St. Lambertus (Immerath)

Die ehemalige römisch-katholische Kirche St. Lambertus befand sich im Ortsteil Immerath der Stadt Erkelenz in Nordrhein-Westfalen. Sie stand als Baudenkmal unter Denkmalschutz,[1] wurde aber im Januar 2018 für den Braunkohle-Tagebau Garzweiler abgerissen.[2][3] Ein Erhalt oder eine Translozierung (Versetzung) der Kirche wie etwa beim ähnlichen Fall der Heuersdorfer Emmauskirche[4] wurde nicht erwogen. Namensgeber war Lambert von Lüttich.
Lage
Die ehemalige katholische Pfarrkirche St. Lambertus war die einzige Kirche im Kreis Heinsberg mit einer Doppelturmfassade. Sie lag direkt an der Pescher Straße, der Hauptstraße von Immerath, die im Osten nach Pesch, im Westen nach Holzweiler führt und den Mittelpunkt des Ortes bildet. Im Volksmund ist das Bauwerk auch als „Immerather Dom“ bekannt.
Geschichte
Der wahrscheinlich erste Kirchenbau war eine einschiffige romanische Anlage aus dem 12. Jahrhundert. Sie wurde im 14. Jahrhundert zunächst durch zwei Seitenschiffe erweitert. Ein wenig später erfolgte die Anlage des Chores und des südlichen Seitenschiffes, dem Pescher Chörchen, in dem die Kirchenbänke der Bewohner des Hauses Pesch untergebracht waren.
Aufgrund der Zunahme der Bevölkerung im 19. Jahrhundert entschied man sich 1886 zum Bau einer neuen Kirche. Der Kölner Architekt Erasmus Schüller (1861–1890) legte mehrere Entwürfe für einen neuen Kirchenbau vor. Verwirklicht wurde eine dem Stil des 12. Jahrhunderts nachempfundene neoromanische Basilika.
Am 17. April 1888 begann der Abbruch der alten Kirche. Bereits am 2. September 1888 wurde der Grundstein der neuen Kirche gelegt, die zum großen Teil aus Spenden der Bürger finanziert wurde. Während der Bauarbeiten starb Erasmus Schüller. Der Kölner Architekt Theodor Roß übernahm ab 1890 die Bauleitung. Geweiht wurde die Kirche am 9. Juli 1891. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Kirche im Februar 1945 schwer beschädigt. In der Nachkriegszeit erfolgten umfassende Reparaturen und Renovierungen.
Durch den Braunkohletagebau Garzweiler II werden bis 2045 etwa 5000 Menschen umgesiedelt, darunter auch die Ortschaft Immerath. Am 13. Oktober 2013 wurde die Kirche in einem feierlichen Gottesdienst entwidmet und das Ewige Licht gelöscht.[5]
Am 21. Juni 2017 wurden durch Industriekletterer die beiden Turmkreuze geborgen. Im Dezember 2017 wurde ein in die Apsis eingearbeitetes steinernes Kruzifix in Einzelteilen aus der Wand gelöst und geborgen. Es wird an der Apsis der Kirche St. Franziskus in Bonn angebracht werden.[6] In einem Noteinsatz der „Forschungsstelle Glasmalerei“ aus Mönchengladbach, geleitet von Annette und Ernst Jansen-Winkeln jun., konnte in den letzten vier Tagen vor dem Abriss ein Teil der künstlerisch gestalteten Glasfenster gerettet werden.[7]
Abriss
Am Sonntag, dem 7. Januar 2018, nahmen rund 300 Menschen mit einer Mahnwache Abschied und zeigten lange Spruchbänder, um damit gegen den am nächsten Tag beginnenden Abriss des früheren Gotteshauses zu demonstrieren.[8] Anschließend drangen einige Greenpeace-Aktivisten in die profanierte Kirche ein und besetzten sie.[9]
Am darauffolgenden Montag wurde mit dem Abriss der Kirche durch die Firma H.Herzog HK und die Firma Theo Lücke begonnen, nachdem die Besetzer aus dem Gebäude geleitet worden waren.[10] Am 9. Januar 2018 fielen die beiden Türme, die nach dem ersten Abrisstag noch stehen geblieben waren.
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Teilweise ausgebautes Rosettenfenster der Orgelempore
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Abriss der Türme am 9. Januar 2018
Architektur


Die Kirche St. Lambertus war eine dreischiffige Tuffsteinbasilika des gebundenen Systems mit zwei Jochen im Langschiff und vier im Nebenschiff. Das Querschiff hatte halbrunde Seitenchöre und das Chorjoch eine halbrunde Apsis. Im Inneren waren Kreuzrippen- und Kreuzgratgewölbe vorhanden. Über dem Westwerk erhoben sich rechts und links vom Dreieckgiebel die beiden dreigeschossigen Türme, die spitzgiebelig als Rhombenhelme endeten.
Ausstattung
- Die Orgel mit 17 Registern und elektrischer Traktur aus dem Jahre 1893 wurde von der Orgelbauwerkstatt Gebrüder Müller aus Reifferscheid gebaut und im Jahre 1970 von Fa. Karl Bach aus Aachen renoviert und erweitert.
- Im Kirchturm befanden sich sechs Glocken aus den Jahren 1496, 1670 und 1955.[11]
- Die Kirche besaß einen Hochaltar aus Stein (Manufaktur Henkelshoven & Woringer, 1891), einen nördlichen Marien- und einen südlichen Josefs-Altar. Auf dem Triumphbalken stand eine 1892 gefertigte, 4 m hohe Kreuzigungsgruppe.
- Das 2,18 m große Holzkreuz der Kirche stammte aus dem frühen 15. Jahrhundert.
- Die 57 cm hohe Monstranz aus dem Jahr 1662 wurde aus vergoldetem Silber gefertigt.
Glocken
Die Glocken wurden am 29. und 30. Januar 2014 aus den beiden Türmen abgehängt. Die vier Bronzeglocken zogen mit nach Immerath (neu) um, während die beiden Stahlglocken des Bochumer Vereins verkauft wurden.[12]
Nr. |
Name |
Durchmesser (mm) |
Masse (kg, ca.) |
Schlagton (HT-1/16) |
Gießer |
Gussjahr |
1 | Sebastianus | 1.520 | 1.280 | d' −2 | Bochumer Verein für Gußstahlfabrikation, Bochum | 1955 |
2 | Maria | 1.270 | 770 | f' −2 | Bochumer Verein für Gußstahlfabrikation, Bochum | 1955 |
3 | Jesus & Maria | 1.010 | 620 | g' +5 | Gregorius van Trier, Aachen | 1512 |
4 | Lambertus | 868 | 370 | a' −1 | Gregorius van Trier, Aachen | 1496 |
5 | Johannes | 770 | 280 | c" +1 | Wolfgang Hausen-Mabilon, Fa. Mabilon & Co., Saarburg | 1981 |
6 | Nikolaus & Agatha | 593 | 120 | e" +6 | Peter van Trier, Aachen | 1670 |
Motiv: Ad te levavi animam meam.[13]
Kirchenfenster

Die Kirche besaß ursprünglich eine Buntverglasung der Köln-Lindenthaler Kunstglasmalerei Schneiders & Schmolz. Neben Fenstern mit sogenannten Teppich-und Ornamentmustern führte die Manufaktur auch einige Figurenfenster aus, die vorwiegend im Chor, in den Seitenschiffen und in der Sakristei angebracht wurden. Im Obergaden zierten [14] Nach Kriegsschäden, die große Teile der Kirchenverglasung zerstörte, mussten die Fenster in den Jahren 1952 bis 1981 repariert und erneuert werden. Von der ursprünglichen Buntverglasung konnten lediglich sechs Fenster erhalten werden:
- Was ihr dem Geringsten meiner Brüder tut, das habt ihr mir getan, Fenster in der Sakristei
- Jesus der Kinderfreund, Fenster in der Sakristei
- Verkündigung an Maria, Fenster im Seiteneingang
- St. Anna mit Maria, Fenster im Seiteneingang
- Verlobung von Maria mit Joseph von Nazareth, Fenster im Seiteneingang
- Tod des heiligen Joseph, Fenster im Seiteneingang
Nach dem Krieg entschloss man sich, einen Teil der Buntverglasung notdürftig mit Klarglas und später durch moderne Kirchenfenster zu ersetzen. Ernst Jansen-Winkeln hatte 1952 die fünf großen Ornamentfenster im Chor und die beiden Glasmalereien (St. Nikolaus von Myra; St. Agatha von Catania) über den Seitenaltären geschaffen. Im Jahr 1972 wurden die drei Rosettenfenster in den Querschiffen und über der Orgelempore nach Entwürfen von Anton Wolff gefertigt. 1975 und 1976 wurden zehn Klarglasfenster im Obergaden, die notdürftig nach dem Kriegsende eingesetzt wurden, durch bunte Ornamentfenster ersetzt. Zu den jüngsten Arbeiten Anton Wolffs in dieser Kirche zählen die beiden runden Fenster in den Türmen (1978) und das Fenster Ein Engel bringt der hl. Barbara die Kommunion im Seitenschiff (1980/81).[15][16] Von den insgesamt 40 Kirchenfenstern waren zum Zeitpunkt der Profanierung 29 Buntglasfenster vorhanden. Diese konnten wenige Tage vor dem Abriss durch eine Privatinitiative teilweise geborgen werden.[17]
Die originalen Bleiglasfenster vom Schneiders & Schmolz wurden im Kirchenneubau St. Lambertus in Immerath (neu) integriert. Der privaten Initiative der Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jahrhunderts e.V. ist es zu verdanken, dass die fünf Chorfenster sowie St. Nikolaus von Myra von Ernst Jansen-Winkeln, die zwei Turmfenster, vier Obergadenfenstergruppen sowie das Seitenschiffenster Ein Engel bringt der hl. Barbara die Kommunion von Anton Wolff wenige Tage vor Abriss der Kirche ausgebaut und im Depot des Vereins eingelagert wurden. Von den 1972 angefertigten Rosettenfenstern über der Orgelempore und eines Querschiffs konnten nur Teile geborgen werden. Die anderen Teile wurden ebenso wie acht Buntglasfenster – davon sechs Obergadenfenstergruppen, ein Rosettenfenster aus dem Querschiff und das Fenster über dem Seitenaltar St. Agatha von Catania von Ernst Jansen-Winkeln – beim Abriss der Kirche zerstört.[16]
Siehe auch
Literatur
- Susanne Conrad, Martin Hammer, Vera Henkelman und Carmen Seufert: Der Marienleuchter in St. Lambertus, Erkelenz S. 129 ff.; in: Jahrbuch der rheinischen Denkmalpflege, Band 45; herausgegeben von der Landeskonservatorin Dr. Andrea Pufke; LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland; Wernersche Verlagsgesellschaft mbH, Worms 2015
- Bischöfliches Generalvikariat Aachen (Hrsg.): Handbuch des Bistums Aachen. 3. Auflage. B. Kühlen Verlag, Mönchengladbach 1994, ISBN 3-87448-172-7.
- Paul Clemen: Die Kunstdenkmäler der Kreise Erkelenz und Geilenkirchen. (= Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Band 8.2.) 1906.
Weblinks
- Fotos und Videos der Kirche auf garzweiler.com
- Flyer über die Kirche St. Lambertus
- Denkmaleintrag der Kirche St. Lambertus
- Das letzte Glockengeläut der Kirche St. Lambertus auf YouTube
- Die Glocken verlassen den Immerather Dom auf YouTube
- Video vom Abriss des Immerather Domes auf YouTube (RP Online)
Presseberichte
- Benedikt Erenz: Dieser Dom wird abgerissen: Wie Nordrhein-Westfalens Braunkohletagebau eine Kulturlandschaft vernichtet. In: Die Zeit, 25. Juli 2013
- Norbert F. Schuldei: Der Dom muss den Baggern weichen. In: Aachener Zeitung, 15. August 2013
- Elke Silberer: Schnäppchenjäger Kirche, Was kostet ein Heiliger. Auf: Kath.de, 28. September 2013
- Michael Merten: Die Kirche muss der Kohle weichen. In: Rheinische Post, 8. Oktober 2013
- Willi Spichartz: Glocken verlassen Immerather Dom. In: Rheinische Post, 31. Januar 2014
- Garnet Manecke: Das Ende eines Gotteshauses. In: KirchenZeitung für das Bistum Aachen 36/2013
- Schmerzhafter Abschied – Immerather Dom wird abgerissen. Lokalnachrichten des WDR, 8. Januar 2018; mit geschichtlichem „Abriss“
Einzelnachweise
- ↑ Denkmalliste Erkelenz Nr. 157, Eintrag: 14. Mai 1985
- ↑ Manfred Kriener: Der Immerather Dom muss weichen: Der Energiekonzern RWE reißt ein Wahrzeichen ab, da es einem Tagebau im Weg steht. In: Die Tageszeitung, 5. Januar 2018, abgerufen am 8. Januar 2018.
