Tatverdacht
Tatverdacht ist ein juristischer Fachausdruck aus dem Bereich des Strafrechts und bezeichnet den Umstand, dass Organe der Strafverfolgungsbehörden aufgrund bestimmter Anhaltspunkte (Indizien, Beweise) und Schlussfolgerungen annehmen, dass eine Straftat begangen wurde. Der Tatverdacht kann sich gegen "Unbekannt" oder gegen eine bestimmte Person richten. Je nach Beweislage ist der Verdacht unterschiedlich stark ausgeprägt und macht die betroffene Person entweder zum Tatverdächtigen oder zum Beschuldigten. Folgende Verdachtsgrade werden unterschieden:
Die unterste Stufe ist der Anfangsverdacht. Er beruht auf "zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten" (§ 152 Absatz 2 deutsche StPO) und ist Voraussetzung, um ein behördliches Ermittlungsverfahren einzuleiten und personenbezogene Daten, die etwa im Zuge einer polizeilichen Kontrolle erhoben wurden, zu speichern.
Ein hinreichender Tatverdacht ist eine Verdachtsverdichtung, die Voraussetzung für eine Anklage bei Gericht ist. Hinreichender Tatverdacht ist dann gegeben, wenn bei vorläufiger Beurteilung der Beweissituation eine spätere Verurteilung wahrscheinlich ist. Die Staatsanwaltschaft erhebt bei Vorliegen des hinreichenden Tatverdachts in der Regel öffentliche Klage in Form der Anklage oder des Strafbefehls (§ 170 II deutsche StPO). Nach Anklageerhebung prüft auch das Gericht den hinreichenden Tatverdacht, wenn es über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheidet. Grundlage des Eröffnungsbeschlusses (§§ 203, 207 deutsche StPO) oder Nichteröffnungsbeschlusses (§ 204 StPO) sind die vorangegangenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts selbst.
Ein dringender Tatverdacht liegt vor, wenn nach dem Ermittlungsstand eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte verurteilt wird, und ist Voraussetzung für den Erlass eines Haftbefehls mit nachfolgenden freiheitsentziehenden Maßnahmen (§§ 127 Absatz 2 StPO - "vorläufige Festnahme", 126a StPO - "Unterbringungshaftbefehl"). Dringender Tatverdacht wird ferner für die Untersuchungshaft (§ 112 StPO) vorausgesetzt.
Die höchste Steigerung des Tatverdachts ist die richterliche Überzeugung. Nur wenn das Gericht nach Durchführung einer Hauptverhandlung keinen vernünftigen Zweifel mehr an der Schuld des Angeklagten hat, darf es ihn verurteilen.
Der Verdachtsgrad kann sich im Verlauf eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens mehrfach ändern, wenn z.B. das Ergebnis einer kriminaltechnischer Spurenauswertung oder neue Zeugenaussagen bekannt werden. Zu beachten ist, dass für die Zulässigkeit von Maßnahmen wie Hausdurchsuchung oder Beschlagnahme - Haftbefehl ausgenommen - ein Anfangsverdacht ausreichend sein kann.
Literatur
- Herold, H./Burghard, W. et al. (Hrsg.): Kriminalistik-Lexikon - Kriminalistik-Verlag Heidelberg, 1996