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Eisenbahnunfall von Ryongchŏn

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Das Zugunglück von Ryongchŏn war ein schweres Zugunglück am 22. April 2004 in der Stadt Ryongchŏn (Nordkorea) 20 km von der nordkoreanisch-chinesischen Grenze entfernt und nördlich der Hauptstadt Pjöngjang. Laut der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua wurden mindestens 161 Menschen getötet und etwa 1.300 verletzt. Der Bahnhof wurde bei dem Unglück komplett zerstört. Ryongchŏn liegt an der Eisenbahnlinie, die die Hauptstadt mit China verbindet.

Die Zugstrecke, die durch Ryongchŏn führt, wurde in Korea unter japanischer Herrschaft (19101945) gebaut und stellt eine der wichtigsten Verbindungen Nordkoreas zur Außenwelt dar. Laut einem Korrespondentenbericht im Deutschlandfunk ist es die am meisten befahrene Bahnlinie Nordkoreas. Nordkorea ist wirtschaftlich abhängig von den auf dieser Strecke verkehrenden Frachtzügen. Vor dem Unglück liefen 26 Prozent des nordkoreanischen Zugverkehrs über den Bahnhof von Ryongchŏn. Vor allem für den Transport von Getreide, Kohle, Baumaterialien und Fisch ist er wichtig.

Die späte und sporadische Berichterstattung nordkoreanischer Behörden, sowie die zurückgebliebene und marode Infrastruktur des Landes erschwerten die medizinische Hilfe für die Verwundeten. Viele Krankenhäuser haben in weiten Teilen des Landes nur stundenweise Elektrizität und es mangelt an funktionierenden Krankenwagen. Ausländische Hilfe wurden erst verspätet angenommen. Hilfslieferungen aus Südkorea mussten auf Anweisung Nordkoreas den Umweg übers Meer in Kauf nehmen, um eine Durchfahrt südkoreanischer Züge durch ganz Nordkorea zu vermeiden. Ausländische Hilfsorganisationen berichteten, dass nordkoreanischen Behörden die Bergung von Toten und Verletzten bereits vor Eintreffen ausländischer Helfer abgeschlossen gehabt hätten. Die eigene Bevölkerung wurde durch die Behörden erst Tage später und nur sporadisch über das Unglück aufgeklärt.

Das Ausmaß der Schäden lässt sich aus dem Vergleich zweier Satellitenbilder erahnen, welches Ryongchŏn vor und nach der Explosion zeigen. Eine Woche nach der Katastrophe bezifferte Nordkorea die Schäden auf 300 bis 400 Millionen Euro. 40 Prozent der Gebäude der 25.000 Einwohner-Stadt wurden zerstört.

Chronologie des Unglücks

Am 22. April 2004 stießen auf dem Bahnhof der Stadt Ryongchŏn gegen 13:00 Uhr (Ortszeit) laut ersten Meldungen zwei Züge zusammen. Die Züge sollen Öl und Flüssiggas geladen haben. Daraufhin kam es zu einer schweren Explosion, die einen auf dem Nebengleis stehenden Passagierzug mit chinesischen Reisenden völlig zerstörte und bei der es zu einer noch unbekannten Zahl von Toten und Verletzten kam. Auch benachbarte Wohnblöcke sollen durch die Wucht der Explosion eingestürzt sein.

Nordkorea verhängte nach südkoreanischen Angaben den Notstand. Die internationalen Telefonverbindungen in dem betroffenen Gebiet des Landes seien unterbrochen worden.

Die BBC berichtet von Theorien, dass es sich bei dem Unglück um einen Anschlag auf den nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-il handele, der den Bahnhof von Ryongchŏn etwa neun Stunden vor dem Unglück passiert hatte. Er befand sich auf der Rückreise von einem Staatsbesuch in China. Diese Theorie wurde aber von südkoreanischer Seite bestritten. Bei einem der Züge soll es sich um ein Geschenk der Volksrepublik China handeln, so die BBC.

Nach Angaben eines RTL-Korrespondenten aus Peking sowie von n-tv werden viele Verletzte in chinesische Krankenhäuser gebracht, da man den Menschen in Nordkorea auf Grund knapper Ressourcen nicht helfen kann.

Die New York Times berichtete, dass auf Satellitenaufnahmen des Unglücksorts auch 18 Stunden später noch ein großes Feuer sichtbar sei; es ließe sich aber aus diesen Aufnahmen nicht erkennen, was die Ursache dieses Feuers sei.

Chinesische Meldungen besagten, dass die Katastrophe durch einen mit Ammoniumnitrat oder Dynamit beladenen Zug verursacht wurde. Nach diesen neuen Informationen seien zwei Chinesen unter den Toten des Unglücks. Zwölf wurden verletzt.

Die Regierung in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang bat das Rote Kreuz, Hilfe zu leisten, hieß es in Diplomatenkreisen. Die Hilfsgüter seien nur 20 bis 30 Kilometer entfernt. Die kommunistische Führung in Nordkorea räumte mit dem Hilfeersuchen erstmals indirekt die Katastrophe ein.

Das Rote Kreuz korrigierte die Anzahl der Opfer deutlich nach oben. Man sprach von mindestens 54 Toten und mehr als 1.200 Verletzten. 1.850 Häuser seien in dem Unglücksort Ryongchŏn völlig, 6.350 weitere teilweise zerstört. Die irische Hilfsorganisation Concern ließ durch eine Sprecherin verlauten, es habe mindestens 150 Tote gegeben. Unter den Opfern sind auch einige Schulkinder. Ferner seien über 8.000 Gebäude zerstört oder beschädigt worden. Der Bahnhof ist umgeben von vier- und fünfstöckigen Gebäuden.

Die nordkoreanische Regierung bestätigte inzwischen, dass das Unglück durch einen Kurzschluss in einem mit Dynamit beladenen Zug ausgelöst wurde. Sie geht von mehreren hundert Toten und mehreren tausend Verletzten aus.

Zwei Tage nach dem schweren Zugunglück bestätigt Nordkorea die Ereignisse offiziell, veröffentlicht erste Bilder und bittet die Welt in einem zuvor beispiellosen Aufruf um Hilfe. Durch spärliche Berichte der bereits eingetroffenen internationalen Helfer wird das Ausmaß der Katastrophe erkennbar.

Nach Angaben des Roten Kreuzes wurden Gebäude im Umkreis von nahezu 4 km entweder zerstört oder beschädigt, darunter allein 129 öffentliche Gebäude. Die Explosion soll nach letzten Meldungen der amtlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA durch einen elektrischen Kontakt beim Rangieren eines mit Ammoniumnitrat beladenen Waggons ausgelöst worden sein.

Das Rote Kreuz rechne nicht damit, dass die Zahl von 154 Toten noch viel weiter steige, meldet die BBC. Unter den 154 Todesopfern sollen 76 Schulkinder sein. China und Südkorea haben Nordkorea unterdessen je eine Million US-Dollar als Soforthilfe zur Verfügung gestellt.

Nordkorea hält seine Bitte um Hilfe aufrecht, besteht aber darauf, dass die Hilfslieferungen nicht auf dem Landwege über Südkorea stattfinden.

Nach nordkoreanischen Angaben ist beim Rangieren ein mit Öl beladener Waggon mit zwei mit dem Düngemittel Ammoniumnitrat beladenen Wagons zusammen gestoßen. Dabei stürzte ein Mast der Oberleitung um, und erzeugte den zündenden Kurzschluss-Lichtbogen.

Die Mischung von Ammoniumnitrat mit Öl stellt den Sprengstoff ANFO (engl. Ammonium-Nitrate Fuel Oil) dar, der auch bei der Oklahoma-Bombe (167 Tote) verwendet wurde.

Eine anderer Ablauf könnte gewesen sein, dass eine relativ kleinere Explosion größere Mengen von Öl als Aerosol in der Luft zerstäubt hat, welches dann mit dem Luft-Sauerstoff eine wesentlich stärkere zweite Explosion erzeugt hat.

Nach diesem Prinzip funktionieren die gefürchteten Aerosolbomben.

Spätere Untersuchungen können aber auch eine andere Ursache dieser Katastrophe ergeben, derzeit handelt es sich nur um Vermutungen.

Wiederaufbau

Käthi Zellweger von der Caritas konnte bei einem Besuch der Stadt zwei Monate nach dem Unglück "Wiederaufbauarbeiten in vollem Gang" vorfinden. Über 10.000 Arbeiter und Soldaten sollen gleichzeitig beim Wiederaufbau - vorrangig von Wohnsiedlungen - geholfen haben. Die Kosten wurden größtenteils von Südkorea getragen. Ein Krankenhausdirektor soll erzählt haben, "dass sie neben Schnittwunden und Augenproblemen vor allem mit psychologischen Beeinträchtigungen zu kämpfen" hätten.

Im Juli 2005 berichtete Mario Schmidt (ARD-Studio Tokio), dass nur noch wenig an die Katastrophe erinnere. Insbesondere durch ausländische Spenden konnten die 1000 obdachlos gewordenen Familien nach einem halben Jahr in andere Häuser ziehen. Der Leiter der Wiederaufbauarbeiten soll gesagt haben: "In einer Grundschule starben 54 Kinder, auch die Krankenhäuser waren weg. Die Patienten mussten in andere Städte gebracht werden."

Falsche Satellitenbilder in den Medien

In der BBC wurde nach dem Unglück ein angebliches Satellitenbild [1] des Unglücks gezeigt. Dieses Schwarzweißfoto zeigt eine schwarze Rauchwolke und einige helle Gebäude. Das Foto wurde von zahlreichen anderen Nachrichtenagenturen [2] [3] übernommen. Das Bild stammt nachweislich von einer Explosion in Bagdad vom 9. April 2003, aufgenommen vom Digitalglobe QuickBird Satelliten [4]. Das Bild stammt nach Auskunft der Yonhap News Agency vom British Government Communications Headquarters (GCHQ), welches es der BBC gab.

Auch wurde ein Satellitenbild von Ryongchŏn auf CBSnews.com gezeigt, auf dem angeblich eine Rauchwolke zu sehen sein soll. Der "Rauch" ist in Wirklichkeit die Stadt selbst, welche sich auf dem Schwarzweißfoto vom Hintergrund abhebt.

Diese massiven Fehler werfen erneut Fragen über die Manipulationsmöglichkeiten der Medien auf, da es insbesondere für Laien schwierig ist, Satellitenbilder richtig auszuwerten.

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