Dialekt
Definition
Ein Dialekt (Mundart) ist eine nicht kodifizierte Sprachform (Gegenteil: Standardsprache, Hochsprache, Ausbausprache), die zum Beispiel in einer Diglossiesituation zur nicht-formellen Kommunikation innerhalb einer lokalen Sprachgemeinschaft verwendet wird; es kann sich um die lokale oder regionale Varietät einer Sprache handeln. Obwohl der die Sprachform im Dialekt nicht formell kodifiziert ist, gibt es trotzdem auch im Dialekt strenge grammatische und phonetische Regeln, die sich von denen in der Standardsprache in unterschiedlichem Grade unterscheiden. Im Dialekt können auch andere Wörter auftreten als in der Standardsprache.
Abgrenzung Sprache/Dialekt
Die Abgrenzung von Sprache und Dialekt erfolgt von Nichtlinguisten oft willkürlich. Die Zuordnung zu der einen oder anderen Gruppe wird nach verschiedenen, sich teilweise widersprechenden Überlegungen durchgeführt. Das führt dazu, dass viele dieser Zuordnungen manchmal selbst unter Linguisten umstritten sind. Eine Möglichkeit zu entscheiden , ob es sich um eine Sprache oder einen Dialekt handelt, ist zu untersuchen, ob die entsprechende Form Merkmale einer Ausbausprache aufweist. Hinzu kommt, dass die zugrunde gelegten Kriterien teilweise auch von der politischen Situation abhängen, so dass die Zuordnungen auch nicht stabil sind, sondern sich des öfteren ändern.
Daraus begründet sich, dass man mit dem Begriffspaar "Dialekt" <-> "Sprache" vorsichtig umgehen sollte. Einige relativ allgemein anerkannte Kriterien sind (unter Berücksichtigung der Anmerkungen am Anfang dieses Artikels):
- eine Hoch- oder Standardsprache, die damit auch gleichzeitig eine Ausbausprache ist oder ein Idiom, das als Nationalsprache eines Staates dient, wird als Sprache betrachtet.
- ein Idiom, das mit einer Nationalsprache verwandt ist und überwiegend in dem entsprechenden Staat gesprochen wird, aber keine Merkmale einer Ausbausprache aufweist, wird als Dialekt aufgefasst.
Auf diesen Kriterien basiert zum Beispiel die Eingruppierung von Deutsch und Niederländisch als Sprachen, während Bairisch und Sächsisch als Dialekte eingestuft werden.
Dieses Thema ist nach wie vor ein heiß diskutiertes, und jede solche Einteilung kann mit Recht angezweifelt oder abgelehnt werden (und wird es in der Regel auch). So dauerte es bis Ende des 20. Jahrhunderts, bis die im Norden Deutschlands, den östlichen Niederlanden und dem südlichen Dänemark gesprochene Niedersächsische Sprache aufgrund der EU-Charta der Minderheitssprachen als eigenständige Regionalsprache anerkannt wurde.
Auch die Unterscheidung bzw. Gleichsetzung von "Dialekt" und "Mundart" ist ein schwieriges Thema. Während in der Umgangssprache die beiden Wörter unterschiedslos benutzt werden (wie auch in diesem Artikel) gibt es auch Definitionen, die den Dialekt von der Mundart durch das Vorkommen eigener, nicht aus der Hochsprache ableitbarer Wörter abgrenzen. Eine Mundart ist dann definiert durch eine spezifische Sprachmelodie und gewisse regelmäßige Ableitungen hochsprachlicher Ausdrücke, wie zum Beispiel das konsistente Verschleifen von Wortendungen, Veränderung von Vokalen und Konsonanten etc.
Das politische Problem der Abgrenzung wird deutlich in dem linguistischen Scherz, der in einer Variante so lautet: "Eine Sprache ist ein Dialekt mit einer Armee" und Uriel Weinreich zugeschrieben wird.
Ausbreitung
Die Ausbreitung von Dialekten kann nach mehreren Kriterien gegliedert werden:
- geographisch
- gesellschaftlich
Über die geographische Ausbreitung eines Dialekts gibt der Sprachatlas Auskunft. Er enthält die Dialektgrenzen und Beispiele von Wortformen der angeführten Dialekte und ihre geographische Verbreitung. Dabei können einzelne Wörter über die Dialektgrenzen hinausreichen. Manche Wörter oder Wortformen können als Indikatoren für einen bestimmten Dialekt dienen.
Dialekte
"Beim Dialekt fängt die gesprochene Sprache an." (Johann Wolfgang von Goethe)
Deutsche Sprachen
(in Klammern: ungefähre geographische Verbreitung)
- Hochdeutsche Sprache
- Oberdeutsch (Süddeutschland, Schweiz, Liechtenstein, Österreich, Frankreich, Italien)
- Schwäbisch-Alemannisch
- Schwäbisch (Südlicher Teil Württembergs, Bayrisch-Schwaben, Bezirk Reutte-Außerfern in Tirol)
- Niederalemannisch (Südbaden nördlich einer Linie Freiburg-Singen, südliches Oberschwaben, Vorarlberg)
- Elsässisch (Niederalemannisch mit starkem französischem Einschlag im Süd-Elsass)
- Südbadisch
- Hochalemannisch, in der Schweiz Schwyzerdütsch genannt (Baseldytsch gilt als Mischung aus Nieder- und Hochalemannisch) (Südbaden südlich einer Linie Freiburg-Singen, Deutschschweiz, Liechtenstein)
- Höchstalemannisch oder Walserisch (Oberwallis, Täler im Aostatal und Piemont)
- Bairisch
- Nordbairisch oder Oberpfälzisch
- Mittelbairisch oder Donaubairisch (Oberbayern, Niederbayern, Oberösterreich, steirisches Ennstal, Niederösterreich, Wien)
- Salzburgisch (Übergang von Donaubairisch zu Südbairisch)
- Südbairisch (Tirol, Südtirol, Kärnten, Steiermark)
- Zimbrisch
- Schwäbisch-Alemannisch
- Mitteldeutsch (Deutschland und angrenzenden Regionen in Frankreich, Luxemburg und Polen im Streifen zwischen Benrather Linie im Norden und Mainlinie im Süden)
- Westmitteldeutsch (Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Luxemburg, Nordrhein-Westfalen und angrenzende Regionen in Frankreich und Belgien), siehe auch: Fränkische Sprache Moselfränkische Dialektgruppe
- Ostmitteldeutsch (Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin, Sachsen und in angrenzenden Regionen Polens und Tschechiens)
- Ostfränkisch, fälschlich auch Fränkisch (Bayern, Südthüringen und angrenzende Regionen Baden-Württembergs, Hessens, Sachsens und Tschechiens)
- Mainfränkisch (Bayern und Südthüringen in einem breiten Streifen entlang der Mainlinie)
- Südfränkisch-/Nordbadisch
- Nord-Elsässisch (Nord-Elsass)
- Oberdeutsch (Süddeutschland, Schweiz, Liechtenstein, Österreich, Frankreich, Italien)
- Niederdeutsche Sprachen (Norddeutschland, Niederlande, Belgien, stehen tw. den skandinavischen Sprachen nahe, s.o.: Dialekt <-> Sprache)
- Niederfränkisch, auch Niederländisch-Flämisch
- Niedersächsische Sprache, als Regionalsprache seit 1994 durch die EU geschützt)(auch:Plattdeutsch)
- Westfälisch
- Ostfälisch (Südostniedersachsen, früher auch westliches Sachsen-Anhalt)
- Nordniedersächsisch (Schleswig-Holstein), Hamburg, Nordniedersachsen, Weser-Ems, Bremen)
- Ostfriesisches Platt (Ostfriesland)
- Plautdietsch
- Ostniederdeutsche Sprache (Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und in angrenzenden Regionen Niedersachsens und Polens)
Weitere Sprachen
- Friesische Sprache (Fraisch)
- Sölring (Sylt)
- Föring (Föhr)
- Omring (Amrum)
- Festlandsfriesisch (Festland Nordfrieslands)
- Hallun (Helgoland)
- Saterländisch (Saterland)
- Dänische Sprache
- Sorbische Sprache
Dialekte in Deutschland nach Bundesländern
- Dialekte in Baden-Württemberg
- Dialekte in Bayern
- Berliner Dialekt
- Brandenburger Dialekte
- Bremer Dialekt
- Hamburger Dialekt
- Dialekte in Hessen
- Mecklenburgisch-Pommersche Dialekte
- Sprachen und Dialekte in Niedersachsen
- Dialekte in Nordrhein-Westfalen
- Dialekte in Rheinland-Pfalz
- Saarländischer Dialekt
- Sprachen und Dialekte in Sachsen
- Dialekte in Sachsen-Anhalt
- Sprachen und Dialekte in Schleswig-Holstein
- Thüringer Dialekte
- Thüringisch-Obersächsische-Dialekte
- Ostfränkische-Dialekte
Beispiele, bei denen Dialektsprecher nicht verstanden wurden
- Hamburg-Besucher aus dem süddeutschen Raum hat sich in St.Pauli verlaufen, findet das Heiligengeistfeld nicht und fragt spätabends Passanten, wo es "zur Mess" gehe. Diese versuchen verzweifelt sich zu errinnern, ob sie in der Nähe eine katholische Kirche kennen und wundern sich sehr, warum dort abends noch eine Messe stattfinden solle.
- Sächselnder Firmenchef berät sich mit seinem Netzwerkadministrator. Dieser bekommt Schweißausbrüche, da von ihm erwartet wird zu wissen, wie und wo das Netzwerk gesteuert wird wie ein Schiff, mit einem Ruder, oder wo im Netzwerk jemand rudert.
- Werks-LKW-Fahrer eines Industriebetriebs hat den Auftrag, dem Pförtner zuzurufen, wie viele Paletten und ähnliches er geladen habe, damit dieser Buch führt. Der LKW-Fahrer meldet "sehx Paledde, drei Beck", und der Aushilfs-Pförtner, ein jobbender Student, der sowieso nicht weiß, dass es außer Paletten auch noch Böcke gibt, fragt sich verzweifelt, in welcher Rubrik er denn die drei Kästen Bier eintragen soll.
- Flensburger betritt um Mitternacht eine völlig leere Berliner Kneipe und grüßt den Zapfer mit "Moin, Moin". Dieser, in seine Lektüre vertieft, erschrickt dreifach: Weil er einen weiteren Anwesenden übersehen zu haben glaubt, weil er glaubt, man habe vergessen, ihn abzulösen, und weil es draußen noch so dunkel ist.
- Firmenchef aus dem südwestdeutschen Raum spricht einen Brief aufs Diktiergerät und verschwindet zu einem Termin. Die Sekretärin ist nicht in der Lage, den Brief zu schreiben und muss auf seine Rückkehr warten, weil der ansonsten sorgfältig artikulierte Text zwischen dem vorletzten und letzten Satz die Formulierung "onneronna" enthält.
Siehe auch:
- Soziolekt, Basilekt, Mesolekt, Akrolekt
- Germanische Sprachen
- Sprachgebrauch in Österreich
- Kolonialdialekt
- Deutschsprachiger Raum
- »BRD-Sprache« und »DDR-Sprache«
- Prolet
Weblinks
- Deutsche Mundarten der Gegenwart
- "The Linguasphere Register", Zone 52- Germanische Sprachen
- http://www.diwa.info/ – Projekt "Digitaler Wenker-Atlas": Karten zu einzelnen Dialektphänomenen. Mit Überblendungsmöglichkeit. Es gibt nichts Vergleichbares!
- http://library.uwsp.edu/aschmetz/German_Resources/WAFLT2000/German_dialects.htm – viele Links, u.a. zu Hörbeispielen
- http://staff-www.uni-marburg.de/~naeser/dial-aud.htm Hörbeispiele zu sehr vielen deutschen Dialekten als Real-Audio-Dateien
- http://www.genealogienetz.de/misc/dialect_gross.html – Dialektkarte
- http://www.heimatvest.de/images/mundart.jpg - Dialektkarte Deutschland (Ende 19. Jahrhundert)
- http://staff-www.uni-marburg.de/~naeser/ma-spr.htm – Diskussion Dialekt vs. Sprache
- http://grimm.adw-goettingen.gwdg.de/wbuecher/ – Dialektwörterbücher
- http://www.sprachatlas.de/
- http://psb1.uibk.ac.at/retti/oewb/ – Österreichisches Wörterbuch
- http://members.aol.com/lorenzgunar/Oertel/ErzgebirgischeMundart erläuternde Seite zum Erzgebirgsdialekt