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Lech Wałęsa

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Lech Wałęsa

Lech Wałęsa [ˈlɛx vaˈwɛ̃ŋsa] (* 29. September 1943 in Popowo bei Lipno, Polen) ist ein polnischer Politiker. Der Elektriker war von 1980 bis 1990 Vorsitzender der Gewerkschaft Solidarność und von 1990 bis 1995 Staatspräsident Polens. Er organisierte den politischen Wandel Polens von einem kommunistischen Land zur Demokratie.

Leben

Jugend und Heirat

Er wurde als Sohn eines Schreiners und dessen Frau in sehr armen Verhältnissen geboren, wuchs streng katholisch auf. Er besuchte die Grund- und die elektrotechnische Berufsschule, galt als durchschnittlich begabt. Zwischen 1961 und 1965 versuchte er sich als Automechaniker. 1967 begann er als Elektriker auf der Lenin-Werft in Danzig (polnisch Stocznia Gdańska im. Lenina, heute Stocznia Gdańska) zu arbeiten. 1968 heiratete er Mirosława Danuta Wałęsowa. Das Paar hat inzwischen acht Kinder.

Gewerkschaftsführer

1970 war Lech Wałęsa Mitglied des illegalen Streikkomitees auf der Danziger Werft. Nach dem blutigen Ende des Streiks, bei dem über 80 Arbeiter von der Polizei getötet wurden, wurde er verhaftet und wegen anti-sozialen Verhaltens zu einem Jahr Haftstrafe verurteilt. 1976 verlor Wałęsa seine Arbeit, weil er Unterschriften für eine Petition zur Errichtung eines Denkmals für die getöteten Arbeiter gesammelt hatte. Weil er auf einer informellen schwarzen Liste stand, fand er nirgendwo Arbeit und lebte von den Zuwendungen von Freunden.

1978 organisierte er zusammen mit Andrzej Gwiazda und Aleksander Hall die illegale Untergrundvereinigung Freie Gewerkschaft Pommerns (polnisch Wolne Związki Zawodowe Wybrzeża). 1979 wurde er mehrfach wegen Betreibens einer anti-staatlichen Organisation verhaftet. Doch das Gericht sprach ihn frei. Er konnte das Gefängnis Anfang 1980 verlassen, durfte aber seine Arbeit auf der Lenin-Werft nicht wieder aufnehmen.

Ursache des legendären Streiks vom August 1980 waren Versorgungskrise und inflationäre Preisentwicklung selbst für Grundnahrungsmittel wie sie die Volksrepublik Polen seit ihrer Gründung immer wieder erlebt hatte, die sich aber Ende der 70er Jahre noch verstärkten. Konkreter Anlaß des Streiks war die Entfernung der Werftarbeiterin Anna Walentynowicz von ihrem Arbeitsplatz. Wie viele andere wurde sie für oppositionelle Aktivitäten abgestraft.

Der Streik entstand nach einem in Polen bewährten Muster. Eine externe Gruppe um den Berufs-Oppositionellen Bogdan Borusewicz, heute Politiker der rechtskonservativen PiS, bereitete in einer Danziger Wohnung den Streik vor. Flugblätter wurden entworfen und vervielfältigt. Diese wurden zu Beginn der morgendlichen Schicht am 14. August 1980 auf das Werftgelände transportiert und verteilt. Die einzige Forderung zunächst: Wiedereinstellung von Anna Walentynowicz.

Nachdem es gelungen war, einen Teil der Belegschaft dazu zu bewegen, die Arbeit niederzulegen, begannen Verhandlungen mit der Werftleitung. Dieser gelang es zunächst ohne grosse Mühe, die Situation zu entspannen. Gleichzeitig wurde das Werftgelände blockiert, um den Zustrom von Unterstützern zu unterbinden. Als der Streik bereits kurz vor dem Ende stand, überwand Lech Wałęsa an einer Seite des Geländes die Werftmauer und übernahm wie mit Bogdan Borusewicz zuvor vereinbart die Führung. Dank seines rhetorischen Geschicks und seiner Bekanntheit als danziger Oppositionellem gelang es ihm, den Streik am kochen zu halten. Die Nachricht machte zunächst die Runde in der Stadt. Arbeiter anderer Werke schlossen sich spontan an, Strassenbahnführer blockierten den Verkehr als Zeichen ihrer Solidarität. Trotz der Informationssperre des Regimes erfuhr ganz Polen von den Ereignissen. Unter anderem in Radom, Stettin und Ursus (bei Warschau) folgten Arbeiter spontan dem Danziger Beispiel und legten in ihren Betrieben die Arbeit nieder. Einige Tage später wurde ein Streik-Koordinationskomitee (polnisch Międzyzakładowy Komitet Strajkowy) gebildet, das einen Generalstreik in ganz Polen organisierte.

