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OPC UA TSN

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OPC UA TSN (auch OPC UA over TSN) bezeichnet die Kombination mehrerer Technologien, mit denen es möglich ist, Daten in der industriellen Produktion herstellerübergreifend mit einem einheitlichen, offenen Standard zu übertragen. OPC UA TSN (Time Sensitive Networking) wird von Branchenexperten als das Kommunikationsprotokoll für Industrie 4.0 und das Industrial Internet of Things angesehen[1].

Zweck

Für die Kommunikation innerhalb von Maschinen und zwischen Maschinen werden in der industriellen Produktion bisher proprietäre Kommunikationsprotokolle wie Profinet, EtherNet/IP, POWERLINK, EtherCAT, Profibus, Modbus oder CAN eingesetzt. Für die Kommunikation zwischen Maschinen oder Komponenten unterschiedlicher Hersteller sind daher Schnittstellen oder Gateways notwendig.[2]

Die Umsetzung von Industrie 4.0 erfordert eine durchgehend vernetzte Produktion. Diese lässt sich mit der aktuellen Protokollvielfalt nur schwer umsetzen. Daher ist ein einheitlicher Kommunikationsstandard notwendig, der Maschinen untereinander und Maschinen mit übergeordneten Systemen (zum Beispiel SCADA/MES/ERP-Systeme) und der Cloud vernetzen kann. OPC UA TSN wird von vielen Automatisierungs- und IT-Unternehmen, darunter ABB, Bosch Rexroth, B&R, CISCO, General Electric, KUKA, National Instruments (NI), Parker Hannifin, Schneider Electric, SEW-EURODRIVE und TTTech bereits in Pilotprodukten umgesetzt.[3]

Die Technologie

OPC UA TSN basiert auf zwei wesentlichen Pfeilern:

  • OPC UA ist ein industrielles M2M-Kommunikationsprotokoll und Datenmodell, das Daten nicht nur transportiert, sondern auch semantisch beschreiben kann.
  • Time-Sensitive Networking (TSN) bezeichnet eine Reihe von Unterstandards des Ethernet-Standards IEEE 802.1. Die Datenübertragung über Standard-Ethernet wird dadurch echtzeitfähig. Für den industriellen Einsatz sind folgende Unterstandards relevant:
    • IEEE 802.1AS-Rev/D2.0 : Timing and synchronization for time sensitive applications.
    • IEEE 802.1CB : Frame Replication and Elimination for Reliability.
    • IEEE 802.1Qbv : Enhancement for scheduled traffic
    • IEEE 802.1Qci : Per-Stream Filtering and Policing
    • IEEE 802.1Qcc : Stream Reservation Protocol (SRP) Enhancements and Performance Improvements
    • IEEE 802.1Qbu: Frame preemtion

Die TSN-Spezifikationen werden Bestandteil der allgemeinen Ethernet-Spezifikationen sein. Teile der Automobilbranche setzen auf diesen Standard. Damit werden die nötigen Halbleiter-Baugruppen wahrscheinlich schnell und vergleichsweise kostengünstig verfügbar sein.[4]

Die übertragenen Datenmengen in Kraftfahrzeugen sind in den vergangenen Jahren exponentiell gestiegen. Die Bandbreite bisheriger Bussysteme reicht längst nicht mehr aus. In einem ersten Schritt hat die Automobilbranche daher den Standard 802.1 AVB (Audio Video Bridging) übernommen, der ein synchronisiertes und priorisiertes Streaming von Audio- und Videodateien ermöglicht. Damit können zum Beispiel Daten einer Rückfahrkamera in einem Auto via Ethernet übertragen werden.

Mit dem Ziel, weitere Industrien zu erreichen und das Einsatzspektrum zu erhöhen, hat sich aus der AVB-Arbeitsgruppe die TSN-Initiative entwickelt. Ziel der Automobilbranche ist es, auch Steuerungsaufgaben und Anwendungen, die die funktionale Sicherheit betreffen, über Ethernet abzuwickeln. Dafür sind Zykluszeiten im Echtzeitbereich und ein deterministisches Netzwerkverhalten Grundvoraussetzung.

