Atomkreuzer

Atomkreuzer ist ein Schiffstyp, der nuklear getriebene Kreuzer bezeichnet. Die ersten Schiffe dieser Gattung wurden in den 1960er Jahren in Dienst gestellt. In Amerika und Russland wurden seitdem 13 Atomkreuzer gebaut, von denen heute nur noch zwei russische Einheiten in Dienst stehen. Sämtliche dieser Kreuzer waren Lenkwaffenkreuzer, weshalb sie die Designation (in amerikanischer Nomenklatur) CGN für Cruiser Guided Missile nuclear powered erhielten.
Geschichte
Atomkreuzer der US Navy
Die United States Navy hat insgesamt neun Atomkreuzer in Dienst gestellt. Diese wurden allesamt in den 1990er Jahren deaktiviert.
Baugeschichte

Der erste Atomkreuzer, der weltweit in Dienst gestellt wurde, war die USS Long Beach (CGN-9), die ab 1961 aktiv war. Damit wurde sie parallel zum ersten nuklear getriebenen Flugzeugträger USS Enterprise (CVN-65) gebaut und fertiggestellt. Ein Jahr später folgte mit der USS Bainbridge (CGN-25) die zweite Einheit. Der dritte Atomkreuzer der US Navy war die USS Truxtun (CGN-35), der 1967 in Dienst gestellt. Diese drei Schiffe waren Prototypen, die aus den konventionell getriebenen Kreuzerklasse Leahy respektive Belknap entwickelt wurden.
Nach diesen drei einzelnen Einheiten folgte ab 1970 der Bau der ersten Klasse von Atomkreuzern. Die California-Klasse sollte drei Einheiten umfassen, die letzte Einheit wurde jedoch gestrichen, da die Kosten der Klasse zu hoch waren. Die beiden Einheiten wurde schließlich 1974 und 1975 in Dienst gestellt. Die nächste Klasse an Atomkreuzern war die Virginia-Klasse. Diese sollte die Massenentwicklung an Atomkreuzern in der US Navy darstellen. Zeitweise waren bis zu 23 Einheiten geplant. Tatsächlich wurden nur vier Einheiten gebaut, die 1976, 1977, 1978 und 1980 fertiggestellt wurden. Allerdings wurden auch bei diesen vier Schiffen der Kostenrahmen weit überschritten, woran auch die Inflation in den 1970er Schuld hatte.
In den 1980er Jahren wurde das Aegis-Kampfsystem entwickelt. Dieses war normalen Luftabwehrradaren weit überlegen und sollte auf der neuen Generation von Kreuzern eingesetzt werden. Laut ursprünglichen Plänen sollte es ab der fünften Einheit der Virginia-Klasse installiert werden. Stattdessen wurde die Ticonderoga-Klasse für das System entwickelt. Durch diese von Gasturbinen getriebene Klasse war die Entwicklung von Atomkreuzern in der US Navy praktisch beendet.
Die Außerdienststellung der neun Schiffe der US Navy erfolgte in den 1990er Jahren. Während die drei Prototypen zu dieser Zeit das Ende ihrer vorgesehenen Lebensdauer von ca. 30 Jahren erreicht hatten und auch drei (USS Long Beach) beziehungsweise jeweils zwei (USS Bainbridge und USS Truxtun) Erneuerungen des nuklearen Brennstoffs durchliefen, war dies bei den späteren Einheiten nicht der Fall. Die California- und Virginia-Einheiten wurden zwischen 1974 und 1980 in Dienst gestellt und erreichten damit nur 15 bis 20 Jahre Einsatzzeit. Bei all diesen Schiffen hätten in den 1990er Jahren Erneuerungen des Brennstoffes angelegen, so dass die Schiffe stattdessen aus Kostengründen deaktiviert wurden.
Klassifizierung und Namensgebung