Am 31. August unterzeichnete die zermürbte kommunistische Regierung mit dem Streik-Koordinationskomitee eine Vereinbarung, die freie Vereinigungen legalisierte. Das Streik-Koordinationskomitee legalisierte sich als Nationales Koordinationskomitee der freien Gewerkschaft Solidarität (polnisch Solidarność). Wałęsa wurde zum Vorsitzenden gewählt.

Er behielt dieses Amt bis Dezember 1981 als Premierminister Wojciech Jaruzelski das Kriegsrecht verkündete. Am 14. November 1982 wurde Wałęsa für elf Monate im südöstlichen Polen, nahe der Grenze zur Sowjetunion interniert. Das US-amerikanische Magazin Time kürte ihn zum Mann des Jahres. Die schwedische Zeitung "Dagens Nyheter" und die dänische Zeitung "Politiken" widmen ihren mit 50.000 Schwedischen Kronen dotierten Freiheitspreis 1982 Wałęsa für seinen Kampf um das Recht, in Freiheit und Wahrheit zu leben.

1983 beantragte er, als Elektriker auf die Danziger Werft zurückkehren zu dürfen. Während er offiziell als einfacher Arbeiter behandelt wurde, stand er tatsächlich bis 1987 unter Hausarrest.

Bevor Lech Wałęsa den Friedensnobelpreis erhielt, wurde er im Juni 1983 mit dem Shalom-Preis der deutschen Menschenrechtsorganisation Arbeitskreis für Gerechtigkeit und Frieden ausgezeichnet.

1983 wurde Wałęsa der Friedensnobelpreis verliehen. Weil er fürchtete, bei einer persönlichen Entgegennahme des Preises nicht wieder ins Land gelassen zu werden, nahm seine Ehefrau den Preis in Oslo entgegen. Das Preisgeld stiftete Wałęsa dem Exil-Hauptquartier der Gewerkschaft Solidarność in Brüssel.

Von 1987 bis 1990 organisierte Wałęsa das halblegale Zeitweise Exekutivkommittee der Gewerkschaft Solidarność. 1988 organisierte er erneut einen Besetzungsstreik auf der Danziger Schiffswerft und verlangte die Legalisierung der Gewerkschaft. Betriebe in ganz Polen folgten dem Danziger Vorbild. Das Land wurde von mehreren Streikwellen überrollt. Im Fernsehen diskutierte Wałęsa live mit dem Vorsitzenden des staatlichen Gewerkschaftsbundes OPZZ, Miodowicz, und siegte mit Witz und Schlagfertigkeit.

Nach 80 Tagen und mehreren Gesprächen zwischen Innenminister General Kiszczak und Wałęsa stimmte die Regierung Gesprächen am Runden Tisch zu. Er trat am 6. Februar 1989 in Warschau erstmals zusammen. Wałęsa fungierte als Wortführer der Nicht-Regierungsseite. Während der Gespräche unterzeichnete die Regierung eine Vereinbarung zur Wiedererrichtung der Gewerkschaft Solidarność und zur Vorbereitung halb-freier Wahlen zum polnischen Parlament.

Parteipolitiker

1989 organisierte und führte Wałęsa das Bürgerkomitee des Vorsitzenden der Gewerkschaft Solidarność. Formal handelte es sich dabei um ein Beratungsgremium, aber tatsächlich war es eine Art politische Partei, die die Parlamentswahlen im gleichen Jahr gewann. Die Opposition errang 35% der Sitze im Sejm (160 der 161 freien Mandate), die durch freie Wahlen bestimmt wurden. 65% der Sitze gingen nach den Vereinbarungen am Runden Tisch automatisch an die Kommunistische Partei. Im neu gegründeten Senat erhielt die Opposition alle bis auf einen Sitz (99 von 100).

Wałęsa übernahm nun eine Schlüsselrolle in der polnischen Politik. Ende 1989 überzeugte er die Vorsitzenden der polnischen Blockparteien, eine nicht-kommunistische Koalitionsregierung zu bilden. Es war die erste nicht-kommunistische Regierung im Ostblock. Zur großen Überraschung der Kommunistischen Partei wählte das Parlament Tadeusz Mazowiecki zum Premierminister Polens. Obgleich Polen formell noch ein kommunistisches Land war, begann sich seine Wirtschaft in eine freies Marktsystem zu verwandeln.

Präsident

Am 9. Dezember 1990 gewann Wałęsa die Präsidentschaftswahlen und wurde für fünf Jahre Präsident Polens. Während seiner Präsidentschaft löste er den so genannten „Krieg an der Spitze“ aus, was praktisch zu einem jährlichen Auswechseln der Regierung führte. Der Stil seiner Präsidentschaft wurde von den meisten politischen Parteien kritisiert. Ende 1995 hatte er die anfängliche Unterstützung der Bevölkerung verloren. Polen aber wandelte sich während seiner Präsidentschaft von einem repressiven kommunistischen Land unter strikter sowjetischer Kontrolle mit schwacher Wirtschaft zu einem demokratischen Land mit einer schnell wachsenden freien Marktwirtschaft.

Nach der Präsidentschaft

Bei den Präsidentschaftswahlen 1995 unterlag Wałęsa dem ehemaligen Kommunisten Aleksander Kwaśniewski. Danach erklärte er, er werde sich politisch zurückziehen. Doch er blieb aktiv und versuchte, eine eigene politische Partei zu gründen. 1997 organisierte und unterstützte er eine neue Partei, die Wahlaktion Solidarität (polnisch Akcja Wyborcza Solidarność), die bei Parlamentswahlen stärkste Partei wurde. Seine Unterstützung spielte dabei jedoch keine wesentliche Rolle und in der Partei bekleidete er nur eine unwichtige Position. Hauptorganisator und Wortführer der Partei war der neue Chef der Gewerkschaft Solidarność, Marian Krzaklewski.

2000 trat Wałęsa erneut zu den Präsidentschaftswahlen an, erhielt jedoch weniger als 1% der Stimmen. Danach erklärte er zum zweiten Mal, er werde sich politisch zurückziehen. Seither hält er an verschiedenen ausländischen Universitäten Vorlesungen zur Geschichte und Politik Mitteleuropas. Zum 31. August 2005 wird er seine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft Solidarność beenden und gab bekannt, dass er sich in Zukunft stärker um die europäische Einigung bemühen möchte.

Am 10. Mai 2004 wurde der internationale Flughafen Danzig-Dreistadt offiziell in Flughafen Lech Wałęsa Danzig umbenannt, um an den prominenten Danziger Bürger zu erinnern. Seine Unterschrift wurde in das Flughafen-Logo aufgenommen.

Lech Wałęsa bei einer Diskussion in Frankenthal

Neben dem Friedensnobelpreis wurden Wałęsa viele staatliche und private Auszeichnungen verliehen. Die höchsten Orden sind der Knight of the Grand Cross of the Order of the Bath und das Großkreuz der Ehrenlegion. Er erhielt zudem Ehrendoktortitel von 32 US-amerikanischen und europäischen Universitäten.

Wałęsas Ergebnisse bei Präsidentschaftswahlen

  • 1990: 74%
  • 1995: 48,3%
  • 2000: 1%
  • 2005: nicht teilgenommen

Schriften

  • Lech Walesa: Ein Weg der Hoffnung: Autobiographie. Zsolnay, Wien 1987, ISBN 3-552-03922-8
  • Lech Wałęsa: Droga nadziei. Wydawn. Znak, Kraków 1990, ISBN 83-7006-142-7
  • Lech Wałęsa: Droga do wolności: 1985-1990 decydujące lata. Ed. Spotkania, Warszawa 1991, ISBN 83-85195-03-3

Literatur

  • Hans Peter Rullmann: Lech Walesa: Der sanfte Revolutionär. Goldmann, München 1981, ISBN 3-442-11321-0
  • Jule Gatter-Klenk: Vielleicht auf Knien, aber vorwärts!: Gespräche mit Lech Walesa. Athenäum-Verlag, Königstein/Ts. 1983, ISBN 3-7610-8340-8
  • Jerzy Klechta: Lech Walesa: Eine politische Biographie. Aktuell, Stuttgart 1992, ISBN 3-87959-469-4
  • Tony Kaye: Lech Walesa. Chelsea House Publ., New York, 1989, ISBN 0-7910-0689-1
  • Jaroslaw Kurski: Democrat or dictator? Westview Press, Boulder 1993, ISBN 0-8133-1788-6
  • Roger Boyes: The naked president: A political life of Lech Walesa. Secker & Warburg, London 1994, ISBN 0-436-20055-4


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