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Konjunktiv im Deutschen

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Der Konjunktiv ist einer der drei Modi im Deutschen (die anderen zwei sind der Indikativ und der Imperativ). Im Deutschen unterscheidet man zwischen dem Konjunktiv I und dem Konjunktiv II, deren Funktionen sich jedoch zunehmend vermischen bzw. vom Indikativ oder dem Konditional wahrgenommen werden.

Konjunktiv I

Der deutsche Konjunktiv I geht der Form nach auf den indogermanischen Optativ Präsens zurück.

Bildung des Konjunktivs I

Die Formen des Konjunktivs I werden vom Wortstamm der Grundform (des Infinitivs) gebildet:

An den Stamm (Infinitiv minus -(e)n: lauf·en, sei·n) werden die Konjunktivendungen angefügt.

Beispiel: gehen

Infinitiv Indikativ Präsens Konjunktiv I
gehen er geht er gehe

Die Personalendungen des Konjunktivs I sind:

ich ~e
du ~est
er/sie/es ~e
wir ~en
ihr ~et
sie ~en

Verwendung des Konjunktivs I

Der Konjunktiv I wird – vor allem in der Schriftsprache – in der indirekten Rede verwendet, das heißt, wenn man nicht in wörtlicher Rede, sondern indirekt wiedergeben will, was jemand gesagt hat. Durch diesen Modus wird kenntlich gemacht, dass nicht die eigene Meinung, sondern das, was jemand anderer geäußert hat, berichtet wird.

Mein Bekannter sagt, er habe geheiratet

Eine Fallgruppe der indirekten Rede ist die indirekte Frage. Hier wird die Frage, die sich ein Dritter stellt wiedergegeben.

Zum Zweck der Entschließung, ob zu handeln sei, hat er die Notwendigkeit genau zu prüfen.

Wenn der Konjunktiv I nicht vom Indikativ zu unterscheiden ist, kann man als Ersatz in dieser Funktion den Konjunktiv II verwenden.

Außerdem bildet er die Wunschform (Optativ) der 1. und 3. Person Singular und Plural, wobei oft die Wortstellung invertiert wird:

Es lebe der König!, Dein Reich komme, Dein Wille geschehe

Konjunktiv I ist auch bei der Aufforderungsform (Jussiv) an die 3. Person Singular und Plural im Gebrauch:

Man nehme, wenn man hat, ein halbes Pfund Butter

Gehen wir! (letzteres ist nur durch Betonung unterscheidbar von der Frageform: "Gehen wir?").

Beispiele

Infinitiv Konjunktiv I
sollen er solle
haben sie habe
können es könne
sehen er sehe

Die Vergangenheitsform in der indirekten Rede

1. Perfekt
wörtliche Rede indirekte Rede
Ich bin da gewesen. Er sei da gewesen.
Ich habe gelacht. Er habe gelacht.
Wir haben geweint. Sie hätten geweint (Konj. II)/sie haben geweint (Konj. I, identisch mit dem Indikativ)
2. Präteritum
wörtliche Rede indirekte Rede
Ich war zu Hause. Er sei zu Hause gewesen.
Ich ging hinaus. Er sei hinaus gegangen.
Ich schlief. Er habe geschlafen.
Wir schliefen. Sie hätten geschlafen (Konj. II)/sie haben geschlafen (Konj. I, identisch mit dem Indikativ)

Als Vergangenheitsform der indirekten Rede kann nur das Perfekt verwendet werden. Die Formen der temporären Hilfsverben haben beziehungsweise sein werden dann in die Konjunktiv-I-Form der indirekten Rede gebracht.

Konjunktiv II

(Ist innerhalb des indogermanischen Systems der Konjugationen eigentlich ein Optativ Perfekt; das germanische und damit auch deutsche Präteritum setzt den indogermanischen Indikativ des Perfekts fort; der echte indogermanische Konjunktiv Perfekt ist im Deutschen entfallen.)

Bildung des Konjunktivs II

Der Konjunktiv II wird vom Präteritum abgeleitet. Unregelmäßige starke Verben mit umlautfähigem Stammvokal werden umgelautet: kam → käme, sang → sänge. An den gegebenenfalls so modifizierten Wortstamm wird dann die entsprechende Personalendung angefügt.

Beispiel: gehen

Infinitiv Indikativ Präteritum Konjunktiv II
gehen es ging es ginge

Die Personalendungen des Konjunktivs II sind dieselben wie beim Konjunktiv I:

ich ~e
du ~est
er/sie/es ~e
wir ~en
ihr ~et
sie ~en

Verwendung des Konjunktivs II

Der Konjunktiv II wird auch Irrealis oder Möglichkeitsform genannt, weil er ausdrückt, was sich jemand wünscht oder vorstellt, was wahrscheinlich nicht Wirklichkeit wird oder nur unter bestimmten Bedingungen möglich wäre.

a) Bedingung, deren Eintritt unmöglich (oder auch sehr unwahrscheinlich) ist

Wenn ich ein Vöglein wär´ und zwei Flüglein hätt´, flög ich zu Dir.

b) Wunsch, dessen Eintritt unmöglich oder auch sehr unwahrscheinlich ist

Wäre ich doch ein begnadeter Künstler !


Die sprachliche Äußerung einer Person kann von einem Berichtenden indirekt vermittelt werden (indirekte Rede, oratio obliqua, seltender: abhängige Rede). Bei der indirekten Rede gerät die Rede in Abhängigkeit von Verben des Sagens, des Fragens oder des Wünschens. In der indirekten Rede verwendet man die Form des Konjunktivs I (coniunctivus obliquus). Wenn die Formen des Indikativ und des Konjunktivs I gleich sind, dann muss in die Form des Konjunktiv II ausgewichen werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Das ist fast immer bei der 1. Person Singular und Plural (ich & wir) und in der 3. Person Plural (sie) bei regelmäßigen (schwachen) Verben der Fall. Die 3. Person kommt dabei häufiger vor. Hier ist es erlaubt, den Konjunktiv II in der würde Form zu verwenden.

In Österreich ist es üblich, im Normalfall in der indirekten Rede den Indikativ zu verwenden, und den Konjunktiv nur im Fall des Zweifels an der übermittelten Information einzusetzen.

Die indirekte Rede wird z. B. in Protokollen und Berichten verwendet. Es ist wichtig, in der indirekten Rede eine deutliche Konjunktivform zu verwenden.

Konjunktiv-Form mit würde - Der moderne Konjunktiv

Wenn die Konjunktiv-II-Form zu Missverständnissen führen könnte, kann auf eine Hilfskonstruktion mit „würde“ ausgewichen werden. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich dabei um die ursprünglichen Futurformen des Konjunktivs II, die ihre Funktion verändert haben, da die Zukunft im Deutschen immer mehr mit den Präsensformen + Lexik (morgen, übermorgen, in zwei Jahren u. ä.) ausgedrückt wird:

Er sagte: „Ich werde das gerne machen.“

wird in der indirekten Rede zu

Er sagte, er werde das gerne machen. (Konjunktiv I)

bzw.

Er sagte, er würde das gerne machen. (Konjunktiv II)

Umgangssprache

In der Umgangssprache wird der Konjunktiv heute nur noch selten verwendet. Der Konjunktiv I wird meist durch den Indikativ ersetzt, zum Beispiel:

Er hat gesagt, dass er ins Theater geht.

anstatt

Er sagte, dass er ins Theater gehe.

Für den Konjunktiv II wird in der Umgangssprache meist der moderne Konjunktiv (Die "würde"-Form) verwendet, zum Beispiel:

Er hat gesagt, dass er ins Theater gehen würde.

anstatt

Er sagte, dass er ins Theater ginge.

In den bairischen Dialekten wird der Konjunktiv II mit dem Morphem -àt- gebildet, z.B. findàt (fände), frågàt (fragte iSv würde fragen) usw. Allerdings existieren daneben auch unregelmäßige Formen bzw. unregelmäßige Formen mit Anfügung des Morphems -àt, so z.B. gàng, fànd und gàngàt, fàndàt (ginge, fände). Im Hochdeutschen hingegen verdrängt der moderne Konjunktiv immer mehr den Konjunktiv I und II und wird deshalb von manchen bereits zu einem eigenen strukturellen System des Konjunktivs III zusammengefasst.

Konjunktiv in anderen Sprachen

Der Konjunktiv als Modus kommt mehr oder weniger erkennbar in allen indogermanischen Sprachen vor, hat aber meist völlig unterschiedliche Funktionen. Manche Sprachen unterscheiden dabei zusätzlich einen Optativ vom eigentlichen Konjunktiv. Die meisten Sprachen haben ähnlich wie das Deutsche ein oder zwei besondere Formen (wie zum Beispiel Konjunktiv I und Konjunktiv II). Manche, insbesondere ältere Sprachen (Altgriechisch, Sanskrit), aber auch die Französische Sprache, haben neben Indikativ und Konjunktiv noch andere Verbformen (Modi), die weitere sprachliche Nuancen ermöglichen. Im Englischen ist der Konjunktiv I dagegen nur noch als Rest in einigen feststehenden Formeln erhalten, zum Beispiel im Satz God save (statt: saves) the Queen! für Gott schütze (statt: schützt) die Königin! Der Konjunktiv II findet sich dagegen noch in systematischem Gebrauch in Gestalt von Wörtern wie might, would oder could, sowie in "if-clauses", zum Beispiel in "If he were (statt: was) here(...)".

Historisch (im Latein noch gut erkennbar) war der Konjunktiv das Gegenstück des Indikatives. So wie es im Indikativ die drei Zeiten Präsens, Präteritum und Futur I gibt (jeweils auch mit den vorzeitigen Formen Perfekt, Plusquamperfekt und Futur II), wäre für alle diese Formen auch eine passende Konjunktiv-Form zu erwarten.

Während sich in den romanischen Sprachen während der letzten zwei Jahrtausende diese Formen teilweise verloren haben, sind sie im Latein noch großenteils erhalten. Dort gibt es:

  • Konjunktiv Präsens
  • Konjunktiv Imperfekt
  • Konjunktiv Perfekt
  • Konjunktiv Plusquamperfekt

Einen Konjunktiv der beiden Futurformen kennt das Lateinische dagegen nicht, der Konjunktiv ist eine Wunschform.

Siehe auch

Wiktionary: Konjunktiv – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen