Zum Inhalt springen

Mehrheitswahl

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 29. Juni 2004 um 16:40 Uhr durch 217.81.217.163 (Diskussion) (Geometrie; Lethargie). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Mehrheitswahl (siehe Wahlsysteme) heißt, dass aus jedem Wahlkreis nur derjenige Kandidat in das Parlament einzieht, der die Mehrheit an Stimmen auf sich vereinigen konnte. Alle anderen Stimmen verfallen ("The winner takes it all").

Man unterscheidet relatives und absolutes Mehrheitswahlrecht. Beim relativen Mehrheitswahlrecht gewinnt die Person, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vereint. Beim absoluten Mehrheitswahlrecht muss eine Person zum Sieg mindestens die Hälfte aller Stimmen auf sich vereinigen. Gelingt es im ersten Wahlgang niemandem die Hälfte der Bevölkerung hinter sich zu bringen gibt es einen zweiten Wahlgang.

Dies führt laut dem umstrittenen Medianwähler-Modell zur Konkurrenz um den "mittleren" Wähler und somit eine Ausrichtung der Programme an der "politischen Mitte" (siehe auch Beitrag unter Politisches Spektrum).

Angewandt wird dieses System vor allem im anglophonen Raum, unter anderem

In Deutschland gilt zur Bundestagswahl ein personalisiertes Verhältniswahlrecht: Zwar werden in den Wahlkreisen auch Direktkandidaten nach dem relativen Mehrheitswahlrecht gewählt (die Hälfte der Bundestagssitze), aber die Verteilung der Sitze im Bundestag richtet sich nach dem Anteil der Zweitstimmen, die eine Partei bekommt. Die über die direkt gewonnenen Sitze hinaus einer Partei zustehenden Mandate werden mit Listenkandidaten besetzt. Nur wenn eine Partei mehr Direktmandate erhält, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zuständen, behält die diese Überhangmandate.

Vor- und Nachteile des Mehrheitswahlrechts

Das Mehrheitswahlrecht tendiert typischerweise zu einem Zweiparteiensystem (Duvergers Gesetz); die folgenden Vor- und Nachteile gehen deshalb von einem Zweiparteiesystem aus. Koalitionen sind daher zum Erreichen einer Mehrheit in der Regel nicht erforderlich; die Vor- und Nachteile von Koalitionen gehen ebenfalls mit ein.

Vorteile des Mehrheitswahlrechts:

  • eindeutige Mehrheitsverhältnisse im Parlament führen zu:
    • für die Wähler voraussehbarer Regierungsbildung
    • einfache Regierungsbildung; stabile, starke Regierungen
  • eine Parteienzersplitterung ist sehr unwahrscheinlich, da Kandidaten kleiner Parteien nur selten genügend Stimmen erhalten, um einen Wahlkreis zu gewinnen.
  • Extreme Parteien haben nur geringe Chancen da die Wähler in der Mitte die Wahl entscheiden
  • Zudem ist eine Personenwahl in den Wahlkreisen möglich; die Wähler haben die Möglichkeit, Kandidaten ihres Wahlkreises persönlich kennenzulernen und aufgrund ihrer Persönlichkeit zu wählen.
  • Die Abgeordneten sind von ihrer Partei weniger Abhängig, da sie direkt gewählt werden

Nachteile des Mehrheitswahlrechts:

  • Kleinparteien und neue Parteien haben wenig Chancen, Mandate zu erringen, wenn sie nicht regional dominierende Minderheiten vertreten. Statt dessen schwächen sie eher den eigenen politischen Flügel durch Zersplitterung der Wahlstimmen. Kritiker bemängeln zudem, dass gesellschaftliche Minderheiten nicht ausreichend vertreten werden.
  • ungerecht: Die Stimmen für Kandidaten kleinerer Parteien werden häufig zu "Papierkorbstimmen", da sie ohne Konsequenz für die Zusammensetzung des Parlaments bleiben.
  • Es kann zu Wahlergebnissen kommen, bei denen der Wahlverlierer effektiv mehr Stimmen auf sich vereinigen konnte als der Gewinner. Dies ist möglich, wenn der Wahlsieger in bevölkerungsreichen Wahlbezirken knappere Ergebnisse erzielt und daher die Summierung der abgegebenen Stimmen ein anderes Bild ergibt, als die Auszählung nach geltendem Wahlrecht.
  • Es möglich, dass Wahlergebnis durch "geschicktes" Ziehen der Wahlkreisgrenzen zu beeinflussen ("Gerrymandering", "Wahlkreisgeometrie").
  • In manchen Wahlkreisen kann eine Lethargie entstehen, da die Bevölkerung annimmt, dass sowieso immer die gleiche Partei gewinnt

Beide Phänomene haben sich bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000 bemerkbar gemacht:

  • der demokratische Kandidat Al Gore verlor mehrere Bundesstaaten (vor allem an der Westküste, wo traditionell demokratische Hochburgen liegen), weil der Kandidat der Grünen, Ralph Nader eine starke Minderheit an sich binden konnte. Dadurch erhielt George W. Bush mit einer konservativen Minderheit (weniger Stimmen als die Summe von Demokraten und Grünen) alle Wahlmänner des jeweiligen Bundesstaats zugeschlagen.
  • insgesamt erhielt Gore trotz Naders Konkurrenz in absoluten Zahlen ("popular vote") etwa eine halbe Million mehr Stimmen als Bush. Wahlentscheidend waren jedoch nur rund 1500 strittige Stimmen in Florida.

Siehe auch: