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Erziehung

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Hier der konkrete Grund, warum dieser Artikel auf den QS-Seiten eingetragen wurde: Die Inhalte sind noch nicht optimal strukturiert, teilweise willkürlich ausgewählt, unvollständig und politisch gefärbt. Eine Überarbeitung ist meiner Ansicht nach weiterhin dringend notwendig. Vorschläge: Bezug zur Pädagogik klarer herausstellen, Erziehungsbegriff straffer erläutern, Eingehen auf den Aspekt der Sozialisation, Inhalte zu den Erziehungsstilen abspalten und die politische Interpretation des Erziehungsbegriffs deutlicher von einer wissenschaftlichen Beschreibung trennen etc. In der aktuellen Fassung finde ich diese zentrale und wahrscheinlich sehr häufig gelesene Wikiseite noch ziemlich unausgegoren. 131.246.99.13 17:30, 19. Mai 2006 (CEST)


Definition

Erziehung bezeichnet die Interaktion zwischen Menschen, bei der der Erziehende versucht bei dem zu Erziehenden ein von ihm oder gesellschaftlich erwünschtes Verhalten, bzw. gewünschte Einstellungen zu erzeugen, zu bestärken und zu bewahren. Erwünschtes Verhalten wird je nach Personengruppe und Gruppenzugehörigkeit des Educans sehr unterschiedlich bewertet, weshalb es in der Regel zu unterschiedlichen Auffassungen in der Definition des Begriffs Erziehung kommt.
Erziehung beschreibt sowohl das Erziehungshandeln im familiären Bereich und in institutionalisierten Bereichen der Gesellschaft als auch - bisher wenig berücksichtigt - den Einfluß der Peergroup, bzw. der "öffentlichen Meinung".
Erziehungshandeln ist immer mehrdimensional zu sehen: normativ, instrumentell und historisch.

  • Der Begriff Normativ ist auf die Verhaltenserwartungen an den zu Erziehenden zu sehen.
Dies bedeutet, dass die Ebene der konkreten Erziehungssituation zwischen Eltern und Kindern beurteilt wird, aber auch als Übereinkunft einer Gruppe/Gesellschaft (auch der Peergruppe) über den Zweck des Erziehungshandelns.
  • Der Begriff Instrumentell wird hier auf die Frage nach den eingesetzten Erziehungsmitteln bezogen.
Zu den Erziehungsmitteln können unter anderem Formen der Konditionierung, des Modelllernens aber auch des Gruppenlernens herangezogen werden, sowie Formen der Medienpädagogik und der Unterstützung des sozialen Lernens sowie Formen des kognitiven Lernens.
  • Historisch meint hier: die Frage nach den historischen Kontexten eines Erziehungsereignisses.
Die Fragen nach den historischen Kontexten eines Erziehungereignisses beziehen die Fragen nach dem wann, was, warum ein, um die Hintergründe z.B. von Verhaltensauffälligkeiten aufzudecken.

In allen Situationen ist immer die persönliche Reife des Educans zu berücksichtigen, um die gewünschten Ziele der intentionalen Erziehung zu erreichen.

Begriffs und Problemgeschichte

In früherer Zeit wurde Erziehung als Einweisung in Religion, Brauchtum und Sitte der Bezugsgruppe/Gesellschaft verstanden. Mit der Industrialisierung veränderte sich die Gesellschaft und damit entsteht die Bemühung, die Entwicklung der Gesellschaft bewusst zu planen. Der Bürger wird als Subjekt gesehen, dass autonom seine Geschäfte führt und frei seine Verträge schließt. Damit ist aber auch das Grundproblem der Erziehung vorgegeben: Die Definition der Beziehung von Individuum und Gesellschaft und die Bewertung seiner Handlungsfähigkeit. In der weiteren Entwicklung wird Erziehung immer mehr auf das Verhältnis Erzieher-Zögling und die Hilfe zur Persönlichkeitsentwicklung eingeengt. Heute wird Erziehung häufig als Sammelbezeichnung das ganze System methodischer und planmäßiger Maßnahmen betrachtet, die individuell oder gesamtgesellschaftlich eingesetzt werden.

bürgerlicher Erziehungsbegriff

Grundlegendes Merkmal des bürgerlichen Erziehungsbegriffes ist die Vermittlung/Reproduktion von Einsicht in die funktionelen Zusammenhänge der bürgerlichen Gesellschaftsordnung zusammen mit der von dieser Gesellschaft als vernünftig angesehene Ausgleich im Falle unterschiedlicher Interessen. Hat sich der Nachwuchs diese fundamentalen Einsichten zu eigen gemacht, gilt er als mündig. Damit endet die Erziehung. Mit der gelungenen Ausbildung der Selbststeuerung des Individums hat sich die Erziehung selbst überflüssig gemacht.

Klassen- und schichtspezifische Erziehung

Die bürgerliche Erziehungstheorie hat sich immer wieder Vorstellungen über die Erziehung der "niederen Stände" gemacht, um die aus dem Gegensatz von Arbeit und Kapital resultierenden Forderungen nach Arbeitsteilung in Kopf- und Handarbeit (blue/whitecolor Jobs) Rechnung zu tragen. Gesellschaftstheoretiker (z.B. John Locke, Auguste Comte, Sextro, Rochow) hielten die auch als "preusische Sekundärtugenden" bezeichneten Erziehungsziele: Gehorsam, Disziplin, Religion und Gesetzestreue für angemessene Erziehungsziele der unteren Klassen. Konsequent planten sie auch eigene Erziehungsinstitutionen für die Unterschicht: Industrieschulen, Volksschulen, Arbeitsschulen, Fabrikschulen.

Erziehung und Emanzipation

Wie über schichtenspezifische Erziehungsformen entwickelten sich in der bürgerlichen Erziehung auch Gedanken unter dem Neuhumanismus, der Aufklärung und des deutschen Idealismus. Emanzipation sollte nicht nur die eigene Klasse fördern, sondern letztlich allen Menschen dazu verhelfen, sich selbst zu finden, sich voll zu entfalten und ihr Leben bewußt planen zu können (Fichte, Kant, Pestalozzi, Rousseau). Erziehung wurde als Motor für jede gesellschaftliche Veränderung gesehen. Diese Gedanken wurden von konservativen Vertretern der bürgerlichen Erziehung und von Vertretern der schichtenspezifischen Erziehung bekämpft. Dieser Kampf findet auch heute noch statt, wenn es um den Erhalt des gegliederten Schulsystems geht, um die Einführung der Gesamtschule als ersetzende Schulform oder die Verlängerung der Grundschulzeit.

weitere Erziehungsbegriffe

Eine in der Wissenschaft als alternative, wert- und zielfreie bezeichnete Definition von Erziehung stammt von Wolfgang Brezinka: "Unter Erziehung werden Handlungen verstanden, durch die Menschen versuchen, das Gefüge der psychischen Dispositionen anderer Menschen in irgendeiner Hinsicht dauerhaft zu verbessern oder seine als wertvoll beurteilten Bestandteile zu erhalten oder die Entstehung von Dispositionen, die als schlecht bewertet werden, zu verhüten" (Brezinka, 1981, S. 95).

Die Systemtheorie betrachtet Erziehung gemäß der Definition als Interaktion als permanente gegenseitige Beeinflussung von Individuen. dabei spielt es keine Rolle, ob diese Beeinflussung bewußt und planvoll, oder außerbewußt und zufällig (möglicherweise sogar gegenläufig) stattfindet. Damit gerät in den Blick, daß nicht nur die geplanten Erziehungsaktivitäten wirken, sondern ebenso der gesamte Kontext, in dem diese Aktivitäten stattfinden am Ergebnis der Erziehung beteiligt ist und daß dieser Kontext auch dann wirkt, wenn gar keine geplanten Erziehungsaktivitäten stattfinden. Aus dieser Sicht ist es a) nicht möglich nicht zu erziehen (Interaktion findet immer statt) und b) ist Erziehung ein lebenslanger Prozeß (Individuen sind bis zum Tode Beeinflussungen mit Wirkung ausgesetzt).


Erzieher

Mit Erzieher werden die in der Erziehung handelnden Menschen bezeichnet. Die Funktion des Erziehers und die Maximen seines Handelns sind zentraler Gegenstand der Erziehungstheorie.

Erziehung findet in einem Netz von unterschiedlichen Interessenlagen, Abhängigkeiten, Herrschaftsverhältnissen, in denen der zu Erziehende lernen soll, seine eigenen Interessen möglichst früh zu erkennen und zu vertreten.

Erzieher werden einerseites gesehen als diejenigen, die diesen Prozess in Gang setzen und begleiten, das Bild der Anwaltschaft wird gerne benutzt.

Die Erzieher sind allerdings auch Vertreter der Gesellschaft und vertreten die herrschenden Normen und Werte. Sie sollen den zu Erziehenden in diese Normen und Werte einführen und die Erziehenden dazu bringen, sich mit diesen Normen und Werten zu identifizieren.

Der Konflikt zwischen den unterschiedlichen Erwartungen ist unausweichlich, aber auch notwendig, um Gesellschaft nicht in der Form mittelalterlichen Ständegesellschaft erstarren und verkrusten zu lassen.

Daher sind die Ziele der Erziehung, die Methoden und das konkrete Erziehungshandeln genauso Gegenstand permanenter Diskussion, wie die Strukturen in denen diese Erziehung stattfindet: z.B. der Streit um das Recht der Eltern, das eigene Kind auch mit körperlicher Gewalt, d.h. Schlägen, zu erziehen oder die Auseinandersetzung um Studiengebühren und damit den Zugang zu Hochschulen unabhängig von Besitzverhältnissen.

Nicht erst seit PISA wird diese notwendige Überprüfung gesehen. Auch unabhängig davon gewinnen zunehmend Tatsachen Aufmerksamkeit - z.B. das Migranten und sozial Schwache durch Schule institutionell diskriminiert werden, dass das Bemühen um Chancengleichheit folgenlos bleibt - die auf systemische Fehler im Erziehungsprozeß hinweisen.

Erziehungsmittel

Klassische Erziehungsmittel sind Gewöhnung (Einübung, Erziehen durch Vorbild), Belohnung und Bestrafung. Im modernen Sinn versteht man jede Form von positiven und negative Sanktionen.

Die Wahl der Erziehungsmittel kann nicht wertfrei sein, weil die Anwendung von Erziehungsmitteln immer das Interesse des Erziehenden zu den Interessen des zu Erziehenden in eine wertende Beziehung setzt.

Ungeachtet dessen versuchen soziologische Felduntersuchungen über Erziehungspraktiken gesellschaftlicher Gruppen und experimentelle Untersuchungen die Folgen von Erziehungspraktiken und den Einsatz von Erzeihungsmitteln für das Individuum herauszufinden.

Erziehungsnormen

Normen sind Sollensforderungen, die einen religiösen bzw. weltanschaulichen, gesellschaftlichen oder sachlichen Ursprung haben. In der Regel sind Normen der verschieden Herkunft miteinander verknüpft und verschränkt. Normen geben jedoch Handlungsrichtungen und Handlungsverpflichtungen an, ohne einzelne Handlungen festzulegen.

Die Frage der Normen ist besonders bei der Erziehung von Interesse. Die jeweils gültigen Normen sollen vom zu Erziehenden verinnerlicht und so zur Richtschnur seines Handelns werden. Gelingt dieser Prozeß, verhält sich ein Individuum im Sinne dieser Normen konform.

Das Konzept des mündigen Bürgers beinhaltet allerdings, das jedes Individuum die Verantwortung dafür trägt, ob es sich blind im Sinne dieser Normen verhält oder selbst diese Normen auf ihre Legigimität überprüft und gegebenenfalls diese Normen bricht. Hintergrund dieses Konzepts sind u.a. die Erfahrungen mit gesellschaftspolitischen Normen in der Zeit des Nationalsizialismus.

Ein solches Konzept erfordert einen allgemeingültigen Maßstab. In der westlichen Welt gelten christliche Werte (Du sollst Deinen Nächsten Lieben wie Dich selbst) und vereinbarte Werte (Menschenrechte). Auch die Philosophie stellt im kategorischen Imperativ (Kant) eine solche oberste Handlungsmaxime auf. Diese obersten Handlungsmaximen können jedoch auf der Ebene des konkreten Tuns zu ganz unterschiedlichen, zum Teil gegensätzlichen Handlungen führen.

Ein solches Konzept führt zu Problemen, 1. wenn einzelne Mitglieder Normen für sich nicht anerkennen oder anders interpretieren. In diesem Fall kann die Staatsform (Demokratie, Rechtsstaat) Verfahren bereitstelllen, Es entstehen ebenfalls Probleme, 2. wenn unterschiedliche Normkonzepte aufeinandertreffen.

Ein praktisches Beispiel für den ersten Fall ist die Bewegung des Unschooling oder die des Homeschooling. Die unterschiedliche Auffassung von Elternrecht und staatlichem Recht stehen gegeneinander und können zur Zeit mit den gegenwärtigen rechtsstaatlichen Verfahrensmöglichkeiten nicht gelöst werden.

Ein praktisches Problem für den zweiten Fall ist die Erteilung nichtchristlichen Religionsunterrichtes an deutschen Schulen. Einerseits besteht nach dem GG Artikel 7 ein grundsätzlicher Anspruch auch nichtchristlicher Religionsgemeinschaften auf Erteilung eines Religionsunterrichts in Übereinstimmung mit ihren Glaubensgrundsätzen, andererseits der Anspruch des Staates, daß jeder Unterricht den Bedingungen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung genügen muß, d.h. den Normen der BRD, die im GG festgelegt sind. Es bleibt abzuwarten, wie sich die jetzt gefundene politische Lösung: den nichtchristlichen Religionsunterricht von verbeamteten Lehrern, die auf das Grundgesetz vereidigt sind und damit normenkonformen nichtchristlichen Religionsunterricht mit ihrer Person in ihrem Unterricht garantieren sollen, in der Praxis bewährt.

Ein drittes Problem ist durch den Nachweis der Institutionellen Diskriminierung durch die Instution Schule gegenüber Migranten gegeben. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, daß Migranten - und damit möglicherweise ganz allgemein sozial Schwache - systematisch durch die Organisationsform Schule benachteiligt werden. Als Nachweis dafür dienen statistische Erhebungen, mit denen belegt werden konnte, daß der Schulerfolg dieser Gruppe von Schülern signifikant vom Schulerfolg vergleichbarer Schülergruppen abweicht. Die Ursachen für dieses Phänomen kann in der Bindung des Gestaltungsprinzip von Schule an den Normenkanon einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht gesehen werden.

Dieses Problem ist zwar erkannt, wird aber in der wissenschaftlichen und politischen Diskussion bisher kaum zur Kenntnis genommen. Die bisher vorgeschlagenen Lösungen haben hauptsächlich parteipolitischen Charakter oder tragen den Interessen der gesellschaftlichen Gruppe Rechnung, die sie erheben.

Siehe auch

Literatur

  • Rudolf Dreikurs, Vicki Soltz: Kinder fordern uns heraus, Klett-Cotta : Stuttgart 13. Aufl. 2004, ISBN 3608942777
  • Annette Kast-Zahn: Jedes Kind kann Regeln lernen, Oberstebrink : Ratingen 2003, ISBN 393433315X
  • Remo H. Largo: Babyjahre, Piper : München 11. Auflage 2001, ISBN 3492233198
  • Ingo Nickel: Keine Erziehung. Nirgends, Schibri: Berlin 2000, ISBN 3-933978-22-X
  • Anne Pulkkinen: PEKiP: Babys spielerisch fördern, Gräfe & Unzer : München 2005, ISBN 3774274185