und nicht im Versandhandel vertrieben werden. Indizierte Videofilme und Computerspiele dürfen nur noch in Geschäften angeboten werden, die Kindern und Jugendlichen nicht zugänglich sind, indizierte Bücher dürfen in der Buchhandlung nur unter der Ladentheke angeboten werden. Strittig ist, ob eine kritische Rezension von jugendgefährdenden Medien möglich ist. Denn die für die Rechtsfolgen zuständigen Staatsanwaltschaften haben sich in ihrer Einschätzung zur Zulässigkeit einer kritischen Rezension von indizierten Medien nicht einhellig festgelegt.

Indizierungen bestehen für 25 Jahre (so schreibt es das neue Jugendschutzgesetz vor), dann werden sie aus der Liste gestrichen oder müssen einem neuen Verfahren unterworfen werden. Bei Änderung der Sach- und Rechtslage kann ein Verfahrensbeteiligter auch vor der Frist einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stellen.

Indizierungen bestehen für 25 Jahre (so schreibt es das neue Jugendschutzgesetz vor), dann werden sie aus der Liste gestrichen oder müssen einem neuen Verfahren unterworfen werden. Bei Änderung der Sach- und Rechtslage kann ein Verfahrensbeteiligter auch vor der Frist einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stellen.

Kritik

Das Werbeverbot für indizierte Medien

Kritiker werfen der BPjM oft vor, ihr Vorgehen sei nichts anderes als Zensur, paternalistische Bevormundung und Einschränkung der Rede- und Pressefreiheit. Auch wenn die Indizierung nur den Zugang durch Jugendliche regelt, werde in der Praxis auch der Zugang durch Erwachsene erschwert, da indizierte Werke nicht beworben werden dürfen und im Versandhandel nur unter strengen Auflagen verkauft werden dürfen; dadurch werde der Verkauf oft unwirtschaftlich und die Medien verschwänden somit vom Markt. Selbst ihre Besprechung oder bloße Erwähnung in anderen Medien sei rechtlich problematisch; und auch in rechtlich eigentlich einwandfreien Situationen setze oft bei Journalisten (die ja keine Juristen sind) die "Schere im Kopf" ein, und man verzichte auf die Erwähnung um keinen Ärger zu bekommen. Eine derartige Institution bestehe auch in keiner anderen westlichen Demokratie, ohne dass dort die Jugend erkennbar schlimmer oder verdorbener sei als in Deutschland. Betrachte man ältere Einträge auf der Liste indizierter Medien, erschienen die Begründungen für die ursprüngliche Indizierung aus heutiger Sicht als wenig nachvollziehbare "Moralpanik-Reaktionen" (vgl. River Raid).

Das Werbeverbot für indizierte Medien ist allerdings nicht das beabsichtigte Ziel der Indizierungsverfahren, sondern ihre rechtliche Konsequenz. Nach eigenem Bekunden will die Bundesprüfstelle durch die Indizierung jugendgefährdender Medien das Bewusstsein dafür schärfen, dass es Inhalte gibt, die nicht nur ungeeignet, sondern darüber hinaus schädlich für Kinder und Jugendliche sein können. Was in Konsequenz eigentlich den gesellschaftlichen Diskurs insbesondere über Gewaltdarstellungen in den Medien entfachen solle.

Dieser Diskurs findet in der Praxis aber nur selten statt. Ein Grund hierfür ist die Unsicherheit darüber, was öffentlich über die Indizierungsverfahren berichtet werden darf. Diese Unsicherheit ist darauf zurückzuführen, dass sich die für die Durchsetzung der strafbewehrten Beschränkungen zuständigen Staatsanwaltschaften bislang nicht einhellig dazu geäußert haben, ob eine kritische Rezension eines indizierten Mediums zulässig ist oder aus ihrer Sicht gegen das Werbeverbot verstößt. Hier wäre eine Klarstellung von Seiten der Strafverfolgungsbehörden hilfreich.

Was die Spruchpraxis der Bundesprüfstelle anbetrifft, so hat sie sich über die Jahrzehnte hinweg geändert und sich den gesellschaftlichen Anschauungen angepasst. Die Indizierungen in den 50er und 60er Jahren, aber auch die aus den Anfängen des Computerspielezeitalters sind unter dem Blickwinkel der damaligen Zeit zu beurteilen und auf die Gegenwart nicht übertragbar.

Die Bundesprüfstelle im Spiegel der Berichterstattung

Dass das Indizierungsverfahren ein sehr rechtsförmiges, dem Gerichtsprozess angepasstes Verfahren ist, spiegelt sich in den Medien häufig überhaupt nicht. Als seien Artikel 5 Absatz 1 GG (in welchem auch die Pressefreiheit geschützt ist) und Artikel 5 Absatz 2 GG mit seinen Einschränkungen der Freiheitsrechte auf gegenläufige Positionen festgelegt, bevorzugten und bevorzugen viele Journalisten den Schulterschluss mit denen, die die Medienfreiheit des Artikel 5 Absatz 1 GG für sich ebenfalls in Anspruch nehmen. Wie das umgesetzt wird, belegen u.a. auch einige der unten zitierten Weblinks: Die Berichterstattung erfolgt im Stil des Feuilletons, dem man am ehesten eine von Emotionalität getragene Darstellungsweise und eine überzogene Wortwahl nachsieht.

Einzelne Fälle

Josefine Mutzenbacher

Zu dem Buch "Josefine Mutzenbacher. Die Geschichte einer Wienerischen Dirne, von ihr selbst erzählt" siehe: Josefine Mutzenbacher.

Wahrheit für Deutschland

Zu dem Buch "Wahrheit für Deutschland - Die Schuldfrage des Zweiten Weltkriegs" siehe den Artikel zu dem Autor Udo Walendy.

Bullenklöten

Der Comic-Band "Dicke Dödel, Bullenklöten" von Ralf König, gegen den 1994 ein Indizierungsantrag gestellt worden war, wurde von der Bundesprüfstelle nicht indiziert, da nach Auffassung des Gremiums die Freiheit der Kunst des Artikel 5 Grundgesetz in diesem Fall höher zu bewerten war, als die vom Antragsteller vermutete Jugendgefährdung.

Das kleine Arschloch

Auch im Fall des Indizierungsantrags zu dem Comic-Band "Schöner Leben mit dem kleinen Arschloch" von Walter Moers wurde - trotz eines Abschnitts, der gegen Behinderte polemisierte, der Kunstcharakter insgesamt höher bewertet als die Jugendgefährdung.

Die Indizierung sogenannter "FKK-Magazine"

In den 90er Jahren häuften sich Beschwerden bei Jugendschutzeinrichtungen über Magazine, deren einziger Bestandteil Nacktbildaufnahmen von Kindern waren, bei denen die Präsentation der vorpubertären Geschlechtsteile in exponierter Form im Vordergrund stand. Die Zeitschriften ("Sonnenfreunde" und "Jung und frei") wurden von den herausgebenden Verlagen als "FKK-Magazine" tituliert. Diese Magazine standen aber in keinerlei Bezug zu der FKK-Bewegung, die ihre eigenen Publikationsorgane hat.

1996 hat die Bundesprüfstelle wegen der Fokussierung der Abbildungen auf die Geschlechtsteile der darin präsentierten nackten Kinder Indizierungen ausgesprochen und dies damit begründet, dass eine Gefahr bestehe, dass die Aufnahmen bei Jugendlichen "pädophile Neigungen" hervorrufen oder verstärken.

Die Indizierung einer einzelnen Ausgabe der Modezeitschrift "Vogue" aus dem gleichen Grund wurde indessen vom 12er-Gremium der Bundesprüfstelle wieder aufgehoben, da die im Mittelteil des Heftes eingefügten Fotografien künstlerisch gestaltet waren.

Im Fall einer Online-Dia-Show mit Nacktaufnahmen hat das Verwaltungsgericht Köln die Indizierungsentscheidung der Bundesprüfstelle aufgehoben. (siehe dazu: [1]).

Kritiker bezweifeln den vermuteten Wirkungszusammenhang von exponiert dargestellten Nacktaufnahmen und Jugendgefährdung. Bestehe dieser aber tatsächlich, so beschränke er sich vermutlich nicht auf Jugendliche. Der Weg über den Jugendschutz und das Mittel der Indizierung seien daher von vornherein zweifelhaft. Seit April 2003 unterliegen Medien, die Kinder oder Jugendliche in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen, kraft Gesetzes den Vertriebsbeschränkungen des Jugendschutzgesetzes.

Counter-Strike

Als die Bundesprüfstelle im Frühjahr 2002 den Taktik-Shooter Counter-Strike nicht indizierte, erhielt sie aus der Szene der Computer-Spieler zwar große positive Resonanz. Kritik löste diese Entscheidung allerdings bei Bundeskanzler Gerhard Schröder sowie der damaligen Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Christine Bergmann aus.