Kino in Erfurt
Kinos in Erfurt behandelt die Geschichte und aktuelle Situation der Kinos in Erfurt.
Geschichte
1917 verfügte Erfurt bereits über mehr als zehn Kinos, die meist durch Umbau älterer Säle entstanden waren. Hierzu gehörten das Apollo-Theater am Anger 27, die Kammer-Lichtspiele, vormals Lichtspiele Preußischer Hof in der Meyfarthstr. 23, das Kolosseum-Theater in der Krämpferstraße 62., das Lichtspiel-Theater in der Bommersdorfer Straße 1, das Reichshallen-Theater am Mainzerhofplatz 3, Scherffs Bioskop-Theater, später Rolandkino am Fischmarkt 11, das Schulkino Nord, das Union-Theater in der Michaelisstraße 30 und das Volks-Kino-Theater in der Johannesstraße 91–92.[1]
Mit dem Aufschwung der Filmindustrie in Weimarer Republik wuchsen der Bedarf an Kinos, die Ansprüche Besucher und die Größe der Säle, während die Anzahl der Säle schrumpfte. So erfolgte 1918 durch Julius Ritter aus Halle zunächst ein Umbau des großen Saales hinter dem Haus Anger 57 zum Anger-Theater, das mit 908 Sitzplätze alle anderen Kinos übertraf und wenig später auf 1000 Plätze erweitert wurde. Im Folgejahr eröffnete Ritter in der Brauereigaststätte Tivoli, heute Magdeburger Allee 51, ein weiteres Kino mit zunächst 170 Plätzen ein, das 1924 auf 450–500 Plätze erweitert wurde. Von den älteren Kinos der Vorkriegszeit überlebten nur das Rolandkino mit 510 Plätzen[2] und die Kammer-Lichtspiele mit 300 Plätzen.
Im Juni 1922 reichte der Unternehmer Karl Liebrich und sein Architekt Max Bischoff aus Berlin einen Bauantrag zum ersten Erfurter Kino-Neubau ein, der in einer Baulücke in der Johannisstraße 164 stehen und mit fast 1200 Sitzplätzen alle anderen Kinos übertreffen sollte. Nach Überplanungen durch Karl Zöll wurde das Kino 1924 fertiggestellt und Alhambra genannt.[3] Im gleichen Jahr übernahm Liebrich zudem die Geschäftsleitung der Erfurter Kammer-Lichtspiele.[4] 1926 erwarb er von Julius Ritter auch das Angertheater[5][6]. 1927–1929 übernahm Liebrich zusammen mit Gustav Schneider auch die drei führenden Kinos in Weimar: den Zentral-Palast, Hummelstr. 4, mit 1100 Plätzen[7], die Scherffs Lichtspiele, Marktstraße 20, mit 650 Plätzen[8] und die Kammerlichtspiele, Marienstraße 1, mit 400 Plätzen[9]. Damit war Liebrich mit seinem Partner Schneider der größte Kinobetreiber nicht nur Erfurts, sondern der gesamten Region geworden.
Mit der Planung des Unionkinos in Ilversgehofen beschritten Liebrich und Schneider neue Wege. Zum einen lag der Standort weitab vom Zentrum im Erfurter Stadtteil Ilversgehofen, der damals sehr industriell geprägt war und von vielen Arbeiterfamilien bewohnt wurde. Zum anderen erfolgte die Planung des Kinospezialisten Carl Fugmann in einem radikal modernen Stil, der sich mit seiner markanten expressionistische Architektur, die auf den niederländische Vorbilder und das Weimarer Bauhaus verweist. Kennzeichnend wurde seine asymmetrische Gestaltung mit sich zum Teil durchdringenden Baukörpern, Gesimsen und Leuchtreklamen, flache Dächern und waagerechten Fensterbändern. Nachdem mit den Bauarbeiten bereits im April 1929 begonnen worden war, folgten die Baugenehmigung am 12. Mai 1929 und die Eröffnung bereits am 7. September 1929. Das Haus bekam über 900 Sitzplätze.[10]
Der vorerst letzte Kinobau in Erfurt war der UFA-Palast im Erdgeschoss des 1931 fertiggestellten Phönix-Hauses. Die Bauweise war durch die Prinzipien der jungen Moderne geprägt: Stahlbeton-Skelett-Konstruktion, durchgehende Fensterbänder, Flachdach und Fassadenverkleidung aus quadratischen Kunststeinelementen. Die filigranen Werbeschriftzüge an der Fassade waren mit Neonbeleuchtung ausgestattet. Mit 1200 Sitzplätzen (850 im Parkett und 350 im Rang) war der UFA-Palast bei seiner Eröffnung 1931 das größte und modernste Kino in Erfurt. 1939 erfolgte eine Modernisierung des Kinos. In der DDR-Zeit blieb es das wichtigste Kino in Erfurt, wurde 1967 erneut modernisiert und PANORAMA-Filmpalast genannt. Nach der Wende wurde das Gebäude zunächst von der Treuhandanstalt an die UFA-Filmtheaterkette verkauft und 1995 nach Erweiterung und Modernisierung als Multiplex-Kino mit neun Sälen und 1.922 Plätzen wiedereröffnet. 2003 wurden es mit anderen UFA-Kinos von der Kieft-Gruppe übernommen, die bereits in der Nachbarschaft ein Kinozentrum betrieb. Sie ließ es 2006 wegen mangelnder Auslastung schließen.