Immerather Dom: Abriss beginnt am 8. Januar. RP Online, 9. Dezember 2017, abgerufen am 8. Januar 2018. - ↑ Abriss des Immerather Doms läuft.RP Online, 8. Januar 2017.
- ↑ Kirche auf Wanderschaft in: 20min.ch, 24. Oktober 2007
- ↑ „Immerather Dom“ wird entwidmet. Kirche im Bistum Aachen, 2. September 2013, archiviert vom am 1. Februar 2014; abgerufen am 8. Januar 2018.
- ↑ Beate Behrendt-Weiss: Rettung in letzter Minute. Kreuz vom Immenrather Dom findet in Bonn neue Heimat. In: Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln, 5. Januar 2018, S. 56, Online PDF , 9,8 MB.
- ↑ Petra Pluwatsch: Denkmalschutz: Noteinsatz im „Dom“ von Immerath. In: Kölner Stadt-Anzeiger, 6. Januar 2018, abgerufen am 8. Januar 2018.
- ↑ Mahnwache vor Abriss des Immerather Doms. Westdeutscher Rundfunk, 7. Januar 2018, abgerufen am 8. Januar 2018.
- ↑ Aktivisten besetzen Kirche vor Abriss. katholisch.de, 8. Januar 2018, abgerufen am 8. Januar 2018.
- ↑ Christian Schwerdtfeger: Abriss beginnt heute: Immerather Dom – ein Wahrzeichen verschwindet. RP Online, 8. Januar 2018, abgerufen am 8. Januar 2018.
- ↑ Norbert Jachtmann: Glocken in der Region Heinsberg von. (pdf; 2,3 MB) Glockenbücher im Bistum Aachen (glockenbuecherbaac.de), 2013, S. 53, archiviert vom am 15. September 2013; abgerufen am 8. Januar 2018.
- ↑ André Schäfer: St. Lambertus-Kirche: Letzter Ton der Bronzeglocken verstummt. Aachener Zeitung, 31. Januar 2014, abgerufen am 16. Dezember 2017.
- ↑ Norbert Jachtmann: Glocken in der Region Heinsberg von. (pdf; 2,3 MB) Glockenbücher im Bistum Aachen (glockenbuecherbaac.de), 2013, S. 55, archiviert vom am 15. September 2013; abgerufen am 8. Januar 2018.
- ↑ Kunst-Glasmalerei Schneiders & Schmolz (Hrsg.): Verzeichnis einer Anzahl bereits ausgeführter Glasmalereien nebst einigen Abbildungen. Köln 1902, S. 47.
- ↑ Petra Pluwatsch: Denkmalschutz: Noteinsatz im „Dom“ von Immerath. In: Kölner Stadt-Anzeiger, 6. Januar 2018, abgerufen am 8. Januar 2018.
- ↑ a b Erkelenz-Immerath, Ehem. kath. Kirche St. Lambertus. Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jahrunderts e.V., abgerufen am 10. Januar 2018.
- ↑ Erkelenz-Immerath, Kath. Kirche St. Lambertus. auf der Webseite der Stiftung Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jh. e.V.
Koordinaten: 51° 3′ 4″ N, 6° 26′ 14″ O
- Kirchengebäude in Erkelenz
- Baudenkmal in Erkelenz
- Lambertuskirche
- Basilika (Bautyp)
- Neuromanisches Kirchengebäude
- Neuromanisches Bauwerk in Nordrhein-Westfalen
- Ehemaliges Baudenkmal in Nordrhein-Westfalen
- Geläut
- Pfarrkirche des Bistums Aachen
- Ehemalige Pfarrkirche
- Erbaut in den 1890er Jahren
- Zerstört in den 2010er Jahren