Zum Inhalt springen

Wilhelm Raabe

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 27. Juni 2004 um 18:22 Uhr durch Yorg (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Wilhelm Raabe (Pseudonym: Jakob Carvinus), (* 8. September 1831 in Eschershausen; † 15. November 1910 in Braunschweig), Erzähler des deutschen Realismus, gesellschaftskritische Erzählungen, Novellen und Romane.

Leben

Datei:Wilhelm zum 1.JPG
Wilhelm Raabe

Wilhelm Raabe wurde am 8. September 1831 als Sohn eines Justizbeamten in der kleinstädtischen Idylle des Escherhausen im Weserbergland geboren. Nach einer Buchhandelslehre versuchte er vergeblich das Abitur nachzuholen. Er gehört zu den wichtigsten Autoren des poetischen Realismus in Deutschland. In den fast fünfzig Jahren zwischen dem 15. November 1854, als sein erster Roman Die Chronik der Sperlingsgasse erschien und dem abgebrochenen Roman Alershausen im Jahre 1902 schrieb Raabe nicht weniger als 86 Romane, Erzählungen und Novellen. Da Raabe ausschließlich von seinen Einkünften als Schriftsteller lebte, war er zu dieser hohen Produktivität gezwungen. Das Spektrum seines Werks rangiert von großen, realistischen Romanen und meisterhaften Novellen bis hin zu alltäglicher Unterhaltungsliteratur. Außer dem erstgeschriebenen Buch Sperlingsgasse wurden Raabes Bücher von den Lesern übersehen. Erst in den 90er Jahren wurde einigen Titeln mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Während dieses Aufschwungs wurde er auch einige Male öffentlich geehrt, obwohl er selbst sich bereits als gestorbener Schriftsteller betrachtete. In seinen letzten acht Lebensjahren legte Raabe seine Feder nieder und unternahm einige Reisen.

Zu seinen Werken

Raabe beobachtete besonders stark die irreparablen Risse zwischen Altem und Neuem, zwischen Geborgenheit und technischer Industrialisierung, welche auf Kosten der Natur und der Seele vordrang und er als sehr schmerzlich empfand. Mit seinem unbestechlichen Blick für das wirkliche Leben sieht er auch die dunklen Seiten des Daseins. Mit dieser Gabe nimmt er die Haltung eines Realisten und als solcher auch die des Pessimisten ein. Trotzdem existierte in seinem Geiste eine Welt, die über der schrecklichen Realität stand. Zwar wusste er, dass dies nur eine schöne Illusion war, doch dieser helle Stern im dunklen des Himmel des Lebens, gab im die Kraft und Energie sich in den Fluten des Schlechten über Wasser zuhalten. Die Helle und die Leuchte des geistlichen Stern empfing Raabe als ein Stahl von Glück. In diesem Grundzug spiegelt sich auch Raabes Humor. In keinem seiner Bücher kann der Leser ab einer bestimmten Szene laut lachen. Stattdessen überwindet er den Pessimismus mit einem stillen und schmerzlichen Lächeln eines Weisen. Um von dem dunklen der Zeit abstand zu finden, kommt in Raabes Gesamtwerk ein guter Teil der Geschichte der deutschen Vergangenheit vor. Dabei gelingt es ihm durch die Einführung von realen Menschen und deren Schicksale seine Werke gegenwärtig zu machen. Auch die Schauplätze widerlegen seine pessimistische Haltung gegenüber der damaligen Zeit. Er wählte diese nämlich abgelegen vom Streit und der Not der Welt.

Viele Betrachtungen und Abschweifungen erschweren uns heutzutage das Lesen von Raabes Werken. Es scheint uns als hätten seine Texte keinen Aufbau und als würden wichtige Zusammenhänge fehlen. Doch gerade diese arbeitete er mir grösster Sorgfalt und Feinheit heraus. Die Wertungen von Raabes Dichtungen haben sich in der letzten Zeit etwas verschoben, wobei der Grund für die späte Aufmerksamkeit einiger seiner Werke auch bei ihm selbst zu finden ist. Er selbst urteilte nämlich sehr hart über einige seiner früheren Werke, die er zum Teil als Jugendquark bezeichnete. Während früher die so genannte „Trilogie“ als Hauptwerk galt, wird heute anderen Erzählungen und Romanen den Vorzug gegeben. (u. a. „Horacker“, „Odfeld“, „Hastenbeck“, „Die Akten des Vogelsangs“) Neben diesen Romanen schrieb Raabe auf eine Menge an Erzählungen, die meist auf einem geschichtlichen Hintergrund basieren. Jede dieser Arbeiten zeigt die unglücklichen Menschen mitten in der Widerwärtigkeit des Lebens. Trotzdem findet jedoch der helle Stern am dunklen Himmel jedes Mal wider einen Platz in seinen Erzählungen. Ausserdem war Raabe kein Mensch der Idylle, sondern vielmehr ein erbitterter Kritiker seiner Zeit.

Wilhelm Raabes eigene kleine Biographieskizze

Datei:Wilhelm zum 2.JPG
Wilhelm Raabe

1906 schrieb Wilhelm Raabe eine kleine biographische Skizze, lehnte aber die Bitte nach einer Selbstbiographie ab:

"Ich bin am 8. September 1831 zu Eschershausen im Herzogtum Braunschweig geboren worden. Mein Vater war der damalige "Aktuar" am dortigen Amtsgericht, Gustav Karl Maximilian Raabe, und meine Mutter Auguste Johanne Frederike Jeep, die Tochter des weiland Stadtkämmerers Jeep zu Holzminden. Meine Mutter ist es gewesen, die mir das Lesen aus dem Robinson Crusoe unseres alten Landsmanns aus Deensen, Joachim Heinrich Campe beigebracht hat. Was ich nachher auf Volks- und Bürgerschulen, Gymnasien und auf der Universität an Wissenschafte zu erworben habe, heftet sich alles an den lieben feinen Finger, der mir ums Jahr 1836 herum den Punkt über dem i wies. Im Jahr 1845 starb mein Vater als Justizamtmann zu Stadtoldendorf und zog seine Witwe mit ihren drei Kindern nach Wolfenbüttel, wo ich das Gymnasium bis 1849 besuchte. Wie mich danach unseres Herrgotts Kanzlei, die brave Stadt Magdeburg, davor bewahrte, ein mittelmäßiger Jurist, Schulmeister, Arzt oder gar Pastor zu werden, halte ich für eine Fügung, für welche ich nicht dankbar genug sein kann.

Ostern 1854 ging ich nach einem Jahr ernstlicher Vorbereitung nach Berlin, um mir auch "auf Universitäten" noch etwas mehr Ordnung in der Welt Dinge und Angelegenheiten, soweit sie ein so junger Mensch übersehen kann, zu bringen. Im November desselben Jahren begann ich dort in der Spreegasse die "Chronik der Sperlingsgasse" zu schreiben und vollendete sie im folgenden Frühling. Ende September 1856 erblickte das Buch durch den Druck das Tageslicht und hilft mir heute noch neben dem "Hungerpastor" im Erdenhaushalt am meisten mit zum Leben. Denn für die Schriften meiner ersten Schaffensperiode, die bis zu letzterwähnten Buche reicht, habe ich `Leser` gefunden, für den Rest nur `Liebhaber`, aber mit denen, wie ich meine, freilich das allervornehmste Publikum, was das deutsche Volk gegenwärtig aufzuweisen hat."

Einige seiner Werke

1856, "Die Chronik der Sperlingsgasse" (Berlin-Roman)
1857, "Ein Frühling"
1859, "Die Kinder von Finkenrode"
1861, "Die schwarze Galeere", "Der heilige Born", "Nach dem grossen Kriege"
1862, "Unser Hergotts Kanzlei", "Verworrenes Leben"
1863, "Die Leute aus dem Walde"
1864, "Der Hungerpastor", Roman
1865, "Drei Federn"
1867, "Abu Telfan"
1869, "Der Regenbogen" (7 Erzählungen)
1870, "Der Schüderump"
1872, "Der Däumling"
1873, "Deutscher Mondschein" (4 Erzählungen), "Christoph Pechlin"
1874, "Meister Autor"
1879, "Alte Nester", "Wunnigel"
1880, "Deutscher Adel"
1881, "Das Horn von Wanza"
1882, "Fabian und Sebastian"
1883, "Prinzessin Fisch"
1884, "Villa Schönow", "Pfisters Mühle"
1885, "Unruhige Gäste
1887, "Im alten Eisen"
1888, "Das Odfeld"
1889, "Der Lar"
1891, "Stopfkuchen", Erzählung
1894, "Kloster Lugau"
1896, "Die Akten des Vogelsangs"
1899, "Hastenbeck"
1902, "Altershausen" (1911 veröffentlicht)