Antimaterie
Antimaterie ist Materie, die aus Antiteilchen aufgebaut ist, so wie die uns umgebende 'normale' Materie aus 'normalen' Teilchen besteht.
Bislang gibt es, außer in kosmologischen Modellrechnungen über die Frühzeit unseres Universums, keine Belege für ein Vorkommen von Antimaterie außerhalb des kurzzeitigen Entstehens einzelner Antiteilchen bei hochenergetischer Strahlung oder hohen kinetischen Energien, wie sie in kosmischer Strahlung oder in Teilchenbeschleunigern entstehen.
Ein erster Durchbruch in der künstlichen Erzeugung von Antimaterie gelang einer Arbeitsgruppe unter Walter Oelert vom Forschungszentrum Jülich am CERN (LEAR) 1995, als sie ein Anti-Wasserstoff-Atom erzeugten, das aus einem negativ geladenen Antiproton und einem positiv geladenen Positron bestand. In den beiden folgenden Jahren wiederholten Forscher am Fermilab in den USA das Experiment.
Die Kurzlebigkeit von Antimaterie in der von uns beobachtbaren Welt erklärt sich daraus, dass beim Aufeinandertreffen eines Teilchen-Antiteilchen-Paares sich beide gegenseitig annihilieren. Hierbei wird Energie freigesetzt, hauptsächlich in der Form von elektromagnetischer Strahlung, als Gammastrahlung. Diese Annihilation von Antiteilchen setzt sehr viel mehr Energie frei, als es irgend ein anderer Prozess mit gleichen Materiemengen könnte wie z.B. chemische Prozesse oder auch Kernfusion. Die freiwerdende Energie läßt sich mit der Einsteinschen Formel berechnen.
Wirtschaftliche Nutzbarkeit der Antimaterie
Theoretisch könnte man mit einem Kilogramm Antiwasserstoff mehr Energie freisetzen als durch Verbrennung aller ursprünglichen irdischen Steinkohlevorräte.
An eine wirtschaftliche Nutzung im Sinne eines Antimaterie-Kraftwerks ist aber nicht zu denken, da Antimateriepartikel auf der Erde nur unter immensem Energieaufwand hergestellt werden können. Selbst bei einer theoretischen, hundert Prozent effektiven Produktion von Antimaterie wäre dazu exakt die Energie nötig, die später bei der Annihilation wieder frei würde.
Antimaterie könnte erst dann zur Erzeugung wirtschaftlich nutzbarer Energieformen (Energiegewinnung) genutzt werden, wenn man größere Mengen davon im Weltall finden würde – nach dem heutigen Stand der Wissenschaft ist aber im Umkreis von einigen Milliarden Lichtjahren keine vorhanden.
Dazu kommt das Problem, dass Antimaterie derzeit nicht in größeren Mengen speicherfähig ist. Da Berührung mit jeglicher Form von Materie zur Annihilation führt, ist die einzig mögliche Speicherform, Antimaterie-Teilchen in einem elektromagnetischen Feld einzufangen. Das funktioniert aber nur bei Antiprotonen oder Positronen, denn Antineutronen und auch Antiwasserstoff besitzen keine Ladung. Ferner ist es heute undenkbar, eine größere Menge Antiprotonen zusammen einzufangen, da diese sich durch ihre Wechselwirkung stark voneinander abstoßen.
In Area51 wurde seit den 90er Jahren versucht Antimaterie für militärische Zwecke einzusetzen. Laut einigen Quellen wurden schon erfolgreiche Versuche durchgeführt. Hierbei wurden anti-Lithium-Teilchen in einem Schwingkreis eines supraleitenden Trägers durch eine Railgun beschleunigt. Laut eines ehemaligen Mitarbeiters sei die Wirkung verherend.
Antimaterie im Universum
In Teilchenbeschleunigerreaktionen zeigt sich, dass reine Energie (Photonenstrahlung, Bewegungsenergie …) immer paarweise zu gleichen Mengen in Materie und Antimaterie umgewandelt wird. Auch nach den bisher gefundenen theoretischen Gesetzen macht die Natur keinen Unterschied zwischen Materie und Antimaterie und behandelt beide vollkommen gleichwertig.
Somit sollte man erwarten, dass nach dem heißen und dichten Anfangszustand des Universums (Urknall) Materie und Antimaterie in gleichen Mengenverhältnissen entstanden und noch heute vorzufinden sind. Trotzdem zeigen alle bisherigen Beobachtungen im Kosmos nur eine Form, willkürlich Materie genannt. Dieses offensichtliche Ungleichgewicht ist eines der großen Rätsel der Elementarteilchenphysik und Kosmologie; es wird vermutet, dass erst vereinheitlichende Theorien (beispielsweise Stringtheorie, M-Theorie, Supersymmetrie) diese ungleiche Verteilung zufriedenstellend erklären werden.
Frühere Vermutungen, dass das Universum in einigen Bereichen mit Materie, in anderen mit Antimaterie gefüllt sei, gelten heute als unwahrscheinlich. Es wurde bislang keine Annihilationsstrahlung, die an den Grenzgebieten entstehen sollte, nachgewiesen.
Das Ungleichgewicht von Materie und Antimaterie ist eine der Voraussetzungen für die Stabilität unseres Universums, und somit auch für das Leben auf der Erde. Hätte sich ein genaues Gleichgewicht von Materie und Antimaterie ergeben, so wäre alle Materie nach der Abkühlung des Universums wieder mit der Antimaterie in Strahlung umgewandelt worden.
Die sogenannte kosmische Hintergrundstrahlung lässt sich sehr gut mit der Urknalltheorie als Relikt aus der zeitlichen Epoche deuten, als die beim Urknall entstandene Materie mit der Antimaterie wieder vernichtet wurde. Der Vergleich von Modellrechnungen und astronomisch gemessenen Daten (primordiale Nukleosynthese, WMAP) untermauern diejenige These, nach der es anfänglich ein fast gleiches Verhältnis von Materie und Antimaterie gegeben haben muss. Lediglich ein winziges Ungleichgewicht von 1.000.000.001 Teilchen über 1.000.000.000 Antiteilchen bewirkte, dass ein Rest an Materie übrig blieb, der unser heutiges Universum ausmacht.
Neueste Untersuchungen bestätigen die Bevorzugung der Materie im Universum. Am SLAC wurden 200 Millionen B-Meson-Anti-B-Meson-Paare erzeugt und untersucht wie diese wieder zerfallen. Bei der Auswertung wurde festgestellt, dass die B-Mesonen etwa zwei Mal weniger in ein Pion und ein Kaon zerfallen als deren Antiteilchen. In der Vergangenheit wurde dieser Effekt, der CP-Verletzung genannt wird, schon bei Kaonen untersucht. Allerdings liegt der Unterschied dort bei 4 in einer Million.
Verarbeitung in fiktionalen Werken
Die Raumschiffe der Filmreihe Star Trek werden mit Antimaterie angetrieben. Ebenso wird Antimaterie in Teilen des Waffensystems (Photonentorpedos) verwendet. Dan Brown verarbeitet das Thema in seinem Thriller Illuminati. Paul Hood, der jugendliche Protagonist in Ang Lees Drama The Ice Storm (dt. Der Eissturm), benutzt die Materie / Anti-Materie Diskussion der Comicreihe Die Fantastischen Vier, um eine Analogie zur Familie herzustellen, die, laut Paul, jedermans persönliche Antimaterie ist.
Literatur
- Dieter B. Herrmann: Antimaterie. Auf der Suche nach der Gegenwelt. 2. Auflage. Beck, München 2004, ISBN 3-406-44504-7 (Kurzeinführung in das Thema)