Keuschheitsgürtel

Ein Florentiner Gürtel oder Keuschheitsgürtel ist ein Instrument zum teilweisen Entzug der Selbstkontrolle, das heute vor allem bei BDSM-Praktiken angewendet wird. Es soll den Geschlechtsverkehr des Trägers bzw. Trägerin verhindern. Die typische Konstruktion besteht aus einem Stahlgürtel um die Taille in Verbindung mit einem Stahlband durch den Schritt und einem Schloss.
Auch abweichende Konstruktionen für die Anwendung beim Mann (siehe Peniskäfig) sind gebräuchlich.
Aus dem 19. Jahrhundert sind ähnliche Vorrichtungen bekannt, die zur Anwendung bei Kindern und Jugendlichen bestimmt waren und hier die zur damaligen Zeit als krankhaft angesehene Masturbation verhindern sollten.
Geschichte

Um 1400 wurde der Keuschheitsgürtel in Padua erwähnt. Ob er ausschließlich die Enthaltsamkeit der Ehefrau bei Abwesenheit des Mannes gewährleisten sollte, ist ungewiss. Man vermutet eher, dass es sich auch um ein Sexspielzeug handelte.
Um 1500 wird der Keuschheitsgürtel eingeführt bzw. in Massen produziert.
Der Annahme, dass der Keuschheitsgürtel die Enthaltsamkeit der Frau über einen langen Zeitraum gewährleisten sollte, widersprechen hygienische Erkenntnisse, da die Materialien der damaligen Zeit die Haut wund scheuerte, und durch die ungenaue anatomische Anpassung sich Urin und Menstruationsblut im Gürtel sammeln konnte. Dies kann zu schmerzhaften Infektionen der Haut bzw. der Scheide führen, was in früheren Zeiten wegen der geringen medizinischen Möglichkeiten den Tod bedeuten konnte.
Wahrscheinlich wurde der Keuschheitsgürtel auch als Straf- und Folterwerkzeug verwendet.
Anekdotisch wird er mit den Kreuzzügen in Verbindung gebracht, allerdings wäre das aufgrund des Entzündungsrisikos (wie oben geschildert bedingt durch die damals verwendeten Materialien) unmöglich gewesen. Auch gibt es keinen eindeutigen Beleg dafür, dass der Keuschheitsgürtel bereits im Mittelalter bekannt war. Man vermutet, dass es sich um einen Mythos handelt, der in der Barockzeit erfunden und verbreitet wurde, um das Bild des „finsteren Mittelalters“ zu zeichnen. Andere Geschichten erzählen, der Keuschheitsgürtel sei von den Dogen Venedigs erfunden worden, um fällige Steuerschulden bei Prostituierten wirksam eintreiben zu können.
Die gelegentlich in Museen gezeigten angeblich mittelalterlichen Exponate haben sich alle als Produkte aus dem 19. Jahrhundert erwiesen. Diese wurden u. a. in England von Dienstmädchen zum Schutz vor Vergewaltigungen getragen.
Gegenwart
Heute ist der Keuschheitsgürtel eher als Utensil bei sexuellen Rollenspielen von Bedeutung. Aber auch als Möglichkeit, seinem Partner den Wunsch nach einer monogamen Beziehung zu beweisen.
Dabei ist der Keuschheitsgürtel aus modernen Werkstoffen, wie Acryl oder besser, aber auch teurer, aus rostfreien Stahl hergestellt. Er passt sich der Anatomie des Trägers millimetergenau an, da bei vielen Herstellern Maßanfertigungen möglich sind. Durch spezielle Polsterungen, aber auch durch die verbesserte Möglichkeit der Intimhygiene, sind die heutigen Keuschheitsgürtel oder auch Keuschheitsvorrichtungen für Mann und Frau über längere Zeiträume tragbar.
Literatur
- Eva Larrass: Der Keuschheitsgürtel, Phantasie und Wirklichkeit. In: Waffen- und Kostümkunde, Band 34, 1992, Seite 1–12
- Alexander Schulz: Das Band der Venus: die Geschichte des Keuschheitsgürtels. Isny 1984
- Der Keuschheitsgürtel als Folterwerkzeug, in: Sex und Folter in der Kirche, Horst Herrmann, ISBN 3572100100, S. 236