Thomas Klestil
Dr. Thomas Klestil (* 4. November 1932 in Wien; geboren als Sohn eines Straßenbahnbediensteten) ist ein österreichischer Diplomat, der von 1992 bis 2004 das Amt des österreichischen Bundespräsidenten bekleidete.
Ausbildung
Klestil wurde als jüngstes von fünf Kindern geboren.
Klestil besuchte das Don-Bosco-Gymnasium in Oberwaltersdorf in der Nähe von Wien und studierte anschließend an der Hochschule für Welthandel Handelswissenschaften. Im Jahre 1957 schloss er sein Studium mit dem Doktor der Handelswissenschaften ab und heiratete im selben Jahr seine erste Frau Edith-Maria Wielander.
Karriere
Seine Diplomatenlaufbahn begann er 1957 als ÖVP-Mitglied im Bundeskanzleramt. Von 1959 bis 1962 war er Mitglied der österreichischen Delegation bei der OECD in Paris. 1962 wurde er nach Washington versetzt, wo er bis 1966 die Wirtschaftsverbindungsstelle an der österreichischen Botschaft leitete. 1966 wurde er bei Bundeskanzler Josef Klaus Sekretär. Von 1969 bis 1974 baute er in Los Angeles als Generalkonsul das Generalkonsulat auf.
Er hatte unter Bundeskanzler Bruno Kreisky die Aufgabe, UNO-Organisationen zu bewegen, sich in der damals neuen Wiener UNO-City anzusiedeln, bis er anschließend Botschafter bei der UNO in New York und danach in Washington wurde, wo er höchst erfolgreich ein weit reichendes Netz von Kontakten auch zur Regierung von Ronald Reagan aufbaute. 1988 kam er wieder zurück ins Außenministerium unter Alois Mock.
Bundespräsidentschaft
1992 wurde er auf Vorschlag Mocks und der ÖVP als Nachfolger Kurt Waldheims in der Volkswahl im zweiten Wahlgang zum Bundespräsidenten gewählt. Der Hauptgrund für die Wahl des zuvor in der weiteren Öffentlichkeit praktisch unbekannten Diplomaten war unter anderem die Aussicht, die außenpolitischen Isolation des Landes unter Kurt Waldheim erfolgreich zu beenden. Sein Slogan "Macht braucht Kontrolle" deutete zudem an, dass Klestil, anders als seine Vorgänger, viel aktiver ins politische Tagesgeschäft einzugreifen gedachte.
Diese Ankündigung versuchte er gleich am Anfang seiner Amtszeit mit einer Öffentlichkeitsoffensive, unter anderem der Einführung von "Offenen Tagen" in seinem Amtssitz, der Wiener Hofburg, sowie vor allem 1994 wahr zu machen, als er beim Beitritt Österreichs in die Europäische Union den Beitrittsvertrag unterzeichnen und in Hinkunft an den Beratungen der EU-Regierungschefs teilnehmen wollte; all dies wurde jedoch von der Regierung abgelehnt.
1994 nahm sein Image besonders in den konservativen Teilen seiner Wählerschaft nachhaltigen Schaden, als Klestil, der im Wahlkampf noch die traditionellen Werte der intakten Familie hochgehalten hatte, selbst mit seinem Eheproblem an die Boulevardmedien ging und es ruchbar wurde, dass er schon längere Zeit ein Verhältnis mit seiner Wahlkampfleiterin Margot Löffler hatte.
1998 wurde er als parteiloser Kandidat wiedergewählt; die SPÖ hatte auf die Aufstellung eines eigenen Kandidaten verzichtet und die ÖVP verbarg ihr Unbehagen gegenüber Klestil hinter einem überparteilichen Personenkomitee. Nach der Wahl heiratete der mittlerweile geschiedene Klestil seine Wahlhelferin Margit Löffler.
Nach der Nationalratswahl 1999, bei der Jörg Haiders FPÖ hinter der SPÖ auf den zweiten Platz gekommen war, drängte Klestil nachdrücklich auf eine Fortsetzung der Großen Koalition aus SPÖ und ÖVP. Dennoch schloss Wolfgang Schüssel ohne Auftrag des Bundespräsidenten - ein absolutes Novum in der österreichischen Geschichte - mit der FPÖ eine Regierungskoalition.
Somit stand Klestil vor der Situation, dass eine von ihm nicht gewünschte Regierung bereit stand und auch über eine parlamentarische Mehrheit verfügte. Infolge dessen hätte seine (verfassungsgemäß allerdings mögliche) Weigerung, die Regierung zu ernennen, oder sein Rücktritt eine Staatskrise heraufbeschworen.
So beugte sich Klestil den Realitäten und vereidigte die neue Regierung mit Wolfgang Schüssel als Bundeskanzler am 4. Februar 2000.
Zuvor hatte er allerdings Jörg Haider eine Präambel zur Festschreibung demokratischer Werte unterzeichnen lassen und überdies zwei FPÖ-Kandidaten für Ministerämter (Hilmar Kabas und Thomas Prinzhorn) abgelehnt. Dies sowie vor allem Klestils demonstrativ eisige Miene bei der Vereidigungszeremonie erregte großes Aufsehen und führte zum endgültigen persönlichen Bruch mit Wolfgang Schüssel.
In der Folge und wegen seiner gesundheitlichen Probleme (siehe letzten Abschnitt) trat Klestil in der österreichischen Öffentlichkeit immer weiter in den Hintergrund. Wohl gelitten war er am Ende paradoxerweise fast nur noch bei der politischen Linken, die seine Wahl seinerzeit bekämpft hatte, während sich bei der Rechten das hartnäckige (aber niemals bewiesene) Gerücht hielt, Klestil habe die von der EU nach der ÖVP-FPÖ-Koalition verhängten Sanktionen gegen Österreich nicht nur nicht verhindert, sondern sogar veranlasst bzw. aktiv gefördert.
Umso erfolgreicher gestalteten sich seine außenpolitischen Aktivitäten, die der heimischen Wirtschaft Aufträge in Milliardenhöhe einbrachten, sowie insbesondere die bereits institutionalisierten Treffen mit den Staatschefs der angrenzenden Länder des ehemaligen Ostblocks. In dieser Anbahnung von Kontakten mit Ostmitteleuropa war Klestil der zögerlichen Regierung und noch mehr der österreichischen Öffentlichkeit weit voraus.
Klestil ist nach Rudolf Kirchschläger der zweite Präsident der zweiten Republik, der dieses Amt volle zwei Perioden ausübt. Die Amtszeit von Thomas Klestil als Bundespräsident endet am 8. Juli 2004. Sein Amtsnachfolger ist Heinz Fischer (SPÖ).
Erkrankung
Seit 1996 gab der Gesundheitszustand von Klestil immer wieder Anlass zur Sorge. Während einer Staatsreise in der Türkei zog er sich eine seltene Lungenerkrankung zu. Bundeskanzler Vranitzky übernahm vorübergehen die Amtsgeschäfte. Klestil kehrte erst 1997 in die Hofburg zurück.
Ohne Komplikationen überstand er auch eine neuerliche Lungenentzündung im Juni 2003.
Drei Tage vor seinem Amtsende wurde er am 5. Juli 2004 mit akuten Lungenproblemen und nach einem Herz- und Atemstillstand mit dem ÖAMTC-Rettungshubschrauber Christophorus 9 in das Wiener Allgemeine Krankenhaus überführt und in ein künstliches Koma versetzt.