Bereits bei USS Long Beach gab es Unklarheiten über die Klassifizierung. Neben CGN war auch CLGN mit dem L für light/leicht im Gespräch. Ab USS Bainbridge bis zu USS South Carolina (CGN-37) (der zweiten Einheit der California-Klasse) wurden die Einheiten bei Indienststellung als DLGN bezeichnet. Diese Abkürzung steht für Destroyer Leader Guided Missile nuclear powered oder Zerstörerführer mit Lenkwaffen und Atomantrieb. Im allgemeinen Sprachgebrauch wurden die Einheiten jedoch als Fregatten bezeichnet. Diese Klassifizierung wurde zum 30. Juni 1975 aufgelöst und alle DLGN wurden zu CGN umklassifiziert.
Auch die Namensgebung der Schiffe folgte keiner klaren Linie. Die USS Long Beach wurde, wie bei Kreuzern üblich, nach einer Stadt benannt. USS Bainbridge und USS Truxtun, wurden, wie bis 1975 bei Zerstörern üblich nach Kriegsteilnehmern der US Navy benannt, die durch herausragende Tapferkeit ein Vorbild für ihre Kameraden waren oder aus anderen Gründen ausgezeichnet wurden. Die restlichen sechs Schiffe wurden nach Bundesstaaten benannt. Dies zeigt, dass die US Navy die Schiffe hoch einschätzte, da nur capital ships nach Bundesstaaten benannt werden. Zu diesem Zeitpunkt war dieses Vorrecht den Schlachtschiffen vorbehalten.
Atomkreuzer der sowjetischen und russischen Marine

Die sowjetische Marine begann mit dem Bau von Atomkreuzern erst wesentlich später. Die erste Einheit der Kirow-Klasse, die Kirow, wurde 1973 auf Kiel gelegt und erst 1980 in Dienst gestellt, somit zeitgleich mit dem Indienststellung der letzten amerikanischen Atomkreuzer. Die zweite Einheit, Frunse folgte 1985, die dritte, genannt Kalinin 1988. Das vierte Schiff der Klasse, die Juri Andropow, wurde 1986 auf Kiel gelegt, aber nach langen Verzögerungen erst 1996 bei der russischen Marine in Dienst gestellt. Eine fünfte Einheit wurde zwar auf Kiel gelegt, jedoch 1992 noch vor der Vollendung in der Werft abgebrochen.
Die Einheiten wurden von der NATO als Schlachtkreuzer klassifiziert. Aur Grund der überwiegenden Bawaffnung mit Raketen passt jedoch auch die Kirow-Klasse eher in die Klassifikation Lenkwaffenkreuzer. Die vier Schiffe wurden nach wichtigen Persönlichkeiten der kommunistischen Sowjetunion, nämlich Sergei Mironowitsch Kirow, Michail Frunse, Michail Iwanowitsch Kalinin und Juri Wladimirowitsch Andropow benannt. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden die Einheiten umbenannt, die Kirow hieß seitdem Admiral Uschakow nach Fjodor Fjodorowitsch Uschakow, die Frunse Admiral Lasarew nach Michail Petrowitsch Lasarew, die Kalinin hieß seitdem Admiral Nakhimov, nach Pavel Nakhimov und die Juri Andropow wurde Pyotr Velikiy genannt, Peter der Große.
Das erste Schiff der Klasse wurde 1999 zur Überholung in die Werft gebracht, 2001 aber abgeschrieben und zerlegt. Die zweite Einheit ist seit Mitte der 1990er Jahre inaktiv. Die dritte Einheit wird momentan überholt und soll 2007 wieder seetüchtig sein, die Peter der Große ist aktiv und dient als Flaggschiff.
Technik & Besatzung

Abgesehen von USS Bainbridge und USS Truxtun mit ca. 9.000 Tonnen hatten alle Atomkreuzer Verdrängungen von über 10.000 Tonnen. Die größten Verdränger waren die Kirows mit ca. 25.000 Tonnen. Diese waren mit Längen von über 250 Metern neben den Schlachschiffen der Iowa-Klasse auch die größten Kampfschiffe (abgesehen von den Flugzeugträgern), die jemals gebaut wurden. Die amerikanischen Atomkreuzer waren zwischen 170 und 220 Meter lang. Atomreaktoren in Schiffe mit um 5.000 Tonnen (wie sie in den 1960er Jahren normal waren) einzubauen, hat nie funktioniert. Da die bereits genannten kleinsten Atomkreuzer Modifikationen von konventionell getriebenen Einheiten waren, ist auch bekannt, dass die atomare Antriebsanlage die Verdrängung eines Schiffes um rund 1.000 Tonnen erhöht.
Jeder der 13 Atomkreuzer hatte zwei Druckwasserreaktoren an Bord. Die Schiffe waren zwar nicht schneller als konventionell getriebenen, sondern können wie diese knapp über 30 Knoten laufen, haben jedoch eine quasi unbegrenzte Reichweite. Diese lag mit einer Reaktorfüllung in den 1990er Jahren bei ca. 700.000 Seemeilen, zu Beginn, als der Kernenergieantrieb auf Schiffen noch jung war, bei höchstens der Hälfte.
Die Decks aller Einheiten sehen, gerade verglichen mit früheren und späteren sowjetischen Einheiten, leer aus, was die Schiffe auf den ersten Blick schwach bewaffnet erscheinen lässt. Jedoch liegt ein Großteil der Bewaffnung unter dem Deck und besteht aus Lenkraketen. Wenn diese in einem Vertical Launching System gelagert sind, sind an Deck etwa nur die Mündungsklappen zu sehen.
Ein Nachteil der Atomkreuzer ist, dass durch den Nuklearantrieb die Besatzungszahl in die Höhe getrieben wird. So werden mehr Besatzungsmitglieder zur Wartung und Kontrolle der Reaktoren benötigt, außerdem müssen diese teilweise hochspezialisierte Techniker sein, die schwer in Regierungsdienst zu halten sind. Dies sowie die regelmäßig notwendige Nachfüllung des Reaktors, treiben die Unterhaltskosten der Schiffe in die Höhe. Zusätzlich ist bereits der Bau der Schiffe wesentlich teurer als der vergleichbarer konventionell angetriebener Einheiten.
Einsatzprofil

Die Atomkreuzer der US Navy, teilweise abgesehen von USS Long Beach, die Langstreckenluftabwehrraketen an Bord hatte, passen nicht in die typische Kreuzer-Definition. Ihnen fehlt bis in die 1980er Jahre die Fähigkeit, abseits einer Flotte zu operieren, da die nötige Bewaffnung für Angriffe auf Schiffe und auf weit entfernte Luftziele nicht installiert war. Stattdessen waren sie bereits vom Design her klar als Geleitschutz (zuständig für Luftabwehr und U-Jagd) für die ebenfalls nuklear getriebenen Flugzeugträger der Nimitz-Klasse positioniert worden. In den 1980er Jahren wurden die Atomkreuzer der US Navy mit Seezielflugkörpern AGM-84 Harpoon ausgerüstet, wodurch die Kapazität der Schiffe um Angriffe auf Seeziele erweitert wurde. Die vier Virginias und die USS Long Beach erhielten außerdem Armored Box Launcher mit Marschflugkörpern Typ BGM-109 Tomahawk, die Angriffe auf Landziele ermöglichten.
Die Navy wollte mit den Atomkreuzern vermehrt nur-nukleare Trägerkampfgruppen bilden. Dafür sollte ein Verhältnis Atomkreuzer:Träger von mindestens 2:1, idealerweise 4:1, hergestellt werden. Zwischen diesen Werten blieb die Navy bis in die 1980er hinein, da aber die Produktion von Atomträgern weiterging, rutschte die Ratio auf 1,3:1 ab. Die gewollten Nuclear Task-Forces kamen nur einmal im tatsächlichen Einsatz zum Einsatz: 1979 wurde im Rahmen der Geiselnahme von Teheran eine Gruppe bestehend aus USS Nimitz (CVN-68), USS Texas (CGN-39) und USS California (CGN-36) aus dem Mittelmeer in den persischen Golf geschickt; eine Fahrt, die die Schiffe mit hoher Geschwindigkeit durchführten. Dies ist auch der grundsätzliche Vorteil der atomar getriebenen Kreuzer: Sie können lange Distanzen zusammen mit dem Träger auch mit hoher Geschwindigkeit zurücklegen und müssen am Zielort nicht bunkern, sondern sind sofort einsatzbereit. Diese Fähigkeit testete die Navy bereits 1964, als USS Enterprise, USS Long Beach und USS Bainbridge in der Operation Sea Orbit in nur 65 Tagen eine komplette Weltumrundung durchführten.

Die sowjetischen beziehungsweise russischen Atomkreuzer waren von Beginn an sehr viel mehr an den klassischen Kreuzer-Begriff angelehnt. Sie waren als Offensiv-Einheiten mit Anti-Schiff- und Anti-Luft-Kapazität sowie mit der Möglichkeit zur U-Jagd geplant. Somit dienten sie als Flaggschiffe innerhalb der sowjetischen/russischen Flotte. Als solche wären sie im Ernstfall von kleineren Einheiten wie Fregatten und Zerstören gedeckt worden.
Liste der Atomkreuzer
United States Navy | Sowjetische/Russische Marine |
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Literatur
- Wilhelm M. Donko, Die Atomkreuzer der U.S. Navy, Bernard & Graefe Verlag Koblenz 1987, ISBN 3-7637-5836-4
- Stefan Terzibaschitsch: Seemacht USA, Bernard & Graefe Verlag, Bonn, ISBN 3860475762