Tabelle
Jahr | Name | Adresse | Betreiber | Plätze | Bemerkung |
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1924 | Alhambra | Johannesstr. 164 | Karl Liebrich, Gustav Schneider | 1200 | 1998 geschlossen und umgebaut |
1914 | Anger-Filmpalast | Anger 57 | Julius Ritter, Karl Liebrich, Gustav Schneider, Cinestar (Kieft) | 1000 | 1992 umgebaut, 2001 geschlossen, 2006 abgebrochen |
1909 | Apollo-Theater | Anger 27 | Otto Kunath, Hermann Conradus | 225 | 1922 geschlossen |
1906 | Centraltheater 4 | Friedrich-Wilhelm-Platz | |||
2001 | Cinestar (Kieft) | Hirschlachufer 7 | Cinestar (Kieft) | 2158 | Multiplexkino mit 8 Sälen |
1907 | Colosseum | Krämpferstr. 62a | 1922 geschlossen | ||
1908 | Edison-Theater | Löberstraße 17-18 | |||
1921 | Othello-Lichtspiele - Filmbühne Gispersleben | Kopernikusplatz 5 | Hugo Müller, Josef Steidl | 300 | 1991 geschlossen |
1910 | Kammer-Lichtspiele | Traunsdorfstr. 1 | |||
1915 | Karthause | ||||
1975 | Kinoklub am Hirschlachufer | Hirschlachufer 1 | IKKE e.V. | 52 | |
1917 | Kammerlichtspiele Preussischer Hof | Am Anger / Meyfarthstraße 23 | Harry Wentzel, Karl Liebrich, Gustav Schneider | 600 | 1951 geschlossen |
1920 | Lichtspieltheater Auenkeller | Auenschanze 1-2 | Dockhorn & Peters | ||
1911 | Lichtspieltheater | Bommersdorferstr. 1 | |||
1931 | Panorama-Palast - UFA Palast | Bahnhofstr. 41-44 | Ufa-Theater AG | 1177 | 1992 umgebaut zu 9 Sälen mit 1950 Plätzen, 2006 geschlossen |
1917 | Reichshallen-Theater | Mainzerhofplatz 3 | Hass | ||
1905 | Scherffs Bioskop-Theater | Fischmarkt 11 | |||
1913 | Rolandkino - Theater der DSF | Fischmarkt 7 | Hermann Liemann, Kruppa & Co. | 565 | 1965 geschlossen |
1919 | Tivoli-Theater | Magdeburger Str. 51 | Julius Ritter, Hugo Krug | 450 | 1927 geschlossen |
1928 | Union-Kino - Theater der Jugend | Magdeburger Allee 144 | Karl Liebrich, Gustav Schneider, Ufa-Theater AG | 900 | 1993 geschlossen, 1998 abgebrochen |
1911 | Union-Theater | Michalisstr. 30 | |||
1908 | Volks-Kino-Theater | Johannesstr. 91-92 | |||
1908 | Zentral-Kinematograph | Ilversgehofen, Hauptstr. 11 |
Literatur und Quellen
- Thüringer Allgemeine (Steffen Raßloff): Kinos in der Weimarer Republik. Erfurt 27. Dezember 2008.
- Marc Escherich: Städtische Selbstbilder und bauliche Repräsentation, Architektur und Städtebau in Erfurt 1918-1933. Lukas Verlag, Erfurt 2010, ISBN 978-3-86732-062-7.
- Thüringer Allgemeine (Holger Wetzel): Auf der „Unne“-Brache in Ilversgehofen entstehen Wohnungen und Geschäfte, Erfurt, 15. Januar 2016.
Einzelnachweise
- ↑ http://filmtheater.square7.ch/wiki/index.php?title=1918_C-F#Erfurt._Provinz_Sachsen_.28127000_Einw..29
- ↑ http://filmtheater.square7.ch/wiki/index.php?title=Erfurt_Theater_der_Deutsch-Sowjetischen_Freundschaft,_Roland-Theater
- ↑ http://filmtheater.square7.ch/wiki/index.php?title=Erfurt_Alhambra-Lichtspiele
- ↑ http://filmtheater.square7.ch/wiki/index.php?title=Erfurt_Kammer-Lichtspiele
- ↑ Der Kinematograph Nr. 989: Herr Karl Lieberich, Besitzer und Direktor der Alhambra Erfurt (1200 Sitzplätze) hat nun auch die Angerlichtspiele Erfurt (1000 Sitzplätze) erworben. 31. Januar 1926
- ↑ http://filmtheater.square7.ch/wiki/index.php?title=Erfurt_Anger_Filmpalast
- ↑ http://filmtheater.square7.ch/wiki/index.php?title=Weimar_Theater_des_Friedens,_Zentral-Palast
- ↑ http://filmtheater.square7.ch/wiki/index.php?title=Weimar_Stern-Lichtspiele,_Scherffs_Lichtspielhaus,_Deutsche_Lichtspiele
- ↑ http://filmtheater.square7.ch/wiki/index.php?title=Weimar_Kammerlichtspiele,_Reform-Lichtspiele
- ↑ http://filmtheater.square7.ch/wiki/index.php?title=Erfurt_Union-Kino