Notwendige Entwicklungen

Um den Anforderungen in einer industriellen Produktion zu entsprechen, werden die Technologien OPC UA und Ethernet TSN derzeit (weiter-)entwickelt. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Echtzeitfähigkeit von OPC UA. Um zur Kommunikation oberhalb der Steuerungsebene eingesetzt zu werden, sollten folgende Anforderungen erfüllt werden:

  • Deterministisches Zeitverhalten mit einem maximalen Jitter von unter 100 µs
  • Zykluszeiten von maximal 2 ms[5]

Neben der Entwicklung von Time-Sensitive Networking ist es dazu notwendig, OPC UA um einen sogenannten Publish/Subscribe-Mechanismus zu erweitern.[6]

OPC UA arbeitet bisher mit einem Client/Server-Mechanismus. Ein Client fragt eine Information an (Request) und erhält eine Antwort von einem Server (Response). Dieses System stößt an seine Grenzen, wenn das Netzwerk viele Teilnehmer hat. Das Publish/Subscribe-Modell hingegen ermöglicht eine One-to-many- sowie eine Many-to-many-Kommunikation. Ein Server sendet seine Daten in das Netzwerk (Publish) und jeder Client kann diese Daten empfangen (Subscribe). In Kombination mit TSN soll OPC UA mit Publish/Subscribe die Echtzeitanforderungen der Industrie erfüllen.

Beim Client/Server-Mechanismus fragt ein Client eine Information an (Request) und erhält eine Antwort von einem Server (Response).
Beim Publish/Subscribe-Modell sendet ein Server seine Daten in das Netzwerk (Publish) und jeder Client kann diese Daten empfangen (Subscribe).

Aktueller Stand

Die Spezifikation des Publish-/Subscribe-Mechanismus im Rahmen der OPC Foundation wird voraussichtlich im ersten Halbjahr 2017 abgeschlossen. Drei der zehn Spezifikationen des Time-Sensitive Networking sind 2016 durch die IEEE verabschiedet worden. Die übrigen befinden sich derzeit (Oktober 2017) noch in frühen bzw. Entwurfsstadien. Parallel dazu werden beide Technologien von mehreren Anbietern von Informations- und Automatisierungstechnologie bereits getestet. Der wichtigste Test ist das TSN-Testbed des Industrial Internet Consortiums (IIC), in dem TSN-Prototypen unterschiedlicher Hersteller in einem gemeinsamen Netzwerk auf Interoperabilität getestet werden.[7]

OPC UA TSN und Industrial Ethernet

OPC UA TSN verbindet die IP-basierte IT-Welt und Protokolle für harte Echtzeitanforderungen, zum Beispiel Powerlink oder Profinet IRT. OPC UA TSN ist geeignet für alle Applikationen in der Fabrikautomatisierung oberhalb der Maschinenebene, also dort, wo sogenannte weiche Echtzeit-Anforderungen vorliegen. Dazu gehören die Anbindung von SCADA-Systemen, Liniensynchronisation einfache Steuerungsaufgaben oder der Betrieb von Förderbändern.

Die Performance-Anforderungen liegen bei 2 bis 10 Millisekunden und einen Jitter im 3-stelligen Mikrosekundenbereich. Der Bereich der harten Echtzeit, also die Synchronisierung von Servoantrieben und schnelle Sensoranbindungen bleibt weiterhin den Industrial Ethernet-Protokollen vorbehalten.[5]

Einzelnachweise

  1. Günter Herkommer: OPC UA – Arbeitsgruppe für Echtzeit gegründet. computer-automation.de, 13. April 2015, abgerufen am 30. Januar 2017.
  2. TSN – Time-Sensitive Networking. autlook.at, November 2015, abgerufen am 30. Januar 2017.
  3. OPC UA TSN | Grundsteinlegung für Industrial IoT und Industrie 4.0. technik-medien.at, 27. November 2016, abgerufen am 30. Januar 2017.
  4. TSN: Einsatz im Automobil könnte Kosten entscheidend senken. wirautomatisierer.de, 16. Juli 2016, abgerufen am 30. Januar 2017.
  5. a b Heike Henzmann: Echtzeitfähig: OPC UA mit TSN. Nr. 12, 2015, S. 26–27 (aktuelletechnik.ch [PDF; abgerufen am 6. Februar 2017]).
  6. Meinrad Happacher: Vom Sensor bis in die Cloud. computer-automation.de, 27. April 2016, abgerufen am 30. Januar 2017.
  7. Praxistest bestanden. autlook.at, November 2016, abgerufen am 31. Januar 